Klimaschutzverträge richtig gestalten und als Übergangsförderung ausweiten
Das Ziel der Klimaneutralität für Deutschland bis 2045 und Bayern bis 2040 sowie die jeweils ambitionierten Treibhausgasreduktionsziele bis 2030 verlangen von der Wirtschaft große Anstrengungen und verursachen in der Übergangsphase hohe Kosten. Klimaschutzverträge (KSV oder auch CCfD1) zwischen Staat und Unternehmen können einen Teil dieser Kosten abfedern und die Wettbewerbsposition der betreffenden Betriebe erhalten. Sie sollen die Wirtschaftlichkeitslücke zwischen fossilen und klimaneutralen industriellen Prozessen schließen. Erstere sind aktuell und voraussichtlich auch noch mittelfristig kostengünstiger als klimafreundliche Alternativen.
Relevanz für die Oberbayerische Wirtschaft
Die in Oberbayern ansässige Grundstoffindustrie, an die sich die KSV richten, arbeitet bereits an der Umstellung ihrer Prozesse auf klimaschonende Verfahren. Bei der weiteren Umsetzung ist sie darauf angewiesen, dass die Mehrkosten durch Aufbau und Anwendung der neuen Prozesse übergangsweise ausgeglichen werden. Die Dekarbonisierungskosten bspw. für die oberbayerische Chemieindustrie übersteigen die Kosten für Treibhausgasausstoß (CO₂-Preis im EHS), die bei Nutzung der bestehenden, emissionsintensiveren Anlagen anfallen. Ohne Übergangsförderung droht ein Verlust der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Unternehmen im In- und Ausland, die an diesen herkömmlichen Verfahren festhalten. Die geplanten Unterstützungszahlungen im Rahmen von KSV können für diesen Kostenausgleich sorgen. Gleichzeitig ist eine ausschließliche Unterstützung der Grundstoffindustrie durch die KSV zu eng, da auch andere oberbayerische Industriezweige aller Größenklassen im Zuge ihrer Klimaschutzziele vor derselben Herausforderung stehen. Deren Ausschluss von einer Übergangsfinanzierung stellt eine strukturpolitische Lenkung zugunsten einzelner Unternehmensbranchen und -größen dar.
Forderungen an die Ausgestaltung der KSV
Aus Sicht der oberbayerischen Wirtschaft sollte bei der weiteren Gestaltung der Förderrichtlinie sowie Umsetzung der KSV Folgendes Berücksichtigung finden:
- Eine strukturelle Benachteiligung des Mittelstands durch Klimaschutz-Förderinstrumente, die einseitig große industrielle Produktionsbetriebe bei der Dekarbonisierung unterstützen und deren mittel- und langfristige Wettbewerbsfähigkeit dadurch relativ verbessern, ist unbedingt zu vermeiden.
- Der Einsatz von KSV oder eines ggf. zusätzlichen, vergleichbar wirksamen Instruments sollte daher Betrieben aller Branchen und Größen offenstehen, die von Carbon Leakage bedroht sind und durch die Umstellung ihrer Prozesse vor stark steigenden und oft schwer prognostizierbaren Kosten stehen; nicht nur der industriellen Produktion, sondern auch Verfahren und Prozessen, z. B. im Dienstleistungs- oder Logistiksektor.
- Der generelle Ausschluss von Verfahren zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe von einer KSV-Förderung sollte überprüft und die Förderfähigkeit zumindest für spätere Ausschreibungen in Betracht gezogen werden. Die vorgesehene wettbewerbliche Vergabe von KSV ist zu unterstützen, darf aus Sicht der Betriebe aber nicht zu übermäßiger Bürokratie führen.
- Die Vergabeprozesse sowie die personelle Begleitung der KSV während der Vertragslaufzeit müssen auch für mittelständische Betriebe zu bewältigen sein. Dies gilt auch für ggf. zusätzliche, vergleichbar wirksame Förderinstrumente.
- Der angesetzte Förderzeitraum von 15 Jahren legt die Unternehmen auf eine Technologie fest – mehr Flexibilität oder eine Öffnungsklausel wären notwendig. Zudem zementiert dieser lange Zeitraum die Wettbewerbsverzerrungen mit Unternehmen der gleichen Branche, die keine KSV-Förderung erhalten.
- Allein die langen Genehmigungsverfahren können die im Entwurf angesetzten Fristen für die Umsetzung von Investitionsvorhaben innerhalb eines KSV unterlaufen. Mehr Flexibilität ist bei der Fristsetzung geboten. Zudem müssen Vorhaben zur Verfahrensbeschleunigung weiter ambitioniert vorangetrieben werden.
- Die oberbayerischen Unternehmen sehen die effiziente Nutzung von Energie und Ressourcen als unverzichtbaren Faktor für die Umsetzung der Energie- und Klimawende. Die mit den KSV verfolgten „Transformationsziele“ – die Umstellung auf klimaschonende Produktionsprozesse – sollten aber nicht zwingend mit Energiesparzielen gekoppelt werden, denn klimaschonende Produktionsverfahren sparen nicht automatisch Emissionen, Energie und Ressourcen gleichermaßen.
- Eine anderweitige Förderung des Vorhabens darf die Inanspruchnahme eines KSV nicht automatisch ausschließen. Die „geeigneten Maßnahmen“ zur Sicherstellung, dass keine Überkompensation erfolgt, sind zügig zu präzisieren.
- Starre Vorgaben zur Messung des Erfolgs der Klimaschutzprojekte sollten vermieden werden; vgl. Emissionsrückgang im 1. Jahr um 50 % und im 2. Jahr um 60 %.
- Einen Teil der Erlöse, die durch KSV-unterstützte klimaschonendere Verfahren und Produkte erzielt werden können (sog. grüne Mehrerlöse) bei den Unternehmen zu belassen, setzt einen guten und richtigen Anreiz. Die Abschöpfung von 70 % erscheint analog zu einer Besteuerung sehr hoch. Ausgewogener wäre eine Abschöpfung von z. B. 50 %.
- Die Auswahl der administrierenden Stelle sollte zügig erfolgen. Das dort angesiedelte geplante Vorverfahren zur Ausgestaltung der Förderausschreibungen sollte frühzeitig und transparent angekündigt werden, um allen berechtigten Unternehmen den Zugang und eine umfassende Beteiligungsmöglichkeit zu verschaffen.
- Die Bundesregierung sollte parallel zum Abschluss von KSV eine Strategie erarbeiten, wie Betriebe unterstützt und vor Carbon Leakage geschützt werden können, die bei der Vergabe von KSV keinen Zuschlag erhalten. Auch die weiteren Vorhaben im Rahmen des Programms Dekarbonisierung der Industrie sollten zügig umgesetzt werden. Die Wirkung von Preissignalen auf Energie- und CO₂-Märkten darf dabei nicht untergraben werden. Die Inanspruchnahme durch KMU muss mit handhabbarem bürokratischem Aufwand ermöglicht werden.