Exponate des BWA 2021
Inhalt
- Januar: Lichtpunkt im Stadtbild: Das Stammhaus der IHK für München und Oberbayern
- Februar: „Es saust das Dampfross rings durchs Land“: Die Anfänge des Lokomotivbaus in Bayern
- März: „Gütiger Fürst und Herr“: Prinzregent Luitpold von Bayern
- April: „Typisch Bayern“: Jüdische Unternehmer und der Aufstieg des Landes
- Mai: Weißblauer Dunst: Zigaretten aus Bayern
- Juni: „Prost zusammen“ – Münchner Brauereikonzentration von einst
- Juli: Die Schmidt-Bank in Hof: Nach 177 Jahren kam das Aus
- August: „Ist vom Verbraucher aufzubewahren“: Historische Lebensmittel- und Bezugskarten
- September: Seit 100 Jahren Strom für den Freistaat: Das Bayernwerk
- Oktober: „Texas am Tegernsee“: Vom Erdöl zum Heilwasser
- November: „Eine der ersten Gesellschaften München“: die Schwadron der Pappenheimer
- Dezember: Weihnachten mit Mehrwert
Lichtpunkt im Stadtbild: Das Stammhaus der IHK für München und Oberbayern
Es hat schon viel gesehen und sieht gut aus: Das IHK-Stammhaus an der Max-Joseph-Straße in München. Ein Buch zeichnet die bewegte Geschichte der IHK-Zentrale nach und präsentiert eine Vielzahl historischer Ansichten auch aus den Beständen des Wirtschaftsarchivs.
Prinzregent Luitpold ließ es sich nicht nehmen, höchstpersönlich am Vormittag des 23. April 1901 noch vor der offiziellen Eröffnung das neue „Haus für Handel und Gewerbe“ am Münchner Maximiliansplatz zu besichtigen. Die Industrie- und Handelskammer München und die Bayerische Börse hatten den Stararchitekten Friedrich von Thiersch (1852-1921) mit der Errichtung eines gemeinsamen Domizils beauftragt. Bei seiner Fassadengestaltung griff Thiersch, der nur wenige Jahre zuvor den Münchner Justizpalast errichtet hatte, Elemente des Jugendstils auf. Nicht zuletzt wegen der auffallenden Farbgebung galt der Neubau rasch als einer der „wichtigsten Marksteine“ in der baulichen Entwicklung Münchens. Zehn Jahre später entstand 1911 auf dem Nachbargrundstück an der Max-Joseph-Straße das prächtige Wohn- und Geschäftshaus des jüdischen Antiquitätenhändlers A. S. Drey nach den Plänen des renommierten Münchner Baukünstlers Gabriel von Seidl (1848-1913). 1935 verkaufte die Familie Drey dieses Gebäude für mehr als eine Million Reichsmark an die Industrie- und Handelskammer. Das ehemalige Antiquitätenhaus wurde bei den Luftangriffen 1944 zu großen Teilen ausgebombt. Erst zu Beginn der 1950er Jahre konnte die Kammer wieder in ihre Räumlichkeiten zurückziehen. 2011 war eine umfassende Generalsanierung des gesamten Gebäudekomplexes notwendig. Sie wurde zu einem Großprojekt in der Geschichte der IHK für München und Oberbayern. Heute setzt die IHK-Zentrale wieder einen wertvollen und starken städtebaulichen Akzent im Herzen Münchens. Es vereint Tradition und moderne Funktion. In ihrem Buch „Zukunft braucht Herkunft“ zeichnet Dr. Eva Moser, Leiterin des Bayerischen Wirtschaftsarchivs, die bewegte Geschichte der IHK-Zentrale nach und präsentiert eine Vielzahl historischer Ansichten auch aus den Beständen des Wirtschaftsarchivs.
Im neuen Band unserer Schriftenreihe schildert Eva Moser auch, wie die Schwiegereltern von Thomas Mann, Prof. Alfred Pringsheim und seine Frau Hedwig, nach ihrem erzwungenen Abschied von der Villa in der Arcisstraße im Drey-Gebäude bis 1937 eine neue Heimat fanden.
„Es saust das Dampfross rings durchs Land“: Die Anfänge des Lokomotivbaus in Bayern
1841 wurde die erste Lokomotive in Bayern fertiggestellt. Getauft wurde sie "Der Münchner". Das Bayerische Wirtschaftsarchiv zeichnet die Geschichte des Lokomotivbaus in Bayern nach.
Als 1835 erstmals in Deutschland eine Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth dampfte, musste die Lokomotive noch in England, dem Mutterland der Industrialisierung, bestellt werden. Der vielseitige und innovative Münchner Unternehmer Joseph Anton von Maffei erkannte rasch das Potential der technischen Neuentwicklung und trieb den Bau einer Eisenbahnstrecke von München nach Augsburg erfolgreich voran.
Bald ging er noch einen Schritt weiter und entschloss sich, selbst ein Dampfross zu bauen. Dazu erwarb er außerhalb der Stadtgrenzen in der Hirschau eine kleine Hammerschmiede mit einer Eisengießerei. 1841 – vor 180 Jahren - konnte er die Fertigstellung der ersten bayerischen Lokomotive König Ludwig I. vermelden. Der Monarch verlieh ihr huldvoll den Namen „Der Münchner“.
Die „Jungfernfahrt“ in die Lechstadt absolvierte der Zug trotz heftigen Gegenwinds in gut einer Stunde. Die „Münchner Politische Zeitung“ lobte die „großartige“ Probefahrt und wies auf die hohe Ehre hin, dass „Der Münchner“ auf dem Rückweg die badische Großherzogin Stephanie von Augsburg in die Residenzstadt bringen durfte. Die positiven Meldungen schlugen sich allerdings nicht in klingender Münze nieder. Maffeis erste Lokomotive wurde mit Entwicklungskosten von 200.000 Gulden zum Verlustgeschäft. Die Königlich Bayerische Eisenbahnbau-Kommission erwarb die Maschine erst 1847 zu einem Preis von 24.000 Gulden.
Der weitblickende Unternehmer ließ sich jedoch nicht entmutigen. Bereits 1851 gewann seine 72. Lokomotive mit dem Namen „Bavaria“ das Aufsehen erregende Wettfahren am Semmering und machte beim Steilrampenfahren den ersten Preis. Der internationale Durchbruch war geschafft.
1866 gründete der aus Augsburg stammende Georg Krauß (ab 1905 Ritter von Krauß) in München die zweite Lokomotivfabrik. Beide Unternehmen florierten, bis Mitte der 1920er Jahre eine Krise im deutschen Lokomotivbau einsetzte und 1931 eine Fusion zur Krauss-Maffei AG unausweichlich wurde. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv verwahrt die historische Überlieferung des großen Industrieunternehmens bis zurück in die Gründungsjahre.
„Gütiger Fürst und Herr“: Prinzregent Luitpold von Bayern
Volkstümlichkeit und Leutseligkeit wie auch sein Pflichtbewusstsein brachten Prinzregent Luitpold die Sympathien der Bevölkerung ein. Sein Wirken lässt sich im Bayerischen Wirtschaftsarchiv gut nachvollziehen.
Er verlieh einer ganzen Epoche ihren nostalgisch-verklärten Mythos und sogar eine Torte trägt seinen Namen: der bayerische Prinzregent Luitpold. Er kam als dritter Sohn König Ludwigs I. vor zweihundert Jahren am 12. März 1821 zur Welt. „Es war eine liebe Zeit, die gute, alte Zeit vor anno 14. In Bayern gleich gar.“ So hieß es im Vorspann der beliebten Fernsehserie „Königlich Bayerisches Amtsgericht“.
Luitpold Karl Joseph Wilhelm von Bayern schlug zunächst eine militärische Laufbahn ein, bis er nach der Absetzung König Ludwigs II. die Regentschaft antrat. Bei seinen Untertanen erfreute er sich deswegen zunächst keiner großen Beliebtheit. Doch nach und nach brachten ihm seine Volkstümlichkeit und Leutseligkeit wie auch sein Pflichtbewusstsein die Sympathien der Bevölkerung ein.
Unverkennbar mit langem weißen Bart, Jägerhut und Trachtenjanker oder hochdekoriert in Uniform zierte sein Bild Bierkrüge und –deckel, Postkarten und Pillendosen. Prinzregenten-Souvenirs wurden Kult. Die Prinzregentenzeit ging einher mit einer Phase des Aufbruchs, mit grundlegenden Veränderungen in Gesellschaft, Kunst, Kultur, Wirtschaft, Technik, Wissenschaft und Politik. Die Industrialisierung des traditionellen Handwerks nahm rasant zu. Außerdem wurde eine Fülle neuer Erfindungen und Technologien industriell verwendet, was neue Produktionszweige erschloss. Der Wandel in fast allen Lebensbereichen brachte allerdings auch soziale Spannungen mit sich. Sechs Jahre nach dem Tod des hochverehrten Prinzregenten am 12. Dezember 1912 war die Monarchie in Bayern am Ende. Die alten Führungsschichten wurden abgelöst.
