IHK Umweltdialog
Nach der Begrüßung durch den Hauptgeschäftsführer der IHK, Herrn Dr. Gößl, und dem Impulsvortrag von Amir Roughani (VISPIRON Group) boten sechs Workshops, eine Podumsdiskussion und 10 Unternehmensstände viel Gelegenheit, über die aktuellen Themen im Umweltschutz in Dialog zu treten.
Wir müssen reden
An diesem Nachmittag konnte man im Börsensaal der IHK eine Menge lernen. So erklärte der Gastgeber, Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl, wie man im Freistaat Probleme löst. „In Bayern spricht man miteinander“, sagte Gößl. Mit Blick auf die Probleme, die Wirtschaft und Umwelt im Sommer 2023 haben, lässt sich sagen: Nie war der Gesprächsbedarf so akut.
Das zeigte sich auch an den gut 120 Teilnehmern, die am 5. Juli zum „IHK-Umweltdialog 2023 kamen“. Nach seiner Premiere 2019 fand die Veranstaltung am 5. Juli in der IHK für München und Oberbayern zum zweiten Mal statt. Motto: „Gemeinsam handeln – Umweltschutz mit der Wirtschaft“. Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) hatte sich dafür angesagt. Seine Rede wurde mit besonderer Spannung erwartet. „Gut, dass Minister Glauber kommt“, befand IHK-Chef Gößl.
Moderatorin Christiane Allinger stimmte die Teilnehmer vorab auf das Leitmotiv des Dialogs ein: Umweltschutz gehe nur mit der Wirtschaft. Nach Ansicht Gößls hat die Politik diese Einsicht aus dem Blick verloren.
Ebenso deutlich kritisierte er die Neigung der EU-Kommission zur „Detail-Regulierung“. Letztlich schade das auch dem Ziel Klimaschutz, weil zu viel Bürokratie und Zwang politische Widerstände produzierten. Mittelständler fühlten sich von der Regulierung überfordert („Wir können nicht mehr“). Gößl warnte vor „italienischen Verhältnissen“, einer Fülle von Vorschriften, die keiner mehr beachte.
Amir Roughani, Vorstandsvorsitzender der Vispiron Gruppe, vertrat eine andere Sichtweise. Er sagte, wer nichts tue, dürfe sich nicht über Regulierung beschweren. Russisches Gas unter dem Weltmarktpreis – auch Bayerns Unternehmen hätten das Angebot dankend angenommen. Verkehr und Gebäudesektor hätten ihre CO2-Minderungsziele drei Jahre in Folge verfehlt. „Das trifft uns mit voller Wucht“, warnte Roughani.
Das 1,5-Grad-Ziel sei nur noch mit Regulierung und viel Arbeit zu erreichen. Roughani hält das für alternativlos. Ohne Klimaschutz seien Wohlstand und Frieden nicht zu sichern. Da stehe man auch moralisch in der Pflicht: „Wir haben den Planeten von unseren Kindern nur ausgeliehen.“
Als Dritter sprach dann der Minister. Zu Beginn räumte Glauber ein, dass die 10H-Regel die Windkraft ausgebremst habe. Es sei auch nicht clever gewesen, alles auf zwei Gas-Pipelines zu setzen.
Glauber gibt der Technologieoffenheit beim Pkw keine Chance mehr – auch weil längst China die Weichen für deutsche Hersteller stellt. Glauber fährt ein E-Auto. Er schwärmte über einen Wirkungsgrad von 60 bis 70 Prozent und die Chance, mit den „rollenden Batterien“ grünen Strom zu speichern.
Ebenso wie Gößl betonte Glauber, er baue auf technischen Fortschritt und Recycling. „Die alte Batterie muss die Basis für die neue sein“, sagte der Minister. Er verwies mehrmals auf die wichtige Pionierarbeit des Ressourceneffizienz-Zentrums Bayern (REZ), mit dem auch die bayerischen IHKs eng kooperieren.
