Veranstaltungsrückblick

IHK-Jahresempfang : Klare Ansagen von Sigmar Gabriel

Klaus Josef Lutz, Sigmar Gabriel, Manfred Gößl
© Andreas Gebert

"Wir müssen uns auf ein paar unruhige Jahre einstellen", mahnte Sigmar Gabriel, Vorsitzender der Atlantik Brücke beim sehr gut besuchten IHK-Jahresempfang 2024. Seine Worte kamen gut an. Seine Forderungen, so IHK-Präsident Klaus Josef Lutz, unterstütze auch die IHK.

Gabriel: "Wir brauchen dringend eine zweite Agenda."

Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation in Deutschland und der drohenden Präsidentschaftswahl in den USA rief er dem Who is Who der bayerischen Wirtschaft zu: "Wir dürfen nicht so verzagt sein." Zwar sei in Deutschland die Haushaltslage schwierig, was nicht zuletzt an der Schuldenbremse liege. Die sei zwar prinzipiell notwendig, aber vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges könne von ihr abgewichen werden.

In der Handelspolitik, da ist sich der ehemalige Bundeswirtschaftsminister sicher, werde es zuzkünftig schwieriger werden. Ein Grund sei, dass sich die Menschen in Deutschland gegen Freihandelsabkommen stellten. 50 Prozent des Wohlstandes hänge vom Export ab, trotzdem stellten wir uns gegen Freihandel. "Wir sind schon ein bisschen seltsam in Deutschland", resümierte er. Dabei sei Deutschland wie gemacht für die Globalisierung.

Als einen der Hauptpunkte für die wirtschaftlichen Probleme sieht Gabriel, dass Deutschland sehr risikoavers ist. "Wir müssen bereit sein zu entscheiden, welche Risiken wir eingehen wollen und welche nicht." Seiner Auffassung nach ist es dringend notwendig, dass sich der Euro neben dem Dollar als Reservewährung etabliere. Dafür müsse er sich jedoch zu einer echten Gemeinschaftswährung entwickeln, was man in Deutschland keinesfalls wolle. Er schlägt vor, die Risiken einer Gemeinschaftswährung in Griff zu bekommen und dann deren Chancen zu nutzen.

Die Welt polarisiere sich in einen globalen Norden und einen globalen Süden. Die Welt sehe Europa aktuell zu Recht als schwach an. Drei Punkte hob er hervor, um Europa als Machtzentrum in der Welt zu etablieren.

  • Zwingend notwendig sei, dass Europa zusammenhalte. Es sei eine Schande, dass es in Europa kein Machtzentrum in Deutschland und Frankreich gebe, weil die Zusammenarbeit nicht funktioniere.
  • Dringend müsse die Wettbewerbsfähigkeit Europas und Deutschlands verbessert werden. "Es ist gut, dass Europa ein Stück weit weg vom Green Deal und mehr in Richtung Wettbewerbsfähigkeit geht", so Gabriel.
  • Zudem müsse die Verteidigungsfähigkeit verbessert werden. "Wir müssen dieses Russland stoppen." Er betonte, dass das Ziel, 2 Prozent für den Verteidigungshaushalt auszugeben, als Drama angesehen werde, während 1974 unter Willy Brand 4 Prozent in die Verteidigung gegangen seien.

Wirtschaftspolitisch forderte er in Deutschland Reformen. "Wir brauchen dringend eine zweite Agenda", so Gabriel, denn sowohl die Steuern als auch die Sozialbeiträge zu hoch. Konkret brachte er für Familen einen Freibetrag pro Kind bei den Sozialbeiträgen ins Spiel.

Die Präsidentschaftswahl in den USA betrachtet er nur als einen Aspekt. Wichtiger sei, dass Europäern und Deutschen die globale Machtverschiebung bewusst werde. Nicht mehr der Atlantik sei das Gravitationszentrum der Welt, sondern der Indo-Pazifik. "Europa droht, an den Rand der Weltordnung zu kommen." Die Wendung Amerikas nach Westen zum Indo-Pazifik sei durch Putins Angriff auf die Ukraine nur verlangsamt worden. Deutschland müsse sich für ein stärkeres, einiges Europa einsetzen. "Deutschland ist für Europa zu groß und für die Welt zu klein", schob Gabriel allen Gedanken, Deutschland könne diese Probleme alleine bewältigen, zur Seite.