Die Prinzregentenzeit hat im Bayerischen Wirtschaftsarchiv vielfältigen Niederschlag gefunden. Dazu gehören auch zahlreiche Gedenkmedaillen und Auszeichnungen für Industrie- und Gewerbeausstellungen, die mit dem Porträt von Prinz Luitpold versehen sind.
„Typisch Bayern“: Jüdische Unternehmer und der Aufstieg des Landes
Viel von dem, was uns heute urbayerisch erscheint, entspringt bei näherer Betrachtung dem Wirken jüdischer Persönlichkeiten. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv zeigt die Bedeutung jüdischer Unternehmen in Bayern auf.
Zwar lag der Anteil der jüdischen Bevölkerung in Bayern vor 150 Jahren zum Zeitpunkt der Reichsgründung 1871 bei 0,9 Prozent. Doch leisteten namhafte jüdische Unternehmer einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung und zum Aufschwung des Landes.
So gehörte etwa Simon von Eichthal, Sohn eines jüdischen Hoffaktors, 1835 zu den Gründern der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank AG, der ersten Aktienbank in Deutschland. Als König Ludwig I. allerdings 1843 die Münchner Industrie- und Handelskammer ins Leben rief, konnte sich Eichthal wegen Arbeitsüberlastung nicht zur Mitwirkung entschließen. Bayerns einstmals größte Aktienbrauerei Löwenbräu war mit der jüdischen Familie Schülein eng verbunden. Die trachtenbewusste Münchnerin kaufte ihr Dirndl bei der Firma Wallach und wer eine „Lodenjoppe“ brauchte, ließ sich bei Isidor Bach ausstaffieren. Für naturbegeisterte Ausflügler hielt die Nürnberger Firma Bing den „Touristenkocher“ bereit. Exklusive Einrichtungen lieferte das Kunst- und Antiquitätenhaus Bernheimer. Zu den Kunden gehörte das bayerische Königshaus ebenso wie der europäische Hochadel. Für die Heimatstadt München engagierte sich das Bankhaus H. Aufhäuser und beschaffte 1928 der notleidenden Metropole auf dem englischen Markt eine Anleihe von mehr als eineinhalb Millionen Mark, die den dringend benötigten Ausbau der Städtischen Elektrizitäts- und Kraftwerke ermöglichte.
Mit seinen reichhaltigen Beständen dokumentiert das Bayerische Wirtschaftsarchiv auf vielfältige Weise den breiten Wirkungskreis jüdischer Unternehmerpersönlichkeiten. Auch in den bayerischen Industrie- und Handelskammern setzten sich jüdische Fabrikanten und Kaufleute für die wirtschaftlichen Belange ihres Landes ein. Der renommierte Bankier Moritz Guggenheimer übte als Präsident von 1869 bis 1873 das höchste Amt der IHK für München und Oberbayern aus.
Weißblauer Dunst: Zigaretten aus Bayern
Bis 1900 stieg München hinter Dresden, Berlin und Hamburg zu einem Zentrum der deutschen Zigarettenindustrie auf. Bis 1905 erfolgte die Produktion in Handarbeit, danach setzte die industriealisierte Fertigung ein, wie das Exponat des Monats des Bayerischen Wirtschaftsarchivs zeigt.
Der Münchner Bürger der Biedermeierzeit griff zu Pfeife oder Zigarre, wenn er dem Tabakrauchen frönen wollte. Angeblich gab es hierzulande erstmals 1852 ausländische Zigaretten zu kaufen. Groß war das Angebot seinerzeit sicher nicht.
14 Jahre später verlagerte der damalige türkische Generalkonsul W. F. Grathwohl einen Fabrikationsbetrieb aus dem ehemaligen Konstantinopel (heute Istanbul) an die Isar und begründete damit vor 155 Jahren die erste bayerische Produktionsstätte. Nur allmählich stieg die kleine Zahl der Zigarettenliebhaber. 1876 eröffnete in München die auf griechische Tabake spezialisierte Firma Pan C. Papasthatis, 1883 die Firma von Georg Zuban mit mazedonischem Rohtabak. Mit wachsender Nachfrage entstanden auch in Regensburg und Fürth eigene Betriebe.
Hinter Dresden, Berlin und Hamburg stieg München bis 1900 zu den Zentren der deutschen Zigarettenindustrie auf. Bis bei Zuban 1905 die erste Zigarettenmaschine anlief, erfolgte die Herstellung fast ausschließlich in Handarbeit. Damals lag die bayerische Produktion bei 105 Millionen Stück, 1914 war es schon mehr als das Zehnfache. Auch ausländische Importeure drängten auf den Markt und verlegten ihre Fertigung nach Deutschland, um die hohen Zollgebühren zu umgehen. In München gründete die österreichische Monopolverwaltung die Austria GmbH, die ihre Erzeugnisse über die Zigarettenhandelsfirma Carl Philipps Wwe. vertrieb. Auch in der Zwischenkriegszeit qualmte man in Bayern munter weiter. 1927 erwarb der Kölner Hersteller Haus Neuerburg den Wettbewerber Zuban. Gut 50 Jahre später ging der Standort an den Tabakkonzern Philipp Morris, der dort bis 2008 produzierte.
Als das Zigarettenrauchen in Mode kam, hielt man das schlanke Rauchwerk wegen der vermeintlich leichteren Orienttabake im Vergleich zur Zigarre für weniger schädlich. Die Zigarette galt als Produkt der Moderne und symbolisierte schnelles, genussvolles Leben. Im Bayerischen Wirtschaftsarchiv haben sich zahlreiche Dokumente zur Geschichte der Glimmstängel made in Bavaria erhalten.
„Prost zusammen“ – Münchner Brauereikonzentration von einst
In der wirtschaftlich schwierigen Zeit nach dem Ersten Weltkrieg waren Fusionen unter Brauereien keine Seltenheit. Löwenbräu, mit Immobilien gut ausgestattet, hatte dabei gute Karten, wie die Unterlagen im Bayerischen Wirtschaftsarchiv zeigen.
1921 flatterte den renditeverwöhnten Löwenbräu-Aktionären gleich zweimal die Einladung zu einer außerordentlichen Generalversammlung ins Haus. Wichtige Beschlüsse standen an. Vor dem Hintergrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage nach dem Ersten Weltkrieg drehte sich in München vor einhundert Jahren bei den Brauereien munter das Fusionskarussell.
Löwenbräu-Generaldirektor Mildner hatte ein Auge auf die Unionsbrauerei geworfen. Die 1895 von Joseph Schülein gegründete Aktiengesellschaft mit Sitz im östlichen Stadtteil Haidhausen war nach der Spatenbrauerei das drittgrößte Münchner Sudhaus und galt vor 1914 als neuntgrößte Bierfabrik im Deutschen Reich. Aber anders als bei Löwenbräu fehlte der Immobilienbesitz, um die Verluste durch den mangelhaften Bierabsatz nach Kriegsende aufzufangen. Der Unionsbrauerei stand das Wasser bis zum Hals. Die Löwenbräu-Offerte war also hochwillkommen. Anders als gerne kolportiert, wurde das gesamte Vermögen von der Union auf den Löwen übertragen, ihre Aktionäre erhielten für zwei Anteilscheine von je 1.000 Mark eine Löwenbräu-Aktie für 1.500 Mark.
Auch das seit 1880 als Aktiengesellschaft bestehende Bürgerliche Brauhaus im Münchner Osten schwächelte. Die nur zur Hälfte ausgelastete Braukapazität bereitete dem Vorstand arge Kopfschmerzen. Daher griffen die Verantwortlichen beim Angebot einer Fusion mit Löwenbräu gerne zu. Der Münchner Bankier und Großaktionär bei Bürgerbräu, Wilhelm von Finck, setzte einen Kapitalumtausch im Verhältnis eins zu eins durch. Der Sudbetrieb der Unionsbrauerei wurde eingestellt, die Produktion beim Bürgerbräu lief dagegen noch bis 1932 weiter.
Im Zug der Fusion wechselte Joseph Schülein in den Aufsichtsrat der neuen Gesellschaft. Für sein Ausscheiden aus dem Vorstand erhielt er die Schlossbrauerei Kaltenberg zum Buchwert. Sein Sohn Hermann übernahm als Nachfolger des 1924 verstorbenen Friedrich von Mildner das Amt des Generaldirektors. Die „Bier-Hochzeiten“ sind im Bayerischen Wirtschaftsarchiv gut dokumentiert. Auch Teile der Überlieferung von Union und Bürgerbräu haben sich dort noch erhalten.
