Wirtschaftstalk Italia in der IHK München

Bayerisch-italienische Wirtschaft in der Transformation

Podium beim Wirtschaftstalk Italien
© IHK München

Italien und Bayern: das sind zwei der stärksten Wirtschaftsräume Europas, die eng miteinander verflochten sind und stark voneinander profitieren. Doch die Wirtschaft steht unter enormem Veränderungsdruck, verursacht durch geopolitische Krisen, hohe Energiepreise, das Ziel einer Net-Zero-Economy und akutem Arbeitskräftemangel. Die IHK München und die Deutsch-Italienische Handelskammer (AHK) luden am 21.03.2024 zu einem Info- und Netzwerkabend ins IHK Stammhaus in München ein. Gemeinsam mit bayerischen Unternehmerinnen und Unternehmen, die in Italien erfolgreich am Markt sind, wurde über Zukunftsstrategien diskutiert und Erfahrungsberichte ausgetauscht. Mit dabei: der Bayerische Wirtschaftsminister, Hubert Aiwanger.

Text von Martin Armbruster, IHK für München und Oberbayern

Wandel, Wachstum, Emotion

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© IHK München

Wirtschaftstalk Italia in der IHK: Wirtschaftsminister Aiwanger will das Italien-Geschäft ausbauen, als Risiko bleibt die Brenner-Autobahn.

Wohl kein anderes Land sorgt für so viel Emotion. IHK-Vizepräsidentin Dagmar Schuller stieg mit einem fröhlichen "Buonasera" in die Veranstaltung ein. Der "Wirtschaftstalk Italia" sorgte am 21. März in der IHK für volles Haus. Gut 100 Teilnehmer kamen, Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hatte sein Kommen zugesagt. Aber zuerst gehörte Dagmar Schuller die Bühne.

Die Unternehmerin schwärmte, mit Italien verbinde sie tolle Gefühle, sie denke da spontan an Dolce Vita, Urlaub und Sonne. Die Sonne sollte im Folgenden dann auch eine Rolle spielen. Schließlich ging es bei diesem Talk um das Thema "Bayerisch-Italienische Wirtschaft in der Transformation" – und die gibt es nicht ohne Photovoltaik.

Aiwanger belegte mit Zahlen, welche Bedeutung das Geschäft mit Italien schon heute für Bayern hat: Italien ist in Europa nach Österreich Bayerns zweitwichtigster Handelspartner, weltweit liegt es auf Rang vier. Derzeit machen 3.300 bayerische Unternehmen in Italien Geschäft, knapp 400 haben dort eine Niederlassung. Und wenn es nach Aiwanger geht, soll das erst der Anfang sein. Er will das Geschäft mit Italien vertiefen.

Aiwanger: "Die Italiener zeigen uns, wie es geht"

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© IHK München

Die Gründe sind klar. Aiwanger sucht Partner. Die Briten sind aus der EU raus, das Russland-Geschäft ist tot. China kauft nicht mehr gierig bayerische Autos ein, und niemand weiß, wie es in den USA im November weitergeht. Italien könnte dagegen das perfekte Match sein. Dort wächst die Wirtschaft: "Die Italiener zeigen uns, wie es geht", lobte Aiwanger. Und dort schiebt die EU mit vielen Milliarden den Wandel an.

Kein anderer EU-Mitgliedsstaat könnte so sehr vom Corona-Wiederaufbaufonds profitieren. Italiens Regierung hat knapp 200 Milliarden Euro in Brüssel beantragt – für Straßen, Brücken, Solaranlagen und die Digitalisierung von Schulen. Das passt ziemlich gut zu Bayerns Ziel, bis 2040 klimaneutral zu sein.

Aiwanger sieht in Italien einen guten Partner für sein Lieblingsthema Wasserstoff. Schon 2022, sagte er, sei er in Venedig gewesen, um ein Mega-Projekt voranzutreiben. Von Nordafrika soll künftig eine Wasserstoff-Pipeline über Italien und Österreich bis nach Bayern reichen. Dina Lanzi, Vizepräsidentin des italienischen Verbands "H2IT" lobte auf dem Podium dieses Teamwork.

