Veranstaltungsrückblick

IHK Selbstständigentag 2024

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© Tobias Hase

Inhalt

Raus aus Depression

Ministerin Scharf und IHK-Präsident Lutz werben für mehr Unternehmertum im Land, Diskussion über Folgen der Corona-Krise und das Risiko Scheinselbstständigkeit. BR-Moderatorin Jolyne Gollmiter kam direkt zur Sache. „Zur Abwechslung bin ich mal raus aus der Scheinselbstständigkeit. Ich habe jetzt eine Festanstellung.“ Damit war der Ton gesetzt für den 3. Selbstständigentag der IHK am 13. Mai in der IHK für München und Oberbayern.

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Auf Social Media wurde der Event zuvor gut beworben. Rund 200 Unternehmerinnen und Unternehmer nahmen teil. Hörte man sich nach der Veranstaltung im Atrium der IHK um, lautete das Fazit: Das Kommen hat sich gelohnt. Bayerns Arbeitsministerin Ulrike Scharf (CSU) versicherte, wie ernst die Staatsregierung die Selbstständigen nehme. Ihren Worten zufolge gibt es 644.000 „Solos“ in Bayern. Sie verfügten über Risikobereitschaft und Mut, Eigenschaften, die es brauche, um Bayerns Wirtschaft voranzubringen. „Wir brauchen wieder eine Kultur der Selbstständigkeit“, forderte die Ministerin. In der IHK hörte man das gerne. IHK-Präsident Klaus Josef Lutz tat das, wofür er bekannt ist. Er sprach Klartext zur trüben Lage der Nation. Wer aus dem Ausland kommend, in München aus dem Flugzeug steige, spüre förmlich die Depression, die auf dem Land laste. Das zeige sich im ifo Geschäftsklima-Index, der mit einem Minus von 15 Prozent nicht gerade Euphorie widerspiegele. Lutz schilderte vorab das Fazit der BIHK-Konjunkturumfrage, die erst am folgenden Tag veröffentlicht wurde: Die Stimmung in Bayerns Wirtschaft ist demnach weiter im Keller. Nach Ansicht des IHK-Präsidenten fällt der Ampel dazu nichts ein, im Gegenteil: Die Deindustrialisierung des Landes, die Abwanderung energieintensiver Produktion, das Schrumpfen der Wirtschaft – all das setze sich fort. Symptomatisch für den fatalen Kurs des Landes sei sein Umgang mit den Selbstständigen. Mit Bürokratie, hohen Steuern und Haftungsrisiken bei der Scheinselbstständigkeit würden den Kleinunternehmern große Hemmnisse in den Weg gelegt. Die Ministerin wollte da nicht nachstehen. Sie sagte, dem Land fehle die Lust auf Leistung. Maßgeblichen Anteil daran, ein bisschen Wahlkampf musste ja sein, habe die Ampel. Scharf wiederholte das, was die Union der Bundesregierung täglich vorwirft: Bürgergeld, Bürokratie, das überholte Arbeitszeitengesetz – all das wirke lähmend und leistungsfeindlich.

Die Podiumsdiskussion zur „Zukunft der Selbstständigkeit“ beschäftigte sich zunächst mit der Vergangenheit. IHK-Vizepräsidentin Karin Elsperger schilderte auch am Beispiel ihrer eigenen Modeagentur, dass das Trauma Corona-Krise immer noch nachwirke. Seit Beginn der umstrittenen Betriebsschließungen habe sich bei den Selbstständigen der Unmut aufgestaut. Viele hätten ihre komplette Altersvorsorge aufgebraucht. Was Moderatorin Gollmitzer unterstrich. Sie sagte, ihr Partner sei Musiker. Der habe während Corona seine Versicherung gegen Berufunfähigkeit geopfert. Die aktuelle Lage der Selbstständigen schilderte Elsperger kaum weniger dramatisch. Demnach ist es für die meisten Solo-Unternehmer bislang unmöglich gewesen, die Corona-bedingten Geschäftseinbußen aufzuholen. Nach Corona ist mit dem Ukraine-Krieg gleich der nächste Dämpfer gekommen. Die Kauflaune ist mies. Nur die Kosten laufen heiß. „Da kommt jetzt alles zusammen“, klagte Elsperger. Sie verwies auf die fällige Nachzahlung von Steuern, Krediten und Soforthilfe. Ebenso wie beim zweiten Selbstständigentag machte die Diskussion klar, wie groß der Ärger der Selbstständigen über die fällige Rückzahlung der Soforthilfe ist. Ministerin Scharf sprach von einem "Kommunikationsproblem", nur wer aufgrund von Corona basierend auf den vorgegebenen Richtlinien Verluste gemacht hat, war antragsberechtigt. Das war missverständlich kommuniziert worden, wodurch es zu Rückforderungen kam. Elsperger wertete es zumindest positiv, dass es jetzt eine Stundungsregelung gebe.