Glauber betonte die Chancen, die der grüne Wandel Bayern biete: Schluss mit teuren Rohstoffimporten und politischer Erpressbarkeit. Mit den ließen sich Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen produzieren.
Dass die „Transformation“ Bayerns kein Spaziergang wird, erlebt Glauber in seinem eigenen Ministerium. Man müsse das alles unter einen Hut bringen: Windkraft ausbauen, den Boden schützen und für Artenschutz sorgen. Glauber sagte, die Bundesregierung habe in diesem Zielkonflikt Klarheit geschaffen. Es gebe nun ein überragendes öffentliches Interesse am Ausbau der Erneuerbaren. „Windkraft hat Vorfahrt“, sagte der Minister.
Von Verbotskultur und Umweltmaßnahmen, die Bayerns Wettbewerbsfähigkeit gefährden und Arbeitsplätze vernichten, wollte Glauber nichts wissen. Er warb für die Fortsetzung der Partnerschaft von Politik und Industrie. Die Staatsregierung brauche die Unternehmen für den „technischen Teil der Transformation“. Nur so ließen sich Innovationsprozesse in Gang setzen.
Was an diesem Tag Hoffnung machte, war die Vielfalt der Themen der Diskussion und Workshops: digitaler Produkt-Pass, Kreislaufwirtschaft, Öko-Bilanzen, Immissionsschutz und nationale Wasserstrategie – an allen Stellschrauben wird gedreht. Das Problem ist nur, dass angesichts der Geschwindigkeit und Tragweite des Klimawandels alles viel zu langsam geht.
Beispiel nationale Wasserstrategie. Referenten und Teilnehmer des Workshops lobten, dass die Bundesregierung das Thema angeht. Es wurden gute Vorschläge präsentiert, aber ihre Umsetzung wird Jahre brauchen. Schon heute, sagte Glauber in seiner Rede, herrsche im Norden Bayerns eine Sommer-Dürre wie in Jordanien. Bayern habe bereits 20 Prozent seines Grundwassers verloren.
Wie hart das auch die Wirtschaft trifft, erklärte Südstärke-Chef Stefan Dick im Detail. „Wir haben ein Problem“, sagte Dick. Der Klimawandel bringe sein seit 1916 bestehendes Unternehmen in Gefahr. Man sei nicht mehr in der Lage, Kunden zuverlässig zu beliefern. Im jüngsten Jahrzehnt gab es nur zwei „feuchte“ Jahre, in denen die Bauern die benötigten 600.000 Tonnen Kartoffeln liefern konnten. Das schadet der gesamten Lieferkette von den Bauern über Südstärke bis hin zu den Großkunden der Industrie.
Der Klimawandel schafft Fakten, der Handlungsdruck ist enorm. Wie schwierig gleichwohl der grüne Aufbruch ist, schilderte Michaela Schenk, Geschäftsführerin der MAWA GmbH, in der abschließenden Podiumsdiskussion. MAWA stellt Kleiderbügel her. Schenk fühlt sich der Nachhaltigkeit verpflichtet. Folglich stellt sie auch Bügel aus recyceltem Material her. „Die Kunden müssen da auch mitspielen“, erklärte Schenk. Würde sie als Material neuen Kunststoff nehmen, wären die Bügel deutlich billiger.
Schenks jüngste Idee ist, Hopfen-Reste als Material zu verwenden. Dafür hat sie eine Projektförderung beim Bundesforschungsministerium beantragt. Das Ministerium habe, sagte Schenk, mehrmals zusätzliche Unterlagen angefordert und die Förderung bewilligt. Bearbeitungszeit: 1,5 Jahre. Auf dem Podium waren sie sich einig: So wird das nichts. Und die Zeit wird knapp. Der 5. Juli gehört zu den sieben heißesten Tagen, die es auf der Erde seit Beginn der Wetteraufzeichnung gegeben hat.
Martin Armbruster