IHK Position

EU-Richtlinie: Haftung für fehlerhafte Produkte

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Mit einem Entwurf zur Modernisierung der Produkthaftungsrichtlinie will die Europäische Kommission die Haftung ohne Verschulden (sogenannte Gefährdungshaftung) an das digitale Zeitalter und an die Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz anpassen und Verbrauchern ein hohes Maß an Schutz der Gesundheit und des Eigentums gewährleisten.

Die geplante Produkthaftungsrichtlinie sieht zum Schutz von Personen gravierende Haftungsverschärfungen für alle produzierenden Unternehmen vor.

Worum geht es?

Ein Beispiel: Wer heute Microchips produziert, muss sich keine Gedanken wegen der Haftung machen, wenn das Endprodukt einen Personenschaden verursacht. Für diese Schäden kommt der Hersteller auf. Haftungsgrundlage ist das deutsche Produkthaftungsgesetz, das regelt die Haftung von Herstellern und Importeuren für Schäden an Leben, Gesundheit und an anderen Sachen, die Personen durch die Benutzung eines fehlerhaften Produkts erleiden. Die Produkthaftung ist als reine Gefährdungshaftung ausgestaltet, d.h. der Hersteller haftet, auch wenn ihn am Schaden kein Verschulden trifft.

Kommt die Produkthaftungsrichtlinie wird es wesentlich strenger. Dann müssten sich Unternehmer auf Folgendes einstellen:

Erweiterung der Haftenden und neuer Fehlerbegriff

Bislang schließen überwiegend die Endhersteller eine Produkthaftpflichtversicherung ab. Nach der neuen Richtlinie müssten jetzt auch die Hersteller von Komponenten, wie Hersteller von Microchips, das Risiko des Endprodukts versichern. Denn sie könnten künftig auch für Personenschäden haftbar gemacht werden, wenn die Fehlerhaftigkeit des Endprodukts durch die zugelieferte fehlerhafte Komponente verursacht wurde.

Künftig wird die Fehlerhaftigkeit eines Produkts auch dadurch begründet, dass es nicht die Sicherheit bietet, die die „breite Öffentlichkeit“ erwarten darf. Die Richtlinie lässt dabei offen, wann eine Sicherheitslücke vorliegt und wer das Sicherheitsniveau bestimmt. Möglicherweise hat die „breite Öffentlichkeit“ andere Erwartungen als das, was in technischer und rein praktischer Hinsicht für Unternehmen möglich ist. Europäische Unternehmen müssten zukünftig nicht nur durch Cyberattacken, zum Teil in Millionenhöhe, erlittene Schäden abfedern, sondern sähen sich zusätzlichen Haftungsansprüchen ausgesetzt, unabhängig von einem unternehmerischen Verschulden.

Erhöhtes Klagerisiko

Das Klagerisiko wird sich für Unternehmen in vielfacher Hinsicht erhöhen.

Erstens: Der Schwellenwert für die Klageerhebung von 500 Euro soll entfallen. Damit könnten geschädigte Personen schon bei kleineren Schäden Klage erheben, nach dem Willen der Kommission auch im Wege der Sammelklage. Auch die Haftungshöchstgrenze von 85 Mio. bei Personenschäden soll ersatzlos gestrichen werden. Das bedeutet für die Unternehmen eine Anpassung ihrer Versicherungsprämien.

Zweitens: Die Beweislast vor Gericht ändert sich zum Nachteil der Unternehmen. Bislang muss der Geschädigte den vollen Nachweis bringen für den Fehler, den Schaden, und die Ursächlichkeit zwischen Fehler und Schaden. Die strengen Anforderungen sind gerechtfertigt, da der Hersteller haftet, auch wenn ihm am Schaden kein Verschulden trifft. Es wird eine ausgewogene Balance zwischen Geschädigtem und Hersteller hergestellt. Durch die neue Regelung würde diese bestehende Balance aufgehoben, denn künftig kann der Geschädigte den Prozess gewinnen, wenn es wahrscheinlich ist, dass der Produktfehler den Schaden verursacht hat.

Drittens: Künftig sollen geschädigte Personen im gerichtlichen Verfahren die Möglichkeit haben, sämtliche für den Schadensfall relevanten technischen Unterlagen vom Unternehmer vorgelegt zu bekommen. Legt der Unternehmer seine Unterlagen nicht oder nur unvollständig offen, wird der Produktfehler gesetzlich vermutet und der Unternehmer verliert den Prozess. Solche Offenlegungspflichten kennt das anglo-amerikanische Recht, dies widerspricht aber den fundamentalen Grundsätzen im deutschen Zivilprozess.

Einschätzung

Die Unternehmen müssten sich auf ein immens gestiegenes Haftungsrisiko einstellen, was nur über eine Anhebung der Versicherungsbeiträge und über Preiserhöhungen abzufedern sein wird. Erfahrungsgemäß werden höhere Kosten auf die Preise umgelegt, sodass es für europäische Produkte zu empfindlichen Preissteigerungen kommen wird. Das wiederum kann nicht im Interesse der Kunden und des Wirtschaftsstandorts Europa sein.

Das angestrebte Ziel der EU-Kommission, Verbraucher vor den Gefahren neuer Technologien zu schützen, wird nicht erreicht. Da die Haftungsverschärfungen alle Produkte betreffen, müssten Hersteller und Importeure höhere Versicherungen für alle Warengruppen abschließen. Hinzu kommt die Betroffenheit der Komponentenhersteller, die künftig das Risiko des Endprodukts einkalkulieren müssten.

Fazit

  • Die modernisierte Produkthaftungsrichtlinie benachteiligt die europäische Wirtschaft und schwächt deren Wettbewerbsfähigkeit. Sie befördert die Abwanderung von Produktionsstätten und Technologien ins Ausland.
  • Das bestehende Produkthaftungsgesetz ist den Herausforderungen neuer technologischer Entwicklungen weitgehend gewachsen und bedarf nur geringfügiger Anpassungen, z.B. bei der Nachweisführung, der Produktdefinition usw.
  • Sicherheitsanforderungen für technische Produkte können über technische Normen und branchenbezogene Sicherheitsanforderungen und Qualitätssicherungsmaßnahmen für die jeweiligen Produktgruppen gelöst werden.