Zuwanderung von Arbeitskräften erleichtern und beschleunigen
Auf dem bayerischen Arbeitsmarkt fehlen zunehmend Arbeitskräfte. Der demografische Wandel wird diese Personallücke weiter öffnen. Das Heben der inländischen Potenziale reicht nicht aus. Die Bundesregierung hat ein Eckpunktepapier zur Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten beschlossen. Können mit den darin aufgeführten Maßnahmen die notwendigen Arbeitskräfte für die bayerischen Unternehmen gewonnen werden?
Inhalt
Einführung
Die bayerischen Unternehmen kämpfen neben den unkalkulierbaren Energiekosten und existenziellen Fragen der Versorgungssicherheit auch mit dem Arbeitskräftemangel. Über die Hälfte der bayerischen Unternehmen hat im Herbst 2022 Probleme bei der Stellenbesetzung. Der demografische
Wandel wird die Arbeitskräfteknappheit deutlich verstärken, da in Bayern im Zeitraum 2022 bis 2035 rund 1,5 Mio. mehr Menschen in Rente gehen als die Schule verlassen werden.
Neben einer Ausweitung von Bildungs- und Weiterbildungsangeboten und der bestmöglichen Erschließung aller inländischen Potenziale durch eine Stärkung der Aus- und Weiterbildung, einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Älteren und Frauen braucht die bayerische Wirtschaft auch die Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften, um wettbewerbsfähig bleiben zu können.
Die Bundesregierung hat am 21. Oktober ein Eckpunktepapier zur Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten vorgelegt, welches neben anerkennungs- und aufenthaltsrechtlichen Anpassungen auch Maßnahmen zur besseren Anwerbung von Fachkräften im Ausland, zum Ausbau des Spracherwerbs im In- und Ausland, zur Vereinfachung und Beschleunigung des Anerkennungsverfahrens, zur Optimierung und Digitalisierung von Verwaltungsverfahren sowie zur gesellschaftlichen Integration umfasst. [Nachtrag: Das Papier wurde am 1. Dezember von der Bundesregierung beschlossen.]
Einschätzung
Aus Sicht der IHK für München und Oberbayern ist das Maßnahmenpaket geeignet, die Zuwanderung von Arbeitskräften nach Deutschland zu stärken. Bei der Umsetzung muss jedoch darauf geachtet werden, dass die Arbeitgeber maßgeblich entscheiden können, ob die Kompetenzen für eine qualifizierte Beschäftigung ausreichen, die Verfahren möglichst einfach, verständlich und unbürokratisch geregelt werden und die Maßnahmen zügig in Umsetzung kommen.
Änderungs- und Ergänzungsbedarf im Eckpunktepapiers sieht die IHK für München und Oberbayern v.a. in folgenden Punkten:
Die Zuwanderung muss auch Arbeitskräften mit einer Teilanerkennung ihrer beruflichen Qualifikation offenstehen, ohne dass damit Qualifizierungsmaßnahmen mit dem Ziel einer vollen Anerkennung verbunden sind.
Beschäftigung von Arbeitskräften mit Berufserfahrung muss unbürokratisch ermöglicht werden. Dies muss auch für Arbeitskräfte ohne Berufsoder Hochschulabschluss im Herkunftsland gelten.
Eine zeitlich befristete Beschäftigung von Unqualifizierten darf nicht nur tarifgebundenen Unternehmen oder in Branchen mit einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag offenstehen. Zudem darf die Beschäftigung nicht auf sechs Monate innerhalb von zwölf Monaten begrenzt sein oder die Dauer muss spürbar ausgeweitet werden.
Die Anerkennungs- und aufenthaltsrechtliche Verfahren sind zu optimieren und rasch in die Umsetzung bringen. Die Änderungen des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes (BQFG) sollten mit den notwendigen Anpassungen der gesetzlichen Regelungen zur Arbeitskräfteeinwanderung in Kraft treten. Auch Arbeitskräfte ohne eine anerkannte Berufsausbildung sollten das beschleunigte Fachkräfteverfahren nutzen können. Die „Kümmererfunktion“ der Ausländerbehörden soll erst enden, wenn die Arbeitskraft in Deutschland ist und einen Aufenthaltstitel hat. Der Visumantrag sollte i.d.R. innerhalb von 6 Wochen bearbeitet werden.
Der im Eckpunktepapier angekündigte quantitative und qualitative Ausbau eines Sprach- und Prüfungsangebots ist zu begrüßen. Die Sprachangebote müssen zügig ausgeweitet und Sprachanforderungen gesenkt werden. Die Unternehmen müssen selbst entscheiden können, ob die vorhandenen Sprachkenntnisse genügen bzw. ausreichend schnell ausgebaut werden können. Dies sollte auch bei einer Teilanerkennung gelten. Für die Ausbildung ist ein Sprachniveau von mindestens B1 notwendig, um die Anforderungen von Berufsschulen und Berufsabschlussprüfungen erfüllen zu können.
Damit deutlich mehr junge Menschen für eine Ausbildung nach Deutschland kommen, braucht es gezielte Anwerbekampagnen mit integriertem Sprachförderangebot und Vorbereitung auf das Leben in Deutschland bereits vor der Einreise. Begleitprogramme in Deutschland tragen dazu bei, dass die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen werden kann. Die Einwanderung zur Ausbildungsplatzsuche sollte unabhängig vom Alter möglich sein oder deutlich über die derzeitige Altersgrenze von 25 Jahren angehoben werden, zudem dürfen die Zugangswege nicht nur Personen mit einer Hochschulzugangsberechtigung oder Absolventen/-innen deutscher Auslandsschulen offenstehen. Die Einreise für eine Ausbildungsvorbereitung etwa als mehrmonatiges Praktikum in einem Unternehmen muss ermöglicht werden. Diese Vorbereitung sollte verpflichtend mit einem von BAMF geförderten Sprachkurs verknüpft werden.
Unternehmen müssen bei der Anwerbung besser unterstützt werden. IHKs müssen als wichtiger Partner bei der Information der Unternehmen mitgedacht werden. Um die Zuwanderung zu stärken und gezielt zu steuern, sollten Anwerbekampagnen für einzelne Berufe oder Branchen auf Bundes- und Landesebene umgesetzt werden.
Damit Zuwanderer auch langfristig in Bayern bleiben, muss die dauerhafte Integration von Beginn an mitgedacht werden. Ein ausreichendes Angebot an Integrationskursen muss sichergestellt werden. Regionale Welcome-Center sollten die erste Anlaufstelle für die ankommenden ausländischen Arbeitskräfte sowie für die Unternehmen sein und diese bei allen Fragen der Integration aktiv unterstützen.
Fazit
- Beschäftigung bei einer teilweisen Gleichwertigkeit erleichtern
- Beschäftigung von Arbeitskräften mit Berufserfahrung unbürokratisch ermöglichen
- Beschäftigungsmöglichkeiten von Unqualifizierten erweitern
- Anerkennungs- und aufenthaltsrechtliche Verfahren optimieren und rasch in die Umsetzung bringen
- Sprachangebote zügig ausweiten - Sprachanforderungen senken
- Auszubildende in den Blick nehmen
- Unternehmen bei der Anwerbung besser unterstützen
- Willkommenskultur und Integration fördern