IHK Veranstaltungsrückblick 08.05.2024

IHK Umweltdialog - Reduzierung von Schadstoffen – Die Wirtschaft handelt

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© © IHK für München und Oberbayern / HRSchulz

Nach der Begrüßung durch Martin Drognitz, Mitglied der Hauptgeschäftsführer der IHK, folgten eine Keynote durch Herrn Dr. Markus Salomon vom SRU, ein Fachvortrag durch Stefan Leiner von der EU Kommission mit anschließender Podumsdiskussion. Am Nachmittag folgten drei praxisorientierte Themenforen und ein Pitch mit Ausblick auf technische Lösungen.

Brüssel macht Druck

IHK Umweltdialog beschäftigt sich mit EU-Vision „Nullschadstoffe“ – Oberbayerns Unternehmen sehen hohen Gesprächsbedarf.

Gut einen Monat vor der Europawahl war das eine sehr klare Ansage: Es wird in Brüssel trotz möglicher Zugewinne rechtspopulistischer Parteien keine Abweichung vom Green Deal geben. Das betonte Stefan Leiner, bei der EU-Generaldirektion Umwelt „Head of Unit Industrial Emissions & Safety“ auf dem Umweltdialog der IHK für München und Oberbayern am 8. Mai.

Die Veranstaltung stand unter dem Slogan „Reduzierung von Schadstoffen – Die Wirtschaft handelt“ und fand im Börsensaal der IHK statt. Im Kern ging es um die Frage, was das für die Unternehmen bedeutet – die EU-Vision „Nullschadstoffe“ bis 2050. Leiner erklärte, was mit der „Null“ gemeint ist: Die Schadstoffemissionen sollen so lange entschärft und verringert werden, bis sie Gesundheit und Umwelt nicht mehr gefährden.

Ein weiter Weg. Markus Salomon vom Sachverständigenrat für Umweltfragen fand das gut. Salomon sagte, es habe sich viel getan, seit der damalige Umweltminister Klaus Töpfer 1988 in den Rhein sprang. Dann kam sein großes Aber. Der Zustand deutscher Fließgewässer ist beschämend. Nur neun Prozent haben den Öko-Status „gut“. Nicht nur in München ist Feinstaub unverändert das Gesundheitsrisiko Nr. 1. Die EU-Umweltagentur macht Feinstaub für rund 253.000 Todesfälle pro Jahr verantwortlich.

Damit machte Salomon seine Position klar: Ohne Regulierung und Grenzwerte funktioniert der Schutz von Umwelt und Gesundheit nicht. Er schlug eine Verschärfung des Feinstaub-Grenzwerts auf Basis der WHO-Empfehlungen vor. Ähnlich argumentierte EU-Mann Leiner. Der Planet befinde sich in einer existenziellen Krise. „Noch nie war Umweltpolitik für die EU so wichtig wie heute“, sagte er. Das werde auch in der zweiten Amtszeit von EU-Präsidentin Ursula von der Leyen so bleiben.

Laut Leiner setzt die EU die Vision „Null“ in zwei Phasen um. Bis Ende 2029 soll der gesamte Rechtsrahmen stehen. Von 2030 an wird die EU dann den grünen Wandel der Unternehmen begleiten. Dass das Erfolg hat, daran ließ Leiner keinen Zweifel. Schon mit den bestehenden Verordnungen und Richtlinien habe man in der EU die Schadstoff-Emissionen um 30 bis 70 Prozent gedrückt. Mit der zweiten Regulierungswelle sei eine weitere Senkung um 40 Prozent möglich.

Wie die EU dabei vorgeht, erläuterte Leiner am Beispiel der „IED 2.0“, der 2023 beschlossenen Neufassung der Industrieemissionsrichtlinie. Diese Richtlinie ist das wichtigste EU-Instrument zur Regulierung von Stickstoffoxiden, Ammoniak, Quecksilber, Methan und Kohlendioxid. Die EU hat diese Richtlinie verschärft und den Anwendungsbereich ausgeweitet. Rund 27.000 Industriebetriebe sind EU-weit betroffen.

