Exponate des BWA 2022
Inhalt
- Januar: "Wasser marsch!" Die Anfänge der Fabrikfeuerwehren
- Februar: Der Schutz mit dem Piks – die Anfänge des Impfens in Bayern
- März: „Stetige Aufwärtsentwicklung“: Die Anfänge der Chemieindustrie in Bayern
- Mai: „Nur das Beste ist gut genug“: Die Deutsche Gewerbeschau 1922
- Juni: „Unbedingte Haltbarkeit garantiert“: Die bayerische Bürstenfabrik Emil Kränzlein AG
- Juli: „Segensreiches Wirken“: Anfänge der Gewerbeaufsicht im Königreich Bayern
- August: Bayreuth - Festspiele und Finanzen
- September: „Zucht und Ordnung“: Betriebliche Arbeitsregelungen von einst
- Oktober: „Vollmundiger, würziger Trunk“: das Hellbier der Thomasbrauerei
- November: „Jeden Tag Müh‘ und Plag‘“: Arbeitszeit im historischen Rückblick
- Dezember: Alles Lametta - glänzende Industrietradition aus Bayern
„Wasser marsch!“ Die Anfänge der Fabrikfeuerwehren in Bayern
1867 gab es die erste Löschordnung in Bayern. Bereits im selben Jahr wurde die erste Fabrikfeuerwehr gegründet. Nicht immer ist es gelungen, Brände zu vermeiden, wie das Bayerische Wirtschaftsarchiv aus seinen Beständen berichtet.
In früheren Zeiten nahmen die Menschen bei Gefahr und Katastrophen Zuflucht zu den Schutzheiligen. Als Patron gegen die Feuersnot gilt bis heute der Heilige Florian: „"Heiliger Ritter Florian, nimm um unser Haus und unsern Hof dich an! Lösch das Feuer der Sünde, dass es nit tut Brunnen, dass wir dem engen Tod entrinnen."
1867 – vor 155 Jahren - erließen die Königlichen Bezirksämter in Bayern eine Feuerlöschordnung. Sie gab genaue Anweisungen und Verhaltensmaßnahmen bei Bränden vor. Diese Verordnung führte zur Gründung zahlreicher Freiwilliger Feuerwehren in den ländlichen Gemeinden. Im Zug der Industrialisierung riefen aber auch Unternehmen damals schon ihre eigenen Feuerwehren ins Leben. Gerade die Spinnereien waren wegen der Lagerung und Verarbeitung leicht brennbarer Stoffe wie Baumwolle stark gefährdet.
1867 gründete die Mechanische Spinnerei und Weberei in Kaufbeuren – einer der ersten Großbetriebe im Allgäu - ihre eigene Werksfeuerwehr. Auch in der Baumwollspinnerei Kolbermoor an der Mangfall formierte sich damals eine Feuerwehr. Die Fabrik stellte 90 Mann. Vom ortsansässigen Torfwerk kamen noch 30 Mann dazu. Die Kosten für die Ausrüstung in Höhe von 900 Gulden übernahm die Spinnerei. Diese Vorkehrungen konnten jedoch nicht verhindern, dass im November 1898 ein schreckliches Brandunglück den Betrieb in Kolbermoor heimsuchte. Innerhalb von eineinhalb Stunden brannte das Hauptgebäude vollständig nieder. 26 Feuerwehren konnten gerade noch ein Übergreifen der Flammen auf das Baumwollmagazin, eine nahegelegene Gasfabrik, aber auch auf Kirche und Schule verhindern.
Retten – Löschen – Bergen – Schützen – diese vier Kernaufgaben nehmen auch die Fabrikfeuerwehren wahr. Welche Bedeutung diesen wichtigen betrieblichen Einrichtungen zukommt, lässt sich aus den reichhaltig vorhandenen Materialien im Bayerischen Wirtschaftsarchiv ablesen.
Der Schutz mit dem Piks – die Anfänge des Impfens in Bayern
Auseinandersetzungen um das Impfen sind nichts neues. Wie das Bayerische Wirtschaftsarchiv zeigt, war die Impfung gegen die Pocken in Bayern durchaus umstritten.
