Lehre 5: (Aus-)Bildungssystem und Arbeitswelt müssen flexibler und digitaler werden
Die Pandemie hat dem Bildungs- und Arbeitssystem in Deutschland endgültig die Grenzen aufgezeigt. Damit die Unternehmen in den nahenden Verrentungsjahren der Babyboomer zeitgemäß qualifizierte Fachkräfte finden, muss die nächste Bundesregierung das duale Ausbildungssystem attraktiver machen, die Systemdurchlässigkeit weiter erhöhen und die gesetzlichen Rahmenbedingungen an die neue Arbeitswelt anpassen.
Berufliche Ausbildung zeitgemäß gestalten
Um den rückläufigen Trend bei den Ausbildungszahlen umzukehren, muss das berufliche Bildungssystem in der nächsten Legislaturperiode attraktiver und zeitgemäßer gemacht werden. Bestehende Ausbildungsordnungen sollten spätestens alle drei Jahre auf Aktualität überprüft und entsprechend modernisiert werden. Neue Ausbildungsberufe müssen in maximal 1,5 Jahren entwickelt und in den Markt eingeführt sein. Außerdem sollte das IHK-Konzept „Dual mit Wahl“ konsequent umgesetzt werden, indem u.a. Ausbildungsberufe in Berufsgruppen geclustert, Ausbildungsinhalte bei Bedarf verschlankt und Fortbildungsinhalte bei Interesse in die Erstausbildung verlagert werden. Darüber hinaus sollte der Stellenwert nebenberuflicher betrieblicher Ausbilder/innen gestärkt werden, etwa durch eine neue bundeseinheitliche Berufsbezeichnung sowie verbindliche und kontinuierliche Weiterbildung.
Systemdurchlässigkeit erhöhen und Imageproblem der Beruflichen Bildung lösen
Die formale und in der Öffentlichkeit oftmals postulierte Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung wird von Berufsweg-Entscheidern oft nicht wahrgenommen. Karrierechancen und Aufstiegsoptionen werden unterschätzt oder sind nicht bekannt. Ziel der Bundesregierung muss es sein, die Systemdurchlässigkeit weiter zu erhöhen und eine Symbiose der Bildungswege zu erreichen. Hierfür sollten u.a. die neuen Abschlussbezeichnungen auch im IHK-Bereich zügig umgesetzt sowie freier Zugang zum Masterstudium aus der Höheren Berufsbildung ermöglicht werden. Um die berufliche Bildung bei den Zielgruppen als attraktiven Karrierestart zu positionieren, sollte die talentorientierte Berufsorientierung zum Standard ausgebaut und flankierend eine zeitgemäße Social Media-Kampagne durch das Bundesbildungsministerium umgesetzt werden.
New Work ermöglichen
Die Pandemie hat tradierte Strukturen in der Arbeitswelt aufgebrochen und einen Flexibilisierungsschub in den Unternehmen ausgelöst. Dem müssen zeitgemäße arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen, insbesondere die Liberalisierung des Arbeitszeitgesetzes, Vereinfachungen bei der Arbeitnehmerüberlassung und individuelle Lösungen beim mobilen Arbeiten Rechnung tragen. Zur weiteren Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sollte zudem der neu eingeführte Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder durch einen flächendeckenden Ausbau von Ganztagsangeboten in Rand- und Ferienzeiten unterfüttert werden. Um auf die sich ändernden Anforderungen und Qualifikationen zu reagieren, sollte die Bundespolitik Unternehmen und Beschäftigten noch stärkere Anreize für Weiterbildung und berufsbegleitendes Lernen setzen. Dazu zählen die Fokussierung von Bildungsprämien auf digitale Kompetenzen, flächendeckende Beratungsangebote und die bessere Bewerbung bestehender Fördermöglichkeiten.
Was sagen die bayerischen Spitzenkandidaten zum Thema?
"Wir brauchen einen Zukunftspakt Berufsschulen, der die duale Ausbildung neben der akademischen Bildung erhält, attraktiver macht und den Wechsel zwischen beiden Systemen erleichtert. Die Curricula der Berufsschulen müssen gemeinsam mit den Unternehmen modernisiert und digitaler werden."
