Podiumsdiskussion zu Sustainable Finance in Brüssel
Bei der Podiumsdiskussion von BIHK und WKÖ in Brüssel zum Thema Sustainble Finance kritisierte BIHK-Präsident Lutz die Brüsseler Planwirtschaft und fordert die Abschaffung der Taxonomie.
Sustainable Finance: Setzt die EU auf die richtigen Instrumente?
Sustainable Finance – der Begriff klingt eigentlich ganz gut. Er steht für ein Maßnahmenpaket, mit dem die EU die Kapitalströme in grüne Projekte, Unternehmen und Wirtschaftstätigkeiten lenken will. Für die EU-Kommission ist der grüne Wandel des Finanzsystems das entscheidende Instrument für das Jahrhundert-Projekt Green Deal. Bis 2050 will Europa klimaneutral werden. Das erfordert Investitionen von Billionen von Euro.
In der Wirtschaft wachsen die Zweifel, ob die EU dabei auf die richtigen Instrumente setzt. Aus dem Mittelstand mehren sich Klagen über die Bürokratie der EU-Maßnahmen. Neben steigenden Zinsen erschwert auch die grüne Regulatorik die Kreditgespräche mit der Hausbank. Bayerns IHKs (BIHK) werten das als Alarmzeichen.
Vor diesem Hintergrund haben BIHK und die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) am 21. März 2023 in Brüssel eine Podiumsdiskussion zum Thema Sustainable Finance organisiert. Die Veranstaltung fand unter dem Slogan „Umsetzbar und wichtig oder Hindernis für notwendige Innovationen im Mittelstand?“ in der Vertretung des Freistaats Bayern bei der EU in Brüssel statt. Mit gut 200 Teilnehmern war der Event ausgebucht. Ein Indiz für die Brisanz, die das Thema hat.
Impressionen von der Veranstaltung
Es moderierte Sandra Parthie, die Brüsseler Büroleiterin des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Sie betonte, dass die EU ohne die Unternehmen ihre Klimaziele nicht erreichen könne. Melanie Huml (CSU), in der Staatskanzlei Staatsministerin für Europaangelegenheiten und Internationales, betonte per Videobotschaft, für wie wichtig die Staatsregierung das Thema Nachhaltigkeit halte. Regierung und Wirtschaftskammern seien sich völlig einig: Ja zum Klimaschutz, aber bitte mit Augenmaß und Realitätssinn.
Marcel Haag, in der EU-Kommission Direktor für Horizontale Angelegenheiten, DG FISMA, hatte in einem Impulsvortrag Gelegenheit, zu erklären, weshalb die Kommission Sustainable Finance für „umsetzbar und wichtig“ hält. Mit der Position hatte er an diesem Abend einen schweren Stand. Er war auf dem Podium, die einzige „Pro“-Stimme. Haag versicherte aber, die Kommission nehme das Feedback der Wirtschaft ernst. Man werde prüfen, was man verbessern oder korrigieren müsse. Auch die Kommission habe das Ziel, KMUs nicht zu überfordern.
Die anderen Experten auf dem Podium kritisierten vor allem zwei Dinge: die Taxonomie, ein Kriterienkatalog, der definieren soll, was grüne von braunen Wirtschaftstätigkeiten trennt. Und die im November 2022 vom EU-Parlament verabschiedete Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die EU-weit etwa 50.000 Unternehmen zu einer umfangreichen Nachhaltigkeitsberichterstattung zwingt.
BIHK-Präsident Prof. Klaus Josef Lutz stellte die große Sinnfrage. Er sagte, Unternehmen seien von sich aus innovativ und nachhaltig, weil der Markt danach verlange. Er verwies auf das Beispiel seines eigenen BayWa-Konzerns. Der grüne Profit-Anteil liege bei 60 bis 70 Prozent, aber nach der Taxonomie-Verordnung könne nur 5,5 Prozent als „grün“ ausgewiesen werden. Die Folge: Kreditkosten bleiben hoch, was Investitionen in Nachhaltigkeit bremse. Das ist das Gegenteil von dem, was die EU erreichen will.
Ralf Kronberger, WKÖ-Abteilungsleiter für Finanz- und Steuerpolitik, erklärte, der grüne Wandel laufe auch ohne Regulierung. Dafür gibt es auch in Bayern zahlreiche Beispiele: So wird die Glasherstellung im Bayerischen Wald heute zum Teil mit Elektroöfen und grünem Strom betrieben. Die Outdoor-Marken VauDe und Orthovox machen gutes Geschäft mit Sporttextilien aus recycelten PET-Flaschen. Automobilzulieferer wie Vitesco und IWIS Ketten haben bei Antriebssystemen längst auf Elektromotor und Batterien umgestellt.