Der Streit um die Impfpflicht im Gefolge der Pandemie zieht sich seit Monaten quer durch Parteien und Gesellschaft. Doch schon vor 215 Jahren mussten sich die Untertanen in Bayern mit einer von der Obrigkeit verordneten Injektion auseinandersetzen.
1807 führte das junge Königreich als weltweit erster Staat die Impfpflicht gegen die Pocken ein. Seit Jahrhunderten waren die Blattern eine Geißel der Menschheit. Der russische Zar Peter und der französische König Ludwig XV. erlagen der hochgefährlichen, verbreiteten Infektionskrankheit. Auch der bayerische Kurfürst starb 1777 an einer Infektion. Viele Opfer wurden blind oder taub, außerdem von den Narben für ihr Leben entstellt.
Der englische Arzt Edward Jenner entdeckte 1796 die rettende Impfung mit Kuhpocken. König Max I. Joseph war von der Wirksamkeit fest überzeugt. „Saumseligen und Widersezlichen“ drohte er mit angemessener Geldstrafe. Die Erzeugung des Impfstoffs lag zunächst bei den Impfärzten in den Bezirken, wurde später aber aus Kostengründen zentralisiert. Spätestens 1817 hieß diese Einrichtung Zentralimpfanstalt. 1874 verabschiedete schließlich das Deutsche Reich die Pocken-Impfpflicht. Andere Impfungen gewannen an Bedeutung, so etwa gegen Diphterie. 1957 startete die erste Massenimpfung gegen Kinderlähmung. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund eines verheerenden Ausbruchs der Hongkong-Grippe Ende der 1960er Jahre kam die Grippeimpfung auf. Vor allem in den Betrieben wurden Reihenimpfungen vorgenommen.
Der bayerische König hatte seinerzeit eine kostenfreie allgemeine Impfung verfügt. Welche Bedeutung diese Maßnahme hatte, lässt sich auch daran ablesen, dass Schutzpocken-Impfungs-Scheine sorgfältig aufbewahrt wurden und sich gerade in persönlichen Nachlässen des Bayerischen Wirtschaftsarchivs bis heute erhalten haben.
„Stetige Aufwärtsentwicklung“: Die Anfänge der Chemieindustrie in Bayern
Die chemische Industrie trieb die Industrialisierung in Bayern voran. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv dokumentiert diese wichtige Branche.
Sein Name ist untrennbar mit der Erfindung eines kräftigenden Fleischextrakts verbunden, wie er heute noch in Brühwürfeln zu finden ist: Justus von Liebig (1803-1873). Mit seinen weitgefächerten Forschungen begründete der bedeutende Chemiker auch die moderne Mineraldüngung, die die Erträge der Landwirtschaft steigerte.
1852 – vor 170 Jahren - holte ihn der bayerische König Max II. nach München. Unter Beteiligung Liebigs entstand in Heufeld am Inn eine erste Fabrik zur Herstellung von Superphosphatdünger. Frühzeitig entwickelten sich in Franken die Städte Nürnberg und Fürth zu Zentren der chemischen Industrie. Bereits 1772 wurden in Grub am Forst bei Coburg Blaufarben hergestellt. In Schweinfurt spezialisierte man sich auf Mineral- und Lackfarben. So waren die Tapeten in Friedrich von Schillers Weimarer Wohnhaus mit dem sog. Schweinfurter Grün gefärbt.
Führend in der chemischen Industrie wurde das sog. linksrheinische Bayern – die Pfalz. 1865 eröffnete Friedrich Engelhorn in Ludwigshafen die Badische Anilin- & Sodafabrik“ (BASF). Seit 1908 siedelten sich zwischen Trostberg, Töging am Inn und Burghausen an der Salzach zahlreiche chemische Betriebe an. Sie nutzten für ihre energieintensive Produktion die Wasserkraft von Inn und Alz. Heute ist das sog. Chemiedreieck ein wichtiger Standort der petrochemischen Industrie.