Zweiter Punkt: Die Scheinselbstständigkeit ist für Selbstständige unverändert das Risiko Nr. 1. Andreas Lutz, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands der Gründer und Selbstständigen, kritisierte die anhaltende Rechtsunsicherheit bei einem harten Sanktionsrahmen. Vorstandsmitgliedern drohten auch strafrechtliche Konsequenzen. Großunternehmen würden daher überhaupt keine Aufträge mehr an Selbstständige vergeben.

Den ersten Szenenapplaus gab es für Karin Elsperger, die von der Regierung forderte, sie müsse den Selbstständigen mit Checklisten für alle Rechts- und Steuerthemen das Leben leichter machen. „Man muss uns leicht verständlich sagen, was wir tun sollen. Sonst hat man diesen Druck immer im Hinterkopf“, sagte die Unternehmerin.

Dauerthema Nummer 3: Die Bundesregierung plant die Rentenversicherungspflicht für Selbstständige. Ursprünglich sollte die 2025 kommen, unklar ist, ob die Ampel das noch vor der Bundestagswahl angeht. Verbandschef Lutz wollte das nicht grundsätzlich ablehnen, er bedingte sich aber ein Mitspracherecht aus. Das Modell müsse insolvenzsicher sein. Die Selbstständigen sollten selbst über die passende Altervorsorge entscheiden können. Die Diskussion machte schließlich auch deutlich, an welcher Stelle Selbstständige von sich aus ihre Performance verbessern können.

Elsperger und Beate Mader, Chefin der Kommunikationsagentur Vison hoch drei, rieten den Teilnehmern dringend dazu, digitale Medien noch besser zu nutzen. Als Soforthilfe bot der Selbstständigentag dazu gleich zwei Workshops an: André Wehr erklärte, was sich mit Chat-GPT so alles anstellen lässt. Viel Lob der Teilnehmer gab es für den Vortrag von Meike Leopold über das Sichtbarwerden im Netz dank LinkedIn. Der abschließende Vortrag von Monika Scheddin bewies, dass auf dieser Veranstaltung nicht nur staubtrocken referiert wurde. Schon der Titel „Die ultimativen Tipps für Selbstständige“ stand für viel Selbstironie. Mit einer Offenheit, die Männern wohl schwerfiele, gestand Scheddin Fehler und Irrtümer ein: „Ich war jung und naiv.“ Scheddin erklärte, was Selbstständige von Altrocker Udo Lindenberg lernen können: „Man braucht einen Masterplan“ (der größte Rockstar aller Zeiten werden“. Sie gab einen Lesetipp (Prof. Günter Faltin, Kopf schlägt Kapital) und verriet, wie man todsicher Geld verdienen kann: eigene Marge vergrößern und Verkaufspreis senken, in dem man Handelsstufen ausschaltet. Und schließlich, als ideale Überleitung zum Networking, ging es um den Faktor Mensch. Mit Kostproben ließen sich Kunden ködern, auch für Gründer gelte das Lust-Prinzip. Ein Business könne nur dann erfolgreich sein, wenn der Selbstständige 70 bis 80 Prozent seiner Zeit in seinem Präferenzbereich arbeite. Sprich: Er sollte das tun, worauf er Lust hat.

Fotos vom IHK Selbstständigentag 2024

Interview mit Karin Elsperger

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© Marita Borstelmann

Karin, Du hast heute den ersten Applaus bekommen. Du hast Checklisten gefordert, die Selbständigen Rechtssicherheit geben. Wie kamst Du auf diese Idee?

Die kam mit der Debatte über die Datenschutz-Grundverordnung. Ich war damals extrem unsicher, ich hatte nicht verstanden, was ich tun soll. Ich habe dann den Armin gefragt (Armin Barbalata, IHK-Bereichsleiter für IT, die Red.), ob er eine Checkliste für mich machen kann. Der sagte mir, das könne niemand liefern, weil die Geschäftsmodelle und die jeweiligen Datenschutz-Risiken zu unterschiedlich seien. Ich meine aber trotzdem: Für uns Selbstständige sollte es das geben, damit wir wenigstens zu 90 Prozent sicher sind.

Wäre das auch für andere Rechtsgebiete sinnvoll?

Ja, ich halte das für das Allerwichtigste – dass man uns klar verständlich sagt, was wir tun sollen. Wir Kleinen haben einfach nicht die Zeit, uns das alles durchzulesen. Dafür bräuchte ich Tage. Dann hast Du ständig im Kopf: Oh, Gott, ich müsste den Sachverhalt noch mal nachlesen, ich habe das noch nicht gemacht. Wenn ich eine Liste hätte, die ich abarbeiten könnte, wäre mir und allen anderen Selbstständigen extrem geholfen.

Du hast vorhin sehr anschaulich erklärt, wie hart Dich die Corona-Krise getroffen hat. Wirkt das immer noch nach?

Natürlich, auch die Rückzahlung der Soforthilfe ist immer noch ein ein Riesen-Thema. Das trifft auch Mittelständler. Wenn du ein mittelgroßes Unternehmen nimmst, das zwei, drei Geschäfte hat, musste das locker 200.000 bis 300.000 Euro Kredit aufnehmen, um das zu stemmen. Die mussten alles weiterbezahlen – die laufenden Kosten, Personal, die Ware. Das hat mich genauso getroffen.

Du bist aber trotz allem gut durch die Krise gekommen. Ja, weil ich mich ganz auf ein Ziel konzentriert habe – schauen, dass irgendwie Geld reinkommt. Ich habe alles mögliche gemacht, Pop-up-Stores, T-Shirts bedruckt und so weiter. Damit habe ich tatsächlich viel Geld verdient. Jetzt zahle ich dafür irrsinnig viel Steuern nach. Und ich wurde für das folgende Jahr auch hoch veranschlagt. Ich frage mich da, wie ich als Selbstständige das stemmen soll.

Hilft da kein Steuerberater?

Es gibt leider auch schlechte. Und es ist leider so, dass du dich als Selbstständiger total auf dein Geschäft fokussieren musst. Anders kannst du nicht überleben. Leider bleibt dann halt alles andere liegen.

Wie wirkt sich das aus? In Südostbayern hören beängstigend viel Einzelhändler auf.

Das stimmt leider. Die geben auf, weil sie sich sagen: Ich habe keine Lust mehr. Die buttern in ihren Laden kein Geld mehr rein. Verkaufen kannst du nicht, die Läden verschwinden einfach. Auch in München sieht man das. Das finde ich sehr schade.

Gibt es etwas, was Selbsständige falsch machen?

Grundsätzlich bin ich davon überzeugt: Meine Kunden schaffen das, die geben alles. Andererseits sehe ich schon, dass es einige gibt, die sich weigern, etwas zu verändern. Da höre ich: Instagram? Brauche ich nicht. Live-Shopping? Will ich nicht. Events? Was soll ich damit? Dabei sind es Modenschauen, die gerade wieder super funktionieren.

Welche Überlebenstipps hast Du für die Modebranche?

Du musst heute ein Sortiment haben, das spannend ist. Du brauchst ganz viele Ideen, um die Ware an die Frau oder den Mann zu bringen. Du musst dir überlegen, wie man einen größeren Kundenkreis erreichen kann. Deshalb sind Events so wichtig. Wenn deine Kunden etwas Schönes erleben, dann kaufen sie auch.

Sollte Kanzler Scholz bei Dir heute anrufen, was würdest Du als erstes von ihm fordern?

Endlich Planungssicherheit für uns Kleine. Dann sollte sich unser Bundesfinanzminister das Steuersystem mal aus unserer Sicht anschauen. Wir haben eine Steuerlast, die erdrückt uns. Es wäre auch schön, wenn die Stimmung im Land mal wieder so wäre, dass du Lust hast, in dein Geschäft zu investieren. Es ist so, wie unser Präsident Lutz das vorhin gesagt hat. Das ganze Land steckt in einer Depression. Das müssen wir beenden.

Mit welchem Gefühl gehst Du heute nach Hause?

Trotz allem mit Zuversicht. Wenn du hier durch den Saal gehst, spürst du so viel positive Energie und Motivation. Das finde ich toll. Die wollen alle etwas machen. Das Absurde ist, dass die alle die gleichen Probleme haben. Die müssen wir gemeinsam lösen.

Interview mit Beate Mader

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© Stefanie Kresse Beate Mader

Frau Mader, wie fanden Sie die Diskussion mit Bayerns Arbeitsministerin Scharf?

Es ist natürlich schön, dass sie das Gespräch mit uns sucht. Und sie hat mit der Kinderbetreuung einen wichtigen Punkt angesprochen. Damit beschäftigen wir uns auch im IHK-Ausschuss Unternehmerinnen. Meine Ausschuss-Kollegin Christina Ramgraber hat Kinderbetreuung zu ihrem Geschäftsmodell gemacht hat. Sie hat dafür ein sehr gutes Konzept entwickelt und dafür den Münchner Wirtschaftspreis für Frauen gewonnen.

Aber das soll ja alles viel besser werden. Ministerpräsident Söder will bis 2028 15.000 Erzieherinnen zusätzlich einstellen.

Ja, aber was ich die Ministerin Scharf gerne gefragt hätte: Über wie viele Vollzeitstellen sprechen wir eigentlich? Natürlich kann man sagen: Toll, wir haben in den Kitas so und so viele Stellen geschaffen. Aber das ist keine sinnvolle Messgröße. Es gibt viele Erzieherinnen, die nur eine 10-Stunden-Woche haben.

Sie kommen aus Bad Tölz. Wie steht es mit der Kinderbetreuung auf dem Land?

Wir haben Kindergärten und Kitas, die einigermaßen funktionieren. Ein wichtiger Punkt ist aber noch immer, dass Mütter familiäre Unterstützung haben.

Sie bezeichnen sich selbst als „Anschubserin“. Beraten Sie Start-ups?

Ja, das ist eine Facette meines Geschäfts. Ich bin sehr breit aufgestellt. Das ist der Grund, weshalb ich im Vergleich zu anderen Selbstständigen extrem gut durch die Corona-Krise gekommen bin. Wenn eine Sache nicht sehr gut funktioniert hat, habe ich eben an anderer Stelle mehr verdient.

Zu Ihren Stärken zählt wohl auch die digitale Kompetenz…

Ja, ich war schon immer sehr digital unterwegs. Deshalb hat mich damals die IHK gefragt: Kannst Du anderen Unternehmerinnen erklären, wie Online-Meetings funktionieren? Ich war mit diesem Service sehr gut unterwegs. Die Gründungsberatung ist hängengeblieben. In Bad Tölz betreibe ich einen Coworking Space, das ist der sichtbare Teil meines Geschäftsmodells.

Coworking Space – wie wird der denn genutzt?

Ich mache einmal im Monat einen Gründerinnen-Stammtisch. Ich halte es einfach für wichtig, dass man mutige Menschen unterstützt. Wenn dann noch ein Gründer-Coaching für mich abfällt, ist das schön. Aber noch wichtiger ist doch, dass die Gründerinnen einen Anlaufpunkt haben und sich über ihre Theman austauschen können. Jeden Monat lade ich dazu unterschiedliche Referenten ein. Wir leisten da so eine Art Entwicklungshilfe. Das ist etwas total Positives.

