Lehre 9: Hilfsprogramme für Unternehmen müssen in der Schublade liegen
Deutschland besitzt ein gutes Sicherheitsnetz für den Finanzmarkt und die Beschäftigten. Hingegen gibt es weder ein unmittelbar aktivierbares Sicherungssystem für die Realwirtschaft noch schnell einschaltbare Programme zur Stützung der Nachfrage (Konjunkturprogramme). Um Unternehmen bei künftigen Krisen schneller, unbürokratischer und kostengünstiger zu unterstützen, muss die neue Bundesregierung ein "Notfallregime für Wirtschaftskrisen" schaffen, die Finanzhilfen evaluieren und das Kurzarbeitergeld weiterentwickeln.
Notfallregime für Wirtschaftskrisen entwickeln
Bei den Hilfsmaßnahmen für die Unternehmen war Deutschland nur teilweise auf den "K-Fall" vorbereitet. Zwar konnten die bewährten Krisen-Instrumente (wie das Kurzarbeitergeld, die Stundungsmöglichkeiten oder die KfW-Programme) erneut schnell und wirksam eingesetzt werden. Bei allen darüber hinaus gehenden Maßnahmen haben aber komplexe Rechtslagen, langwierige Entscheidungswege und technische Defizite schnelle und zielgenaue Hilfen verhindert. Die nächste Bundesregierung muss deshalb ein "wirtschaftspolitisches Notfallregime" entwickeln, auf dessen Basis bei Bedarf automatisch und innerhalb kürzester Zeit außerplanmäßige, in normalen Zeiten nicht bestehende Unterstützungsprogramme aktiviert werden können. Zu diesem Notfall-Instrumentarium sollte die temporäre Aussetzung des Beihilferechts bis 20 Millionen Euro ebenso zählen wie KfW-Schnellkredite mit Haftungsfreistellung und eine funktionierende Überbrückungshilfe 2.0. Zudem müssen staatliche Maßnahmen zur Stützung der Nachfrage zur Verfügung stehen. Hierzu sollten rückblickend die weltweiten Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur während der Pandemie (wie Kaufkraftprämie PKW, Konsumschecks) evaluiert und die erfolgsversprechendsten für Deutschland entwickelt werden. Hierdurch könnte zugleich dem Druck einzelner Lobbygruppen in Krisenzeiten entgegengewirkt werden.
Überbrückungshilfe 2.0 im Hintergrund aufbauen
Mit den Corona-Wirtschaftshilfen haben Bund und Länder in der Krise Neuland betreten. Das Ziel, die besonders von der Krise betroffenen Branchen schnell und unbürokratisch mit Liquidität zu unterstützen, wurde jedoch nur teilweise erreicht. Die Förderbedingungen waren zu kompliziert, die Datenlage zu schlecht, die IT-Systeme fehlerhaft und die Auszahlungen damit zu langsam. Um aus den Fehlern und Defiziten zu lernen, muss die nächste Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern die Zuschussprogramme durch unabhängige Stellen evaluieren lassen. Um ein passendes Instrument für künftige Krisen zur Verfügung zu haben, sollten die als wirksam und kosteneffizient beurteilten Programme im Hintergrund professionalisiert und präventiv verstetigt werden. Dazu zählen die Klärung der Fördervoraussetzungen und -bedingungen genauso wie die Digitalisierung und Automatisierung des Verfahrens, die Bestimmung der zuständigen Stellen und die Vorhaltung von Haushaltsmitteln. Demgegenüber sollten die nicht-wirksamen und ineffizienten Programme konsequent abgeschafft und auch in neuerlichen Krisen nicht reanimiert werden.
Sicherungsnetz für Beschäftigte und Selbstständige weiterentwickeln
Wie schon in der Finanzkrise haben das Kurzarbeitergeld (KuG) und die Stundung der Sozialversicherungsbeiträge große Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt verhindert und die Nachfrageseite stabilisiert. Nicht zuletzt durch die Ausweitung der Leistungen bis Ende 2021 haben sie aber große Löcher in die Kassen gerissen und auch Fehlanreize gesetzt. Die nächste Bundesregierung sollte die Instrumente deshalb mit Blick auf künftige Krisen weiterentwickeln. Wichtig ist dabei nicht zuletzt, dass auch für Selbständige eine verpflichtende soziale Absicherung geschaffen wird.
Stimme aus der Wirtschaft
In der aktuellen Corona-Pandemie war und ist es absolut richtig, dass der Staat den von Lockdown betroffenen Betrieben finanziell unter die Arme greift. Wer Einschränkungen verhängt, muss auch die wirtschaftlichen Schäden ausgleichen. Aber die Hilfen mussten erst zusammengeschustert werden, als einigen Betrieben, auch im Einzelhandel, bereits das Geld ausging. Der Staat muss auf solche Krisen vorbereitet sein und braucht entsprechende Hilfsprogramme in den Schubladen. Denn auch die Realwirtschaft braucht in schweren Zeiten ein Sicherungsnetz.