Alexander Dobrindt, CSU-Spitzenkandidat
"Digitale Lehrmittel und funktionierende Online-Plattformen müssen schulischer Standard sein! Kostenfreie Bildung wollen wir ausbauen, bis hin zur Abschaffung der Gebühren für Techniker*innen und Meister*innen. Attraktive Arbeits- und Ausbildungsplätze brauchen aber auch attraktive Vergütung."
Uli Grötsch, bayerischer SPD-Spitzenkandidat
"Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und Bildungssystems ist wesentlich, um die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes zu sichern und Unternehmen aus Zukunftsbranchen zu bewegen, sich in Bayern anzusiedeln. Berufliche Bildung stärken: Meister statt Master Wir wollen das berufliche Bildungs- und Ausbildungssystem stärken. Der Wert der beruflichen Bildung muss stärker herausgehoben werden."
Peter Boehringer, bayerischer AfD-Spitzenkandidat
"Die digitale und mobile Arbeitswelt bietet vielfältige Chancen. Allerdings stammen viele Regelungen noch aus einer veralteten Zeit. Hier brauchen wir dringend ein Update. Die Digitalisierung der Schulen muss ganzheitlich gedacht werden – von der Ausstattung, Betreuung bis zur Nutzung."
Daniel Föst, bayerischer FDP-Spitzenkandidat
"Wir brauchen eine praxisnahe Berufsorientierung in allen Schultypen. Mit einer Talentkarte, schnellerer Anerkennung ausländischer Bildungs- und Berufsabschlüsse und der Möglichkeit zum Spurwechsel für Geflüchtete sollen auch ausländische Arbeits- und Fachkräfte eine berufliche Perspektive bekommen."
Dr. Anton Hofreiter, bayerischer Spitzenkandidat von Bündnis 90/Die Grünen
"Das duale Ausbildungssystem muss attraktiver werden. Daraus hervorgehende Berufe müssen gesellschaftlich aufgewertet werden. In künftigen Rahmenbedingungen dürfen Arbeitszeiten nicht entgrenzt und Tarifverträge die Ausnahme sein. Das Modell Deutschland basiert auf guter Arbeit und guter Leistung."
Klaus Ernst, bayerischer Spitzenkandidat von Die Linke
Stimmen aus der Wirtschaft
Die Schulen und Lehrkräfte sind eine der wichtigsten Brücken zwischen den Jugendlichen und unseren Ausbildungsstellen. Nur wenn es uns gelingt, die Lehrkräfte und Ausbilder in digitalen Arbeitsmitteln und -Methoden weiterzubilden, werden wir die Jugendlichen überhaupt erreichen und für eine duale Ausbildung begeistern können.
Trotz Verlusten bei sozialer Einbindung und Fachwissen ist der Schub zur Digitalisierung und Selbständigkeit durch Home-Schooling bei den jungen Leuten enorm und muss weiter gefördert werden. Flächendeckende Investitionen in digitale Infrastruktur und Technologien sind weiterhin das Gebot der Stunde.
Die Corona-Situation hat der Digitalisierung nochmals weiteren Schub verliehen und vieles davon wird nachhaltigen Einfluss haben. Im Bildungssektor sehe ich hier noch massiven Nachholbedarf. Unternehmen rüsten im Digitalbereich immer weiter auf. Dieser Trend darf im Bildungsumfeld nicht untergehen. Hier ist in naher Zukunft noch sehr viel zu tun! Dringend!
Die duale Berufsausbildung muss – analog zur ganzen Arbeitswelt – digitaler werden. Dabei reicht es nicht, jedem Azubi ein Tablet in die Hand zu drücken. Vielmehr geht es darum, in den Berufsschulen digitale Kompetenzen zu vermitteln. Dazu zählen Programmierkenntnisse genauso wie Grundwissen in Sachen IT-Sicherheit.
Hinweis
Die IHK berücksichtigt bei den Initiativen zur Bundestagswahl diejenigen Parteien, die in einschlägigen Meinungsumfragen konstant über 5% liegen und damit eine realistische Chance besitzen, im Deutschen Bundestag vertreten zu sein. Reihenfolge der Parteipositionen erfolgt nach Größe der jeweiligen Fraktionen im aktuellen Deutschen Bundestag.