Die Schmidt-Bank in Hof: Nach 177 Jahren kam das Aus
Es war die bislang teuerste Krise der bundesrepublikanischen Bankengeschichte: 2001 – vor zwanzig Jahren – musste ein Bankenpool aus den vier großen deutschen Geschäftsbanken und die Bayerische Landesbank einspringen, um die ins Trudeln geratene traditionsreiche Schmidt-Bank aus Hof aufzufangen.Das Bayerische Wirtschaftsarchiv zeichnet die Geschichte des Bankhauses nach.
Am Anfang stand 1828 der Handel mit wildwachsenden Heilkräutern aus dem nahen Fichtelgebirge. Damals machte sich der Kaufmann Karl Matthäus Schmidt mit einem Spezereiwarengeschäft in Wunsiedel selbstständig. Er legte den Grundstock für eine der ältesten Privatbanken Bayerns, die ganze 177 Jahre Bestand haben sollte.
Noch sein Enkel Karl Schmidt betätigte sich im Großhandel mit Medizinalkräutern, reichte aber bereits auch umfangreiche Kredite an die im Geschäftsbezirk ansässige Stein-, Porzellan-, Textil- und Holzindustrie aus. 1905 verlegte er den Firmensitz in das verkehrsgünstiger gelegene Hof an der Saale. Vor dem Ersten Weltkrieg verfügte das Unternehmen in Nordbayern bereits über 28 Niederlassungen.
Unter der Leitung von Karl Gerhard Schmid, Bankchef in fünfter Generation, setzte die große Expansion der mittlerweile ganz auf das Bankgeschäft konzentrierten Firma ein. Verfügte sie vor Kriegsausbruch 1939 über 58 Filialen, entwickelte sie sich bis etwa Mitte der 1990er Jahre zu einer Art privat geführten Sparkasse mit 90 Zweigstellen und 1100 Mitarbeitern. Zudem galt sie als wichtiger Kreditgeber für die klein- und mittelständische Wirtschaft. 1990 erfolgte der Filialaufbau in Sachsen und Thüringen. Um die Jahrtausendwende stand das Geldhaus aus Hof hinter dem Kölner Bankhaus Sal. Oppenheim auf Platz 2 der deutschen Privatbanken.
Das Engagement in den neuen Bundesländern und hohe Risiken im Kreditgeschäft brachten jedoch erhebliche Probleme mit sich. Sie wurden zunächst noch verdeckt vom Erfolg der Tochtergesellschaft „ConSors Discount-Broker“, die Karl Gerhards Sohn, Karl Matthäus Schmidt, gegründet hatte. Sie stieg zeitweilig zum europäischen Marktführer bei elektronischen Finanzdienstleistungen auf. Doch der Absturz der Consors-Aktie riss auch die schwer angeschlagene Schmidt-Bank mit sich. Im Zug der Rettungsaktion wurden die Hofer Zentrale und die Hälfte der Bankniederlassungen geschlossen. Die restlichen 70 Filialen der aufgelösten Schmidt-Bank gingen 2004 an die Frankfurter Commerzbank.
Karl Gerhard Schmidt – der „König von Hof“, wie ihn „Die Zeit“ einmal titulierte – zählte zu den großen Mäzenen in Nordbayern. So rief er unter anderem die Stiftung „Freunde von Bayreuth“ ins Leben, eine einflussreiche Vereinigung von Förderern der Bayreuther Festspiele. Außerdem hat er sich aus politischer Verantwortung um die Unterstützung der strukturschwachen Gebiete dieser Region verdient gemacht. Die historische Überlieferung seines Bankhauses hat im Bayerischen Wirtschaftsarchiv eine neue Heimat gefunden.
„Ist vom Verbraucher aufzubewahren“: Historische Lebensmittel- und Bezugskarten
Erst 1950 wurden in der Bundesrepublik Deutschland die Lebensmittelmarken abgeschafft. Heute gibt es einen Sammlermarkt für diese Erinnerungsstücke aus der Not der Kriegsjahre. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv öffnet dafür seinen Fundus.
Den Kunden standen die Haare zu Berg: In vielen Märkten galten während des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr 2020 Mengenbeschränkungen für den Einkauf. „1 x Klopapier, 1 x Zwieback /Knäckebrot, 2 x Zucker, Mehl, Reis, Teigwaren …“ - Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren zur Kontrolle und „ggf. zur Kürzung“ angehalten.