Monika Kratzer, beim bayerischen Umweltministerium zuständig für technischen Umweltschutz, äußerte sich skeptisch über die Regulierungsfreude Brüssels. Sie nannte die EU-Ziele „sehr ambitioniert“. Die EU-Kommission laufe Gefahr, kleine und mittlere Unternehmen zu überfordern. Schöne Schlagworte nutzten nichts. Für Umweltschutz brauche es pragmatische Lösungen.

Alexander Flierl (CSU), Vorsitzender des Umweltausschusses des Bayerischen Landtags, warnte ebenfalls vor zu viel Umwelt-Regulierung und Bürokratie. Das könne zur Verlagerung der Produktion nach China führen. Sven Hartmann, Sprecher des Chemieunternehmens Alzchem Trostberg, meinte, seine Branche leide mit hohen Energiepreisen ohnehin unter einem Standort-Handicap. Neben Umweltschutz dürfe man den Aspekt Wettbewerbsfähigkeit nicht aus den Augen verlieren.

Ebenso wie Monika Kratzer sprach sich Hartmann für eine pragmatische Umsetzung der EU-Umweltziele aus. Hartmann sagte, das Verhältnis zu den Umweltbehörden sei gut. Gleichwohl spüre man, wie die EU die Schrauben anziehe. Die Spielräume würden kleiner, die Vorgaben schärfer.

Helmut Leibinger schließlich machte klar, wie EU-Vorhaben ausgerechnet die belasten, die im Umweltschutz Vorreiter sind. Leibinger ist Leiter Net Zero Emission Labs des Zementwerks Rohrdorfer. Das Unternehmen deckt ein Drittel seines Strombedarfs selbst – mit einem in Europa einzigartigen Abwärmekraftwerk. Rohrdorfer hat mit seinen Stickoxid-Ausstoß um 95 Prozent gesenkt. Leibinger versicherte, man arbeite derzeit mit aller Kraft daran, die CO2-Emissionen zu senken.

Eigentlich, so sein Argument, müsse die Politik genau das belohnen. Mit ihrer Richtlinie bewirke die EU das Gegenteil. „Es ist hart, wenn man dann noch neue Umweltauflagen oben drauf gepackt bekommt“, kritisierte Leibinger. Leiner konterte das alles mit der Feststellung, mehr Umweltschutz bringe den Unternehmen auch mehr Wettbewerbsfähigkeit.

Ihm sei kein Unternehmen bekannt, dass wegen Umweltauflagen nach China abgewandert sei. Produktionsverlagerungen hätten andere Gründe, etwa weniger Personal- und Energiekosten. Auch die ständigen Warnungen vor dem „Goldplating“, dem nationalen Nachschärfen von EU-Standards, bezeichnete er als unverständlich.

„Wenn Bayern Emissionen besonders stark senkt, die Krebs verursachen oder die Umwelt schädigen, ist das doch ein Grund, stolz auf Bayern zu sein“, erklärte Leiner. In einem Punkt stimmte ihm Leibinger zu. Der Umwelt-Innovator von Rohrdorfer sagte, er kenne in seinem Umfeld inzwischen einige Unternehmen, die ihre Umwelttechnik mit Erfolg exportierten.

Wie wichtig das Gespräch mit allen Beteiligten für die Reduzierung von Schadstoffen ist, machte der Umweltdialog am Beispiel der Fluorpolymere schön deutlich. Seit Langem ist bekannt, dass zumindest ein Teil der sogenannten PFAS als gesundheitlich höchst bedenklich einzustufen sind. Nur sind diese „Ewigkeitschemikalien“ in fast allem drin, was der Bundesbürger heute zum Leben braucht. Und dann, beklagte der Wissenschafler Markus Salomon, dauere es ewig, bis man zu einer vernünftigen Regulierung komme.

Martin Armbruster

Impressionen der Veranstaltung