Johannes Hauner: "Das ist genau mein Ding"
Johannes Hauner, IHK-Vizepräsident und Geschäftsführer der SZ Digitale Medien GmbH, spricht im Interview mit Martin Armbruster über KI, Digitalisierung und die Freude am IHK-Ehrenamt
Bislang hatte ich ihn nur aus der Ferne vom Zug aus gesehen. Hier steht er also: Der „SZ-Turm“ an der Hultschiner Straße 8. Ich muss zugeben, ich bin beeindruckt. Es ist später Freitagnachmittag und für September brutwarm. Aus dem knapp 100 Meter hohen Turm tröpfeln die Leute, die jetzt in ihren Feierabend gehen. Darunter garantiert auch Redakteure, deren Texte ich schon seit Jahren lese.
Ich habe einen Termin mit Johannes Hauner im Rahmen unserer Interviewserie mit den IHK-Vizepräsidenten. Johannes ist Geschäftsführer der Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH. Er hatte via E-Mail geschrieben, er habe Zeit und Lust für das Gespräch. Pünktlich um 17:30 Uhr holt er mich an der Pforte ab. Mit dem Aufzug fahren wir hinauf zu einer der obersten Etagen des Turms. Der Blick über die Stadt ist grandios. Johannes braucht man nicht groß bitten – das Gespräch kommt schnell in Fahrt.
Johannes, eine Unternehmerin aus dem IHK-Ehrenamt wünschte sich vor Kurzem, die Welt solle wieder normal werden. Teilst Du ihren Eindruck, dass es seit Corona mit den Krisen Schlag auf Schlag geht?
Die Corona-Zeit war für uns alle fordernd. Ich habe in der Zeit aber auch Dinge erlebt und Erfahrungen gemacht, für die ich im Nachhinhein dankbar bin. Ich habe in meiner Laufbahn noch nie so viel in so kurzer Zeit gelernt.
Karin Elsperger, Deine Kollegin im IHK-Präsidium, spricht von einem Corona-Trauma. Unvorstellbares sei Realität geworden.
In jedem Unternehmen und überall, wo Menschen zusammenkommen, musste man Dinge regeln, mit denen man sich noch nie beschäftigt hatte. Aber genau für solche Situationen ist die IHK da. Die IHK vertritt die Wirtschaft in ihrer gesamten Breite – und das IHK-Präsidium ist so zusammengesetzt, dass sich jeder Teil der Wirtschaft wiederfindet.
Wir sind immer noch eine stolze gedruckte Zeitung.
Welche Aufgaben hat Du hier als Geschäftsführer der Digital GmbH?
Als Geschäftsführer der SZ DM GmbH bin ich auf Verlagsseite verantwortlich für alles, was die SZ im Digitalen macht; also dafür, dass man unsere Inhalte auf digitalen Geräten lesen, hören und sehen kann, für Apps, Webseiten, Podcasts. Wir sind eher wie ein Digitalunternehmen aufgestellt als ein klassischer Zeitungsverlag und kümmern uns um die Wirtschaftlichkeit des Digital-Geschäfts über Werbung und vor allem Abos. Bei der SZ DM haben wir gut 100 Mitarbeitende, bei der SZ insgesamt sind es mehr als 1.000.
Ist die Zukunft der SZ digital?
Um eins klar zu sagen: Wir sind immer noch eine stolze gedruckte Zeitung. Es ist aber gleichzeitig notwendig, dieses Traditionsunternehmen in eine digitale Zukunft zu führen. Ein Beispiel: Lange Zeit haben wir, wie viele andere Verlage auch, unsere Inhalte im Netz kostenlos angeboten. Bei der SZ haben wir das korrigiert und finanzieren uns mittlerweile zum großen Teil über Digital-Abos.
Wie läuft das digitale Geschäft?
Sehr gut. Wir haben inzwischen mehr Digital- als Print-Abonnentinnen und -Abonnenten. Hätten wir es nicht geschafft, diese digitale Erlössäule aufzubauen, würde uns die Basis für weitere Investitionen ins Digitale fehlen. Wir haben zum Glück schnell erkannt, dass man für guten Journalismus auf digitalen Kanälen Geld verlangen kann – und muss.
Spielt die Überlegung, neue Zielgruppen zu erschließen, dabei auch eine Rolle?
Ja, sicher spricht man mit digitalen Produkten und Angeboten eher jüngere Zielgruppen an. Die Grundüberlegung ist aber: Wir haben einen hohen Qualitätsanspruch, der sich betriebswirtschaftