IHK-Vollversammlung positioniert sich zur Digitalisierung
Ein Plädoyer für den Freien Handel legte IHK-Präsident Eberhard Sasse vor der IHK-Vollversammlung ab. Wachsende Teile der Bevölkerung fühlten sich durch Globalisierung und Digitalisierung bedroht. "Als Wirtschaft ist es unsere Aufgabe, deutlich zu machen, dass diese Abschottung nicht funktionieren kann." Die Vollversammlung forderte mehr Flexibilisierung, um der Digitalisierung der Arbeitswelt gerecht zu werden.
Deutschland befindet sich in einer zunehmend kritischen Großwetterlage. Reformen sind dringend nötig, um das Land angesichts der vielfältigen Risiken im In- und Ausland krisenfest zu machen.
Ein heißes Thema stand mit der Digitalisierung der Arbeitswelt auf der Tagesordnung der Vollversammlung. Marc Ritter von Google Deutschland war geladen, um über die „Zukunft der Arbeit“ zu sprechen. In der Diskussion wurde deutlich, dass das Arbeitsrecht, das System der Sozialversicherungen und die politischen Rahmenbedinungen nicht mehr Schritt mit der technischen Entwicklung halten.
Ritter empfiehlt: „Geben Sie Ihren Mitarbeitern Freiheit - und Sie bekommen viel mehr zurück!“. Bei Google bestimmen Mitarbeiter weitgehend selbst über Arbeitszeit und Arbeitsort. Sie entscheiden auch über Neueinstellungen.
Risiko der Digitalisierung: Selbstausbeutung der Mitarbeiter
Andrea Stellwag, Geschäftsführerin der ConSol Consulting & Solutions Software GmbH, sieht auch Gefahren bei allzu großer Flexibilität von Arbeitszeit und Arbeitsort im Rahmen der Digitalisierung. Einige Mitarbeiter neigten dazu, sich bei den Freiheiten in IT-Unternehmen selbst zu überfordern. Besonders anfällig hierfür seien z.B. Mütter in Teilzeit. „Sie leisten oft mehr als sie müssten“, berichtete Stellwag. Hier sei es wichtig, dass die Arbeitgeber Unterstützung bei der Wahrung einer gesunden Work-Life-Balance leisten: durch die Wertschätzung der Arbeitsleistung, das Bewusstsein für Erholungspausen und - falls nötig - die Festlegung von Rahmenbedingungen.
Sigrid Hauer, Geschäftsführerin der EBH GmbH, sagte, es wäre falsch, Digitalisierung auf Technik, berufliches Können und Rechtsfragen zu reduzieren. „Digitalisierung funktioniert dann gut, wenn ich die Leute mitnehme, wenn sie keine Angst haben um ihren Job“, erklärte die Unternehmerin. Hier seien Chefs echt gefordert. Als Beispiel nannte Hauer die Tourismusbranche. „Wenn ein Hotel den digitalen Check-in einführt, darf das nicht die Entlassung der drei Mitarbeiterinnen bedeuten, die das bisher gemacht haben. Diese Mitarbeiterinnen können stattdessen anspruchsvollere Service-Aufgaben übernehmen“, erklärte Hauer.
Position zur Digitalisierung der Arbeitswelt
Einstimmig verabschiedete die IHK-Vollversammlung das Positionspapier zur Digitalisierung der Arbeitswelt. Die wichtigsten Forderungen sind:
- Mehr Flexibilität in der Arbeitszeit und Festlegung einer mindestens wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden. Das erlaubt dann, mehr als 10 Stunden am Tag zu arbeiten.
- Auch die Verkürzung der Ruhezeit von 11 auf 9 Stunden sollte erleichtert werden.
- Mehr Flexibilität beim mobilen Arbeiten. Dabei sollte die Eigenverantwortung des Arbeitnehmers stärker eingefordert werden. Einen Anspruch auf Telearbeit lehnt die IHK ab.
- Zusammenarbeit von Unternehmen und „Einkauf“ externen Wissens erleichtern
- Kindertageseinrichtungen und Schulen auf Anforderungen der digitalen Arbeitswelt vorbereiten
- Aus- und Weiterbildung anpassen
- Datenschutz in einer digitalen Arbeitswelt gestalten.
IHK lehnt gesetzlichen Anspruch auf befristete Teilzeit ab
Die Vollversammlung lehnte einmütig einen Rechtsanspruch auf befristete Teilzeitarbeit ab. Es seien keine neuen Regelungen nötig, um Beschäftigte aus der Teilzeitfalle zu holen, heißt es in dem Positionspapier.
Vor allem Frauen wechseln aus familiären Gründen in Teilzeit. Zugleich möchten viele Frauen ihre Arbeitszeit wieder aufstocken. Unternehmen sind, so die Wirtschaftsvertretung, daran interessiert, die Teilzeitarbeitsverhältnisse auf Vollzeit aufzustocken.
Die IHK setzt sich deshalb dafür ein, dass
- der Rechtsanspruch auf befristete Teilzeit nicht umgesetzt wird und
- die Darlegungs- und Beweislast für Arbeitgeber nicht verschärft wird.