Das Risiko Scheinselbstständigkeit scheint ein Dauerproblem zu sein. Wie wirkt sich das aus?

Es ist so, wie es Andreas Lutz gerade auf dem Podium gesagt hat. Große Firmen beauftragen Selbstständige überhaupt nicht mehr. Sie buchen Dienstleister nur noch über Dritte, mit einer Überlassung. Ich selbst bin auch betroffen. Ich schiebe das Risiko weiter an die Agenturen, die Selbstständige vermitteln.

Welche Zielgruppen leiden am meisten unter diesem Risiko?

Das ist jetzt nicht nur der Programmierer, ITler oder Projektleiter. Dazu gehören auch Ingenieure, wie ich es in einem aktuellen Fall gerade festgestellt habe. Und wenn ich einen Ingenieur mit einem Projekt beauftrage, das drei oder vier Monate dauert, kann der in der Zeit ja nicht noch fünf andere Aufträge abarbeiten. Er muss das Projekt für eine Firma abschließen. Dann gilt der quasi schon als angestellt.

Bedeutet das: ewige Unsicherheit?

Ja, klar. Es ist für die meisten Menschen fast unmöglich herauszufinden: Was darf ich? Und was darf ich nicht? Ich hatte einen Gründer, der wollte als Handelsvertreter für eine Firma arbeiten. Damit hatte ich Probleme, ich habe ihm davon abgeraten. Da durchzublicken, wird immer schwieriger. Die ersten Steuerberater nehmen keine Gründer mehr, weil den Steuerkanzleien das Personal ausgeht. Und letztlich weiß keiner sicher, wie das Finanzamt reagiert.

Empfinden Sie das als Willkür?

Ich habe eine Kollegin, die hat sich jahrelang mit dem Finanzamt gestritten. Zuvor hatte das Finanzamt ihre Tätigkeit als freien Beruf anerkannt. Dann, plötzlich, war das nicht mehr der Fall. Weil ein Mitarbeiter gewechselt hat – oder wegen einer neuen Vorschrift. Sie ist in die Berufung gegangen, es wurden mehrere Gutachten erstellt. Vor einigen Tagen hat sie in einer Prüfung ihre betriebswirtschaftlichen Kenntnisse nachweisen müssen. Zum Glück hat sie das geschafft. Aber so etwas empfinde ich schon als Willkür.

Sollte Kanzler Scholz Sie heute Abend anrufen und Sie fragen, wie er Selbstständigen helfen könnte, welchen Tipp hätten Sie für ihn?

Er sollte verstehen, wie wichtig Selbstständige für die Wirtschaft sind. Wir sind viele, wir sind die Masse der Unternehmen. Wir müssen uns vor den Dax-Konzernen nicht verstecken. Noch ein Punkt: Ich berate viele Gründer mit Migrationshintergrund. Denen fällt das Gründen leichter, als einen Job zu bekommen. Und die wollen das auch – unternehmerisch tätig sein.

Haben Sie das Gefühl, nicht wahrgenommen zu werden?

Ja. Ich erlebe das auch im IHK-Regionalausschuss. Als Selbstständige bist du da das kleine Mäuschen. Da hilft schon die Einsicht, dass etwa zwei Drittel der IHK-Mitglieder Selbstständige oder Kleinstunternehmer sind. Wir sind mehr. Dieses Bewusstsein brauchen wir.

Wünschen Sie sich mehr Wertschätzung?

Diese ganzen Regeln mit der Scheinselbstständigkeit, die Einstufung als Kleinstunternehmer – das ist wie eine Betondecke über meinem Kopf. Wir sind Unternehmer. Fertig. Wir sind eine Wirtschaftskraft. Dieses Selbstbewusstsein brauchen wir.

Interview mit Barbara Herzinger

Frau Herzinger, sind Sie heute zum ersten Mal in der IHK?

Nein, ich war war schon vor zwei Jahren da. Im vergangenen Jahr war ich nicht dabei. Ich hatte einfach keine Einladung bekommen.

Wie finden Sie diese Veranstaltung?

Wenn ich sie nicht gut finden würde, wäre ich heute Abend nicht hier. Für mich ist das die ideale Chance zum Netzwerken. Hier treffe ich Gründer und alte Hasen, ich habe Gesprächen, nach denen ich sage: Da habe ich jetzt echt was mitgenommen.

Auf der Podiumsdiskussion wurden viele Punkte angesprochen, die Selbstständigen das Leben schwer machen. Haben Sie sich da wiedergefunden?

Nur zum Teil. Da wurden auch Probleme angesprochen, wie wirklich uralt sind. Über das Rentenproblem haben wir schon in den 80er Jahren diskutiert. Damals bin ich noch in die Lehre gegangen. Wir alle wussten schon damals, dass die Rente für uns nicht mehr reichen wird. Das Problem wurde von Regierung zu Regierung weiterverschoben. Niemand hat es gelöst. Mir war als 15-jährige schon klar: Mit 60 oder 65 in Rente gehen, das kannst du vergessen.

Welche Themen haben Ihnen gefehlt?

Was jetzt ansteht, ist das Thema E-Rechnungen. Dazu hätte ich gerne mehr erfahren.

Interview mit Sabine Heldt

Frau Heldt, Rückzahlung der Soforthilfe, Nachwehen der Corona-Zeit – das waren heute Themen auf dem Podium. Fühlen Sie sich da angesprochen?

Nein. Gerade die Diskussion über die Corona-Hilfen war kein Thema für mich, weil ich es damals nicht gewagt hatte, einen Antrag zu stellen.

Brauchten oder wollten Sie den Zuschuschuss nicht?

In meinem Geschäft ist es von Vorteil gewesen und ist es noch: Ich kann Beratung auch per Telefon machen. Diese Möglichkeit haben viele Menschen, vor allem Frauen, während der Pandemie in Anspruch genommen. Insofern hatte ich großes Glück. Ich bin gut durch die Krise gekommen.

Wie finden Sie dieses Format generell?

Ich finde die Veranstaltung sehr gut. Ich war jetzt in einem Fachforum, da ging es um LinkedIn. Der Vortrag war kurz und klar. Das gefällt mir sehr gut. Ich habe dem entnommen, was ich für mich brauche. Die Ansprache vom IHK-Präsidenten fand ich gut. Ich fand das sehr beeindruckend. Was die Ministerin gesagt hat, hat mir sehr, sehr gut gefallen. Am besten fand ich die Vize-Präsidentin der IHK, die Frau Elsperger.

Womit konnte Sie Frau Elsperger überzeugen?

Mit Ihrem Praxisbezug. Sie erklärt das alles so, wie es für uns Selbstständige tatsächlich ist. Das gefällt mir. Für mich ist die Frage relevant: Versteht jemand die Probleme anderer, weil er die selbst kennt und davon betroffen ist? Das ist eben nicht nur Theorie, wie ich das leider in der Bundespolitik oft wahrnehme. Das ist sehr nahe dran an der Welt, in der wir Unternehmer leben. So sehe ich die IHK. Deshalb komme ich auch gerne hierher. Das klingt, als ob Sie wiederkommen werden…

Dazu möchte ich sagen, dass es hier sehr herzlich ist. Es ist sehr zugewandt, ich habe das Gefühl, dass die IHK wirklich versucht, uns Selbstständige zu verstehen und unsere Bedürfnisse in politische Forderungen umzusetzen. Das ist das Beste was man erreichen kann, wenn man sie eine Veranstaltung macht.

Geben Sie diesen Veranstaltungstipp weiter?

Da werde ich sogar einen Post auf LinkedIn dazu schreiben. Ich komme jetzt so richtig in Fahrt. Ich habe heute ja gelernt, wie ich LinkedIN am besten nutzen kann.