Ebenso wie Lutz betonte Kronberger, das Beste, was die EU-Kommission für grüne Innovationen tun könne, sei, die Firmen einfach machen zu lassen. „Bitte machts es ein bisschen einfacher, bitte machts es ein bisschen weniger aufwändig“, forderte Kronberger von der Kommission. Eine aktuelle PWC-Studie, wonach 76 Prozent den bürokratischen Aufwand des grünen Wandels fürchten, unterstreicht dies. Noch gravierender ist, dass 62 Prozent beklagen, dafür Personal einsetzen zu müssen, das ihnen dann für die Produktion fehlt.
EU-Parlamentarier Markus Ferber (CSU) kritisierte, auch Vertreter deutscher NGOs, Parteien und der Finanzwirtschaft seien an der Misere schuld. Sie hätten die EU-Kommission zu diesen Eingriffen ermutigt. „ Wer nach Brüssel fährt und nach Regulierung bettelt, wird bestraft werden“, stellte Ferber fest. Als Ergebnis habe man eine Regulierung, die am Markt und den Menschen vorbei gehe.
BIHK-Präsident Lutz ergänzte, statt mehr Transparenz schaffe die EU-Kommission Verwirrung. Beispiel hierfür ist ein Automobilzulieferer, der viel Geld in den Umstieg auf E-Mobilität investiert hat. Nach der Taxonomie kann er trotzdem nur einen Bruchteil seiner Ausgaben als grün klassifizieren. Grund: der zugehörige Antriebsstrang gilt als nicht nachhaltig. Die Autos, die Tesla in Brandenburg baut, sind dagegen einfach grün.
Lutz sagte, die Taxonomie-Verordnung mit ihren derzeit 350 Seiten für nur zwei von sechs Klimakriterien sei so komplex und widersprüchlich, dass das von Mittelständlern nicht zu stemmen sei. Nur die Wirtschaftsprüfer profitierten. Als besonders kritisch bezeichnete Lutz die neue Rolle der EZB. Lutz warf ihr vor, ihr Mandat zu überziehen.
Demnach drängt die EZB die Banken dazu, das Ausfallrisiko nicht länger zum entscheidenden Kriterium der Kreditvergabe zu machen. Nun steht die Nachhaltigkeitsanalyse im Blickpunkt. Der BIHK-Präsident wertete das als Angriff auf den Mittelstand. Mehr als 80 Prozent der Unternehmen Europas seien betroffen. Man müsse, forderte Lutz, die EZB an die Leine nehmen.
Handwerkspräsident Franz-Xaver Peteranderl warf der EU-Kommission Schönfärberei vor. Sie nehme nicht zur Kenntnis, dass KMUs indirekt stark von den Vorgaben zu Sustainable Finance betroffen seien. Grund: Großunternehmen, die der Berichtspflicht nach CSRD unterliegen, geben den Druck an ihre Lieferanten weiter. Laut Peteranderl müssen beispielsweise Kfz-Zulieferer heute 75 Seiten lange Berichte ausfüllen.
Was Peteranderl weiter Sorgen macht, ist, dass die Bankenaufsicht nun von den Banken eine „Green Asset Ratio“ (GAR) fordert, die belegt, wie viel Prozent der vergebenen Kredite „grün“ sind. Auch das ein Nachteil für Betriebe, die über keine CSR-Abteilung verfügen.
Mit Ausnahme von Marcel Haag forderten alle Referenten auf dem Podium, die EU-Kommission müsse grundsätzlich umdenken. Handwerkspräsident Peteranderl sagte, seine Betriebe durchlitten eine kritische Phase. Erst Corona, jetzt Lieferkettenprobleme, Energie- und Rohstoffkrise, Fachkräftemangel, für die Firmenchefs seien kaum Nachfolger zu finden. „Wir brauchen ein Bürokratie-Entlastungsprogramm“, forderte Peteranderl.
WKÖ-Experte Kronberger erklärte, besser als jede Regulatorik sei es, für die Unternehmen positive Anreize zu schaffen. Ein Beispiel dafür sei der ökologische Investitionsfreibetrag, den es in Österreich schon gegeben habe. EU-Parlamentarier Ferber sagte, von den USA könne man lernen, wie man es besser macht.
Laut Ferber wird das von der US-Regierung beschlossene 370 Milliarden US-Dollar schwere Inflation Reduction Act (IRA) Wunder wirken: mehr Klimaschutz, Rechtssicherheit für die nächsten zehn Jahre, mehr Wachstum und Jobs sowie starke Anreize für Europas Firmen, Produktion in die USA zu verlegen. „Und wir schießen uns mit der Taxonomie selbst ins Knie“, kritisierte Ferber.
Lutz sah das das genauso. Statt auf CO2-Bepreisung und Innovationsförderung setze Brüssel auf pure Planwirtschaft („DDR 2.0“). Es wäre gut für Europa, das Bürokratiemonster Taxonomie abzuschaffen. Der US-Inflation-Reduction Act sei ein Vorbild, wie man Investitionen klug fördern könne.