Die chemische Industrie entwickelte sich in Bayern zu einer Haupttriebkraft der zweiten Industrialisierungswelle im Bereich der Produktionsgüter. Im Bayerischen Wirtschaftsarchiv ist diese für den Freistaat wichtige Branche in ihrer vielfältigen Ausprägung dokumentiert.
„Nur das Beste ist gut genug“: Die Deutsche Gewerbeschau 1922
Am 13. Mai 1922 öffnete die Deutsche Gewerbeschau auf der Theresienwiese ihre Pforten. Gedacht war sie als geschmackserziehende Qualitätsschau. Im Bayerischen Wirtschaftsarchiv finden sich zahlreiche Dokumente und Erinnerungsstücke zur Deutschen Gewerbeschau 1922.
Sie wollte „Höchstleistungen deutschen Gewerbefleißes und deutscher Technik zur Anschauung bringen“: Vor 100 Jahren – am 13. Mai 1922 - öffnete die Deutsche Gewerbeschau auf dem Ausstellungsgelände über der Münchner Theresienwiese ihre Pforten. Vier Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs präsentierte sie sich bewusst weder als Kunstgewerbeausstellung noch als allgemeine Verkaufsmesse, sondern vielmehr als geschmackserzieherische Qualitätsschau.
Nach den Ausstellungsbestimmungen wurden "deutsche Arbeiten des Handwerks und der Industrie, an denen Formensinn und Gestaltungskraft gut zur Geltung kommen", zugelassen. Die Liste der Ausstellungsgegenstände umfasste Autos ebenso wie Goldschmiedearbeiten, Herde und Öfen, Holzschnitzereien, Ledermöbel, Sportartikel, Solinger Stahlwaren oder Ziergegenstände aus Stein. Ein Künstlerausschuss unter dem Vorsitz des Architekten Richard Riemerschmid (1868-1957) überwachte die bauliche und künstlerische Ausgestaltung.
Die Werbemaßnahmen für die Schau wurden mit großem Aufwand betrieben. Das markante Ausstellungsmotiv mit drei nach links gewandten Köpfen hatte hohen Wiedererkennungswert. Es war auf den Streckenplakaten entlang der deutschen Schnellzuglinien ebenso zu sehen wie auf Briefmarken und Zündholzschachteln. Kongresse und Großveranstaltungen in München sollten Publikum für die Ausstellung gewinnen. Die 1920 abgesagten Passionsspiele in Oberammergau wurden während der Gewerbeschau abgehalten. Die Erfolgsbilanz konnte sich sehen lassen, bis zur Schlussfeier am 8. Oktober kamen mehr als drei Millionen Besucherinnen und Besucher. Die Schlussabrechnung erbrachte ein sattes Plus.
Die drei Köpfe auf dem Ausstellungsplakat des Grafikers Max Eschle (1890-1979) symbolisierten „Erfinder, Künstler, Arbeiter“. Die Gewerbeschau sollte – wie seinerzeit die Weltausstellung 1878 in Paris - das wirtschaftspolitische Selbstverständnis eines besiegten Landes zurückbringen. Im Bayerischen Wirtschaftsarchiv finden sich zahlreiche Dokumente und Erinnerungsstücke zur Deutschen Gewerbeschau 1922.
„Unbedingte Haltbarkeit garantiert“: Die bayerische Bürstenfabrik Emil Kränzlein AG
1872 wurde die Bürstenfabrik Emil Kränzlein in Schwabach gegründet. Einen Namen machte sie sich insbesondere mit Zahnbürsten nach englischem und französischem System. 2007 musste das Unternehmen aufgeben. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv zeichnet die Geschichte nach.
„Die Erlanga Madla, die denna so dick, dabei gehns zum Kränzlein in die Berschtenfabrik“, hieß es in einem alten fränkischen Schnaderhüpfl über die angeblich etwas hochnäsigen Mädchen aus der Stadt an der Regnitz. 1872 – vor 150 Jahren - hatte Emil Kränzlein in Schwabach eine Bürstenfabrik gegründet, die er wenige Jahre später nach Erlangen verlegte, wo sie sich zum größten Industrieunternehmen entwickelte.