Doch mit der Bewirtschaftung früherer Zeiten waren diese Maßnahmen nicht zu vergleichen. Im deutschen Kaiserreich wurde erstmals zu Beginn des Ersten Weltkriegs das Brot rationiert und 1915 eine Brotkarte eingeführt. Später waren Lebensmittel wie Milch, Fett und Eier nur noch gegen Bezugsscheine erhältlich. In München betrug 1916 die wöchentliche Zuteilung von Butter 125 Gramm. Auch Web- und Wirkwaren sowie Schuhe gab es auf Karte. Die Rationierungen waren notwendig, weil die englische Seeblockade die Versorgung der Bevölkerung einschränkte. Außerdem fehlten Arbeitskräfte, da viele Bauern Kriegsdienst leisten mussten. Die schlechte Lebensmittelversorgung und die Hungerzeit 1916 bis 1919 blieben im Gedächtnis haften.
Angesichts der mangelnden Kriegsbegeisterung 1939 ging das NS-Regime daher nur schrittweise zur Zwangsrationierung über. Neben Lebensmittelkarten wurde auch eine Reichskleiderkarte ausgegeben. Ab 1942 wurden die Einschnitte immer drastischer. Lebensmittelkarten und Bezugsscheine berechtigten nur zum Kauf, waren aber keine Garantie, die rationierten Waren auch tatsächlich zu bekommen. Nach Kriegsende 1945 teilten auch die alliierten Militärbehörden Lebensmittelkarten zu, die je nach der Schwere der Arbeit gestaffelt waren.
Erst 1950 wurden in der Bundesrepublik Deutschland die Lebensmittelmarken abgeschafft. Heute gibt es einen Sammlermarkt für diese Erinnerungsstücke aus der Not der Kriegsjahre. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv verfügt über eine reichhaltige Kollektion dieser einst so überlebenswichtigen Alltagszeugnisse aus Bayern.
Seit 100 Jahren Strom für den Freistaat: Das Bayernwerk
Damals wie heute gilt: Eine sichere Energieversorgung ist Grundlage für das Wohlergehen einer Wirtschaftsregion. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv BWA zeichnet die Geschichte des Bayernwerks nach.
Es war der weitsichtige Elektrotechniker und Wasserkraftpionier Oskar von Miller, der 1911 einen Plan zur landesweiten Versorgung des Königreichs Bayern mit Energie durch den Ausbau der Wasserkräfte anregte. Ein Name für das Großprojekt war auch schon gefunden: Bayernwerk.
Der gebürtige Münchner von Miller hatte bereits 1882 für Aufsehen gesorgt, als er in seiner Heimatstadt die erste elektrotechnische Ausstellung in Deutschland organisierte. Zusammen mit seinem französischen Kollegen Marcel Deprez gelang ihm dazu die erstmalige Fernübertragung von Strom über eine Strecke von rund 60 Kilometern von Miesbach nach München. Auf dem Ausstellungsgelände trieb eine elektrische Pumpe zum Staunen des Publikums einen künstlichen Wasserfall an.
Das Kernstück des Bayernwerks sollte das Walchenseekraftwerk bilden. Doch die zunächst zögerliche Haltung des bayerischen Verkehrsministeriums und der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhinderten die Umsetzung aller Pläne. Erst 1921 kam es schließlich zur Gründung der Bayernwerk AG. In deren Netzwerk speicherten zunächst das Walchenseekraftwerk und die Mittlere Isar AG ein. Schrittweise gelang es dem Unternehmen, nicht nur seine eigenen Energiequellen zu vergrößern, sondern auch regionale Versorger zu übernehmen. Die Stromgewinnung aus Wasserkraft und seit 1930 aus Oberpfälzer Braunkohle konnte bald den wachsenden Energiebedarf in Bayern nicht mehr decken.
Seit den 1960er Jahren wurde Strom auch aus Öl erzeugt, das durch die Errichtung des Raffineriezentrums Ingolstadt preisgünstig zu Verfügung stand. Vor dem Hintergrund der Ölkrise der 1970er Jahre setzte das Bayernwerk dann verstärkt auf Kernenergie. 1994 veräußerte der bayerische Staat seine Mehrheitsbeteiligung am Bayernwerk an die VIAG AG. Als im Jahr 2000 VIAG und VEBA zu E.ON fusionierten, entstand aus dem Bayernwerk und PreussenElektra gemeinsam E.ON Energie. Der Name Bayernwerk war für einige Zeit verschwunden. Im Jahr 2013 wurde die E.ON Bayern AG offiziell umfirmiert, und zwar zum "neuen" Bayernwerk.
Für den Aufschwung Bayerns zu einer der führenden Industrie- und Innovationsregionen Deutschlands war die Versorgung mit sicherer und bezahlbarer Energie unabdingbar. Der seit 2005 im BWA verwahrte umfangreiche Archivbestand der Bayernwerk AG spiegelt diese Entwicklung wider.
„Texas am Tegernsee“: Vom Erdöl zum Heilwasser
Erst war der Tourismus da, dann wurde nach Öl gebohrt und schließlich sorgte das Heilwasser für weiteren wirtschaftlichen Aufschwung: Bad Wiessee am Tegernsee weist eine interessante Entwicklung auf, wie das Bayerische Wirtschaftsarchiv zeigt.
Es war der holländische Erdölpionier Adrian Stoop, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Grundstein für das später so bekannte Bad in Wiessee legte. Der Bergingenieur hatte erfolgreich auf Java nach Öl gebohrt und dafür die Dordtsche Petroleum Maatschappij ins Leben gerufen. Ende des 19. Jahrhunderts war sie die kapitalkräftigste Aktiengesellschaft der Niederlande.
1904 ließ Stoop am Tegernsee den ersten Bohrturm zur Förderung von Rohpetroleum errichten. Früher hatten die Benediktinermönche das sog. „Steinöl“ zu Heilzwecken verwendet. Es war zunächst gar nicht so leicht, in der Region geeignete Arbeitskräfte zu finden. „Der Fremdenverkehr hatte die Männer verwöhnt“, wie der spätere Direktor des Bades, André Driessen, klagte. Mit Rudern, Segeln und Schuhplatteln im Dienste der Touristen hatten sie gutes Geld verdient. Die Fördermengen entwickelten sich jedoch nicht zufriedenstellend.
1909 stieß man bei Bohrloch III schließlich auf ein Thermalwasservorkommen. Der Wiesseer Arzt Erwin von Dessauer erkannte die balneologische Bedeutung des übelriechenden Wassers: Es war die stärkste Jod-Schwefel-Thermalquelle des damaligen deutschen Kaiserreichs. Im Sommer 1912 begann der Kurbetrieb mit zwei hölzernen Badezubern. Bereits zehn Jahre später wurde Wiessee mit dem Titel „Bad“ geadelt und Stoop zum Ehrenbürger ernannt.
Mit 165.000 Anwendungen erreichte das Heilbad am Tegernsee 1935 die stärkste Auslastung. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnten Patientinnen und Patienten ab 1948 wieder in Wiessee kuren. Die Reformen im Gesundheitswesen versetzten gut 50 Jahre später den Heilbädern und Kurorten einen empfindlichen Schlag. Die Krankenkassen hielten sich mit Bewilligungen zurück: 1989 halbierte sich innerhalb eines Jahres die Zahl der ambulanten Kuren. 2001 übernahm die Gemeinde Wiessee den Kurbetrieb von der Familie Stoop. Vor zehn Jahren ging die niederländische Zeit endgültig zu Ende, als die Erbengemeinschaft das Jod-Schwefelbad samt dazugehörigem Areal sowie die Quellrechte an die Kommune verkaufte.
„Eine der ersten Gesellschaften München“: die Schwadron der Pappenheimer
Netzwerken historisch: Die Schwadron der Pappenheimer führte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts alles zusammen, was Rang und Namen hatte. Ein ebenso nützliches wie vergnügliches Unterfangen, wie das Bayerische Wirtschaftsarchiv zeigt.
In Schillers Drama „Wallenstein“ appelliert der Feldherr an die Treue seiner Gefolgsleute: „Ich kenne meine Pappenheimer“. Als sich 1857 angesehene Honoratioren der Residenzstadt München zur Gesellschaft der Schwadron der Pappenheimer zusammenfanden, dachten sie aber nicht an das Theaterstück. Der Vereinschronist führt vielmehr die „staunenswerte Sesshaftigkeit“ der Mitglieder an.
Sie wollten aber nicht bei einem Glas Bier die „herkömmlichen Bierbankgespräche“ führen, sondern eine künstlerische Atmosphäre mit höherem gesellschaftlichen Niveau schaffen. Treibende Kraft und Seele der Schwadron war der Konditor Ludwig Gampenrieder, der sich frühzeitig vom Geschäft zurückziehen konnte und bis zu seinem Tod 1896 als „Ceremoniar“ wirkte. Für die musikalische Unterhaltung sorgte die eigene Schwadrons-Kapelle, für die Gampenrieder noch im höheren Alter den Kontrabass spielen lernte. Zu den Höhepunkten im Jahreslauf zählten Festabende, bei denen auch Theaterstücke aufgeführt wurden. Für das Stiftungsfest 1907 etwa verfasste der langjährige Hoftheaterintendant Ernst Ritter von Possart ein Festspiel und trat selbst als Wallenstein auf.
Das Haus in der Salvatorstraße 8, das die Schwadron 1899 kaufte, verfügte im ersten Stock über einen Gesellschaftsraum mit Bühne. Besondere Bedeutung kam den Banketten zu, bei denen die als „Reiter“ titulierten Mitglieder in der Gewandung des Dreißigjährigen Kriegs erschienen. Die Schwadron der Pappenheimer verfügte über hohes gesellschaftliches Ansehen. Am Bankett 1875 nahmen Herbert von Bismarck, der Sohn des Reichskanzlers und der preußische Gesandte Georg Freiherr von Werthern teil. Die Münchner Presse vermeldete tags darauf, dass es bei dem Pappenheimer-Abend „stark gepreußelt“ habe.
Neben hohen Beamten, Akademikern, Künstlern und Offizieren gehörten auch Unternehmerpersönlichkeiten von Rang und Namen der Schwadron der Pappenheimer an. So lud Geheimrat Friedrich von Mildner, Generaldirektor der Löwenbrauerei, im Sommer gern zu Treffen in seinem Privatgarten in der Brauerei ein. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv dokumentiert exemplarisch das Wirken dieser liebenswürdigen geselligen Vereinigung.
Weihnachten mit Mehrwert
Vor Coronazeiten kam im Dezember kein Verein und kein Betrieb ohne sie aus: die Weihnachtsfeier. Ob besinnlich-klassisch mit feierlichen Ansprachen zum Jahresrückblick oder als kreativ-pfiffiges Event mit der Teamaktion „Kochen“ – die Bandbreite der Veranstaltungen war groß.Das BWA zeichnet die Geschichte der Weihnachtsfeier nach.
Auch früher schon war es in den Unternehmen üblich, zum Jahresende die Belegschaft einzuladen. Die großen Feiern fanden damals entweder im Werk oder in den Räumlichkeiten großer Gaststätten statt.
Das „Gesamtpersonal“ des Verlagshauses Oldenbourg hatte 1924 einen Saal des „Colosseums“ gemietet. Auch der Nachwuchs war mit dabei. „Klein Anny Vogel“ durfte den Kinderdank sprechen: „Habt Dank auch Ihr vom Personal, die Firma und die Gäste, die Ihr den Weihnachtsmann bestellt zu diesem schönen Feste. Wir wollen aber stets dafür recht brav und artig sein.“ Der Reinerlös des „Glückshafens“ kam sechs Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs den Invaliden und Bedürftigen zu Gute, immerhin 600 Reichsmark.
Zu den wichtigen Gepflogenheiten gehörte seit jeher auch das Weihnachtsgeld. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Spannweite riesig: Sie reichte von wenigen Pfennigen bis hin zu einer Summe von mehreren Mark. Erstmals streikten 1918 die Thyssen-Bergarbeiter in Duisburg für eine Weihnachtsgratifikation. Die Zahlungen blieben freiwillig. In den 1950er Jahren setzten deutsche Gewerkschaften zum ersten Mal einen tarifvertraglichen Anspruch auf Weihnachtsgeld durch.
Auch in der Vergangenheit entfalteten Betriebe und Geschäfte in der Weihnachtszeit rege Betriebsamkeit, um Geschäftspartnern und Kunden ihre Verbundenheit auszudrücken. So sollten etwa aufwendig gestaltete Weihnachtskarten die besondere Wertschätzung bezeugen.
Die Brauereien nutzten gerne die Wochen vor Heiligabend, um gehaltvolles Bier als Gabe auf den Festtisch zu bringen. Die Werbung für diese Sonderaktionen hat sich ebenso wie eine bunte Vielfalt an Belegen für vorweihnachtliche Aktivitäten aus der Firmenwelt im Bayerischen Wirtschaftsarchiv erhalten.