Jörg Buck, Geschäftsführer der AHK in Mailand, berichtete, inzwischen hätten sich die Verhältnisse umgekehrt: Italienische Zeitungen machten sich Sorgen um Deutschland. Auch er warb für einen Ausbau der Handelsbeziehungen – vor allem in den Sparten Chemie, Pharma, Automotive und Elektrotechnik liege Wachstumspotenzial.

Für einen wichtigen Punkt hält Buck auch die Planungssicherheit. Italien sei bekannt für politische Wirren, auch die Europawahl berge Risiken. Aber das stehe fest: "Die Transformation ist gesetzt", versicherte Buck. Was heißt: Wer im digitalen Geschäft oder im Klimaschutz gut unterwegs ist, ist in Italien genau richtig.

Wie stabil das Geschäft mit Italien läuft, verdeutlichte Buck mit Hinweis auf 2023. In diesem schwierigen Jahr habe das deutsch-italienische Geschäft mit einem Gesamtvolumen von rund 164 Milliarden Euro das zweitbeste Ergebnis der Geschichte verzeichnet. Auch die Vertreter deutscher Unternehmen warben auf dem Podium für den Standort Italien.

Zuverlässige und agile italienische Zulieferindustrie

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© IHK International

Demnach sind italienische Firmen in der Digitalisierung ziemlich fix. Die Zulieferbetriebe zuverlässig, flexibel und sehr agil. Und die Unternehmen hätten gelernt, wie man unbeeindruckt von politischem Chaos, weiter gutes Geschäft macht. Matthias Goebel, General Manager bei Bosch Rexroth, formulierte das so: "Wir Deutsche planen, die Italiener machen."

Das klang alles super, bis IHK-Vizepräsident Georg Dettendorfer auf ein großes Risiko für die bayerisch-italienischen Wirtschaftsbeziehungen hinwies. Dettendorfer schilderte ein verkehrspolitisches Fiasko. Die Brenner-Autobahn ist schon heute überlastet. Pro Jahr rollen 2,5 Millionen Lkws über den Brenner. Von 2025 an stehen auf der Strecke Sanierungsarbeiten an.

Brennerbaustellen werden transalpinen Handel belasten

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© IHK München

Die Autobahn wird dann kilometerweise nur einspurig zu befahren sein. Gleichzeitig beginnen auf der Ausweichroute über die Tauern-Autobahn die Sanierung einiger Tunnel. Das Land Salzburg hat bereits Gegenmaßnahmen wie Blockabfertigung angekündigt, sollte es dort zu einer Überlastung kommen.

Die Schiene ist laut Dettendorfer zu teuer, hat zu wenig Kapazitäten frei, der Brenner-Nordzulauf steht nicht vor 2038. Er sagte, Lieferungen Just-in-Time könne man künftig im alpenquerenden Güterverkehr vergessen. Mehr Staus, Nervereien und höhere Kosten seien für alle Beteiligten nach Stand der Dinge unvermeidlich. Noch gebe es die Hoffnung, dass in der Politik in dieser Lage über bestehende Lkw-Fahrverbote und "das künstliche Erzeugen von Staus" (Blockabfertigung) nachgedacht werde.

Bayerische Unternehmen teilen Erfahrungen aus der Praxis

Unter dem Titel "Reshaping Industries: Wie deutsche Unternehmen die Zukunft in Italien mitgestalten" schilderten Daniel Lichtenstein (AM Catalyst GmbH), Hanno Großeschmidt (Encory GmbH), Claudia Wackerbauer (Wackerbauer Maschinenbau GmbH) und
Michael Sammiller (HUBER SE) ihre Erfahrungen beim Markteinstieg in Italien und den Wachstumsplänen für die Zukunft. Als große Belastungsfaktoren wurden umfangreichen Melde- und Registrierungspflichten beim Thema grenzüberschreitende Dienstleistungen beklagt. Hier sei man noch weit entfernt von einem harmonisierten Binnenmarkt für Dienstleistungen.

Abgerundet wurde der Abend schließlich beim geselligen Netzwerken mit italienischem Büfett.

Vorträge und Panels

Impressionen

Interview mit Jörg Buck, Geschäftsführer der AHK Italien