Der 22-jährige Jungunternehmer baute den Betrieb zur Fertigung von Feinbürsten aller Art aus. 1893 kam die Produktion von Zahn- und Nagelbürsten aus Bein dazu. Es war der erste Versuch in Deutschland, Zahnbürsten nach englischem und französischem System herzustellen. Den Kapitalbedarf des stark expandierenden Unternehmens deckte Kränzlein 1896 mit der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. 1904 erwarb die Bürstenfabrik das deutsche Patent für die Zahnbürsten Marke „Ideal Zett - Hygienique“ – eine Erfindung des Warschauer Zahnarztes Zielinski.
In kurzer Zeit eroberten sie den Markt. Elegant ausgestattet, unbedingt haltbar, „angenehm im Gebrauch“ wurden sie von zahnärztlichen Autoritäten „warm empfohlen“. Für diese Patentbürsten kamen vor allem Schweinsborsten aus Indien oder China zur Verwendung. Bis 1927 stand Emil Kränzlein als Generaldirektor an der Spitze des Unternehmens. 1936 starb er mit 85 Jahren in Erlangen. Drei Jahre später musste die inzwischen schwer angeschlagene Fabrik das Betriebsgelände an die Firma Gossen verkaufen. Die zunehmende Konkurrenz aus dem Ausland machte dem Erlanger Betrieb schwer zu schaffen. 1995 erfolgte die Ausgliederung der Produktion in die neugegründete "Ideal Zett GmbH" in Erlangen. Dort wurde 2007 die letzte Bürste gefertigt.
„Segensreiches Wirken“: Anfänge der Gewerbeaufsicht im Königreich Bayern
Industrieproduktion ist seit Anbeginn mit Gefahren verbunden. Bereits 1879 setzte das Königreich Bayern "Inspectoren" ein, um die Arbeitssicherheit zu prüfen. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv stellt die Anfänge der Gewerbeaufsicht vor.
Mit der Zunahme der Industrialisierung im 19. Jahrhundert wurde die Produktion größer und gefährlicher. Im Gefolge der Gewerbefreiheit entstanden viele kleinere Betriebe, die auch Kinder und Frauen beschäftigten. Zur Kontrolle der Verhältnisse vor Ort setzte das Königreich Bayern 1879 eigene „Fabriken-Inspectoren“ ein.
Ausgerüstet mit einem handlichen Taschenbuch „zu sofortigster Aufzeichnung der nöthigsten Angaben“ und Verzeichnissen von Fabriken und gewerblichen Anlagen machten sich die Beamten auf den Weg. Sie überprüften, ob Arbeitsbücher und -Karten geführt wurden, ob jugendliche Arbeiter nach den gesetzlichen Vorgaben eingesetzt waren und vor allem wie es um die Arbeitssicherheit bestellt war.
Jährlich legten die Fabrikinspektoren einen umfangreichen und detaillierten Bericht über die Zustände in ihrem Bezirk vor. Die größten Probleme gab es zunächst bei den größeren Ziegelwerken. Dort arbeiteten jugendliche Arbeitskräfte 14 bis 17 Stunden täglich, nach Abzug einer einstündigen Mittagspause. Sie kamen meist aus Italien und wurden von sog. einheimischen „Akkordanten“ angeworben. Die Fabrikinspektoren drängten darauf, niemand unter 16 Jahren mehr anzustellen.
Die Kontrolle verfestigte sich zunehmend. 1902 führte ein Zentralinspektor beim Innenministerium die Aufsicht über 24 Außendienstbeamte. Bis Mitte der 1930er Jahre stieg ihre Zahl auf 72. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden schließlich eigenständige Gewerbeaufsichtsämter.
1892 wurden in Bayern auch zwei weibliche Assistentinnen ernannt. Sie sollten die Arbeitsverhältnisse bei Heimarbeiterinnen kontrollieren. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv verwahrt die Jahresberichte der Königlichen Fabrikinspektoren, die einen Einblick in die harte Arbeitswelt von einst bieten.
Bayreuth - Festspiele und Finanzen
Die Bayreuther Festspiele, inzwischen ein höchst erfolgreiches Event, hatten schwierige Anfangszeiten zu bewältigen. Zu Beginn stand ein sattes Defizit, wie das Bayerische Wirtschaftsarchiv nachweist.
Es war ein Anlauf mit Hindernissen in Bayreuth: Richard Wagners erste Festspiele im August 1876 mit dem Ring des Nibelungen endeten mit einem satten Defizit. Für sechs lange Jahre stand das eigens erbaute Festspielhaus leer.
Dabei hatte der findige Komponist zur Finanzierung seines Lebenstraums höchst innovative Ideen eingesetzt. Für den Bau des Theaters und die erste Saison hatte er einen eigenen Patronatsverein ins Leben gerufen, der dem Inhaber oder der Inhaberin Sitzplätze für drei Aufführungen des Rings zusicherte. Doch der Absatz der Scheine verlief zunächst schleppend.
Erst unter Richard Wagners Witwe Cosima ging es in Bayreuth finanziell bergauf. Mit dem Ersten Weltkrieg kamen die Festspiele zum Erliegen und erneut stellten sich Finanzprobleme ein. 1921 wurde die Deutsche Festspiel-Stiftung gegründet, die mit ihren Patronatsscheinen wieder den Festspielbetrieb möglich machte.
In der NS-Zeit verfügte Bayreuth über ein gesichertes finanzielles Fundament. Winifred Wagner, die Witwe des Wagner-Sohns Siegfried, pflegte ein gutes Verhältnis zu Adolf Hitler, die Festspiele wurden zur nationalen Großveranstaltung. Ihr Rückzug aus der Festspielleitung nach dem Krieg sorgte dafür, dass ab 1951 wieder Aufführungen auf dem „Grünen Hügel“ stattfinden konnten. Die seit 1949 aktive Gesellschaft der Freunde von Bayreuth trägt mit hohen Geldspenden zur Finanzierung bei.
Ende des 19. Jahrhunderts breitete sich bei Komponisten, Dichtern und Malern, aber auch beim Bildungsbürgertum eine stürmische Wagner-Begeisterung aus. Auch in den Beständen des Bayerischen Wirtschaftsarchivs hat sie ihren Niederschlag gefunden.
„Zucht und Ordnung“: Betriebliche Arbeitsregelungen von einst
Arbeitszeit muss registriert werden? Bereits im 19. Jahrhundert gab es Kontrollen der Arbeitszeit. Durch die Reichsgewerbeordnung von 1891 gab es die ersten verbindlichen Regelungen.
Mit der Industrialisierung vollzog sich im 19. Jahrhundert ein tiefgreifender Wandel in der Wirtschaft. Die Produktionsverfahren änderten sich - ein strenger Zeittakt bestimmte die mechanische Fertigung. Es lag im Interesse der Fabrikherren, den Einsatz der Arbeitskräfte an den kostspieligen Maschinen möglichst gewinnbringend und rationell zu gestalten. Nach der Reichsgewerbeordnung von 1871 war die Regelung der industriellen Lohnarbeitsverhältnisse und damit der Erlass von Fabrikordnungen Gegenstand freier Übereinkunft. Die Bestimmungen waren weitreichend. So verbot ein bayerischer Fabrikant auf dem Land seinen Lehrlingen „strengstens“ den Besuch der Gasthäuser nach dem Gebetläuten (ausgenommen in Begleitung der Eltern). Auch die Wochenarbeitszeit wurde festgeschrieben: Im Schnitt lag sie bei 72 Stunden. Verstöße gegen die Arbeitsdisziplin zogen Strafmaßnahmen wie etwa Lohnabzug nach sich. Erst die Novelle zur Reichsgewerbeordnung von 1891 machte Fabrikordnungen verbindlich und gab auch einen inhaltlichen Rahmen vor. Arbeitsordnungen wirkten auch da noch bis in den privaten Bereich hinein. So mussten vor dem Ersten Weltkrieg leitende Angestellte der Handelskammer München, wenn sie eine Ehe eingehen wollten, dies rechtzeitig ihrem Arbeitgeber anzeigen.
Maßgeblich für die Zeitbestimmungen war die Fabrikuhr. Vor der Einführung von Kontrollapparaten musste der Arbeiter beim Betreten der Fabrik eine Marke in Empfang nehmen und sie beim Verlassen in einen dafür bestimmten Kasten legen. Die Veränderungen der Arbeitswelt dokumentieren die Arbeitsordnungen sehr anschaulich. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv verwahrt zahlreiche Bestimmungen aus einer Vielzahl von Branchen.
„Vollmundiger, würziger Trunk“: das Hellbier der Thomasbrauerei
Das Helle ist keine Münchner Erfindung, sondern stammt original als Pils aus Böhmen. Die Münchner Thomas-Brauerei wandte sich 1895 der Produktion von eigenem hellen Bier zu, die Erfolgsgeschichte ist bekannt.
Deutschlandweit liegt helles Bier aus Bayern aktuell im Trend, wie neuere Untersuchungen zeigen. Bereits um 1900 entdeckten die Münchner Biertrinker ihre Liebe zum goldhellen Gerstensaft. Allerdings entsprach diesem Typ nur das böhmische Pilsner, das viel Geld in die Kassen der dortigen Brauereien spülte, wie ein zeitgenössischer Chronist an der Isar betrübt anmerkte.
1895 wandte sich die Münchner Thomas-Brauerei der hellen Biererzeugung zu und brachte einen eigenen „Urtyp“ heraus. Er kam so gut an, dass auch die anderen Münchner Brauereien nachziehen mussten, um nicht ins Abseits zu geraten.
Dabei war die Thomas-Brauerei keiner der großen Platzhirsche gewesen. 1889 hatten Ludwig und Eugen Thomass, die Brüder des Hofjuweliers Carl Thomass, die kleine „Brauerei zum Massenbach“ mit Baugrund an der Kapuziner- und Maistraße gekauft. Beim Ausbau des Betriebs setzten sie stark auf moderne Brautechnik. Mit dem Verzicht auf das zweite „S“ im Markennahmen und der Anspielung auf den Heiligen Thomas knüpften sie an die Tradition der beliebten Klosterbrauereien an. Bis 1914 hatten die geschäftstüchtigen Brauerbrüder den Absatz auf 200.000 Hektoliter angehoben und damit mehr als verzwanzigfacht. 1922 stellten sie mit großem Erfolg einen eigenen hellen Maibock her. Ein Jahr später kam es zur Gründung einer Interessengemeinschaft mit Paulaner. 1928 erfolgte der vollständige Zusammenschluss zur AG Paulanerbräu-Salvatorbrauerei und Thomasbräu.
Der Betrieb der Thomasbrauerei lief so gut, dass dort kurz vor dem Ersten Weltkrieg 300 Beschäftigte arbeiteten. Das ehemalige Stammhaus am Kapuzinerplatz besteht noch heute als Gaststätte und verfügt als letzte Erinnerung über eine Gebrüder-Thomass-Stube. Die historische Überlieferung der Brauerei hat sich im Bayerischen Wirtschaftsarchiv erhalten.
„Jeden Tag Müh‘ und Plag‘“: Arbeitszeit im historischen Rückblick
Bezahlten Urlaub gab es nicht, die Arbeitstage dauerten bis zu 14 Stunden. 1891 sah schließlich die Gewerbeordnung einen arbeitsfreien Sonntag vor. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv stellt die Arbeitszeit im historischen Rückblick vor.
„Die Arbeit begann um ½ 4 Uhr morgens und endete um 10 Uhr abends. Um ½ 1 Uhr nachts wurden die Mälzer außerdem noch zum Darreumschlagen aus den Betten geholt. Die reine Arbeitszeit betrug 14 Stunden.“ So schrieb der 1884 bei Löwenbräu eingetretene Brauer Lorenz Gleissner in seinen Erinnerungen. In weiten Teilen der Industrie ging die durchschnittliche Zahl der Arbeitsstunden ab der zweiten Hälfte der 1860er Jahre auf 12 Stunden zurück. Die Gewerbeordnung von 1891 sah grundsätzlich einen arbeitsfreien Sonntag vor. Bis zum Ersten Weltkrieg sank die Arbeitszeit auf 10 Stunden. Ausschlaggebend für diese Entwicklungen waren technische Veränderungen, neue naturwissenschaftlich-medizinische Einsichten, aber auch neue Produktionsmethoden. Erst die Revolution von 1918 brachte den Achtstunden-Tag.
Nach dem Zweiten Weltkrieg stand die Arbeitszeit in den Wirtschaftswunderjahren des Aufschwungs zunächst nicht zur Diskussion. Geld verdienen war angesagt. Um 1950 wurde 48 Stunden, verteilt auf sechs Tage, gearbeitet. Mit wachsendem Wohlstand wurde jedoch der Ruf nach mehr Freizeit laut. Mitte der 1950er Jahre starteten die DGB-Gewerkschaften ihre Kampagne „Samstags gehört Vati mir“ mit der Forderung der 5-Tage-Woche und 40 Wochenstunden. 1959 war es dann im Steinkohlebergbau so weit. 1963 folgte die Holzverarbeitung und 1967 die Metallindustrie. In der westdeutschen Metall- und Elektroindustrie setzte sich 1995 die 35-Stunden-Woche durch.
Bis Anfang des 20. Jahrhunderts gab es für Fabrikarbeiterinnen und Fabrikarbeiter keinen bezahlten Urlaub. Erst 1903 setzten Brauereiarbeiter diesen Anspruch erstmals durch. Ihr Tarifvertrag garantierte ihnen drei Tage im Jahr. Die Entwicklung der Arbeitszeit hat in den Beständen des Bayerischen Wirtschaftsarchivs vielfältigen Niederschlag gefunden.
Alles Lametta - glänzende Industrietradition aus Bayern
Früher war mehr Lametta: Loriot hat recht, denn seit 2015 gibt es keine Produktion mehr in Deutschland. Die Geschichte der Herstellung bleihaltiger Silberfäden in Bayern zeichnet das Bayerische Wirtschaftsarchiv nach.
Zum klassischen Schmuck des deutschen Christbaums gehörte früher das Lametta. Anfang des 19. Jahrhunderts konnten sich nur begüterte Familien eine Weihnachtstanne leisten. In der zweiten Jahrhunderthälfte hielt der immergrüne Baum flächendeckend Einzug in die Wohnstuben. Die ersten Weihnachtskugeln fertigte ein Glasbläser 1848 für seine Kunden. 30 Jahre später kam schließlich das Lametta auf den Markt – als glitzerndes Symbol für Eiszapfen.
Als Werkstoff diente schweres zinnhaltiges Stanniol, damit die dünnen Streifen besser fielen. Einstiges Zentrum für die Fertigung von Christbaumschmuck aus Metalldrähten war die Kreisstadt Roth bei Nürnberg. Dort ist die leonische Industrie mit der Herstellung von feinen Gold- und Silberdrähten sowie versilberten und vergoldeten Kupferdrähten beheimatet. Sie finden Verwendung bei Stickereien, Bändern, Borten und Tressen, aber auch bei der sakralen Volkskunst, den sog. Klosterarbeiten.
Die Nachfrage nach Lametta ging über die Jahre immer mehr zurück. Zwar sind die bleihaltigen Glitzerfäden heute offiziell nicht verboten, doch das Bundesumweltamt rät zum Verzicht. 2015 stellte der letzte deutsche Hersteller, die Firma Riffelmacher & Weinberger in Roth, die Lametta-Fertigung ein. Sie zählt heute zu den wenigen noch bestehenden Unternehmen der Girlanden- und Christbaumschmuckproduktion in Deutschland.
In unserem Archiv ist nicht nur die Firma Riffelmacher & Weinberger dokumentiert. Wir verwahren auch Unterlagen der früheren, ebenfalls in Roth ansässigen Christbaumschmuckfabrik Fritz Stadelmann. 1898 hatte der Firmengründer und gelernte Kaminkehrer die Fertigung aufgenommen. Die Produkte aus Roth schafften es bis in den Petersdom. 2002 kam die Herstellung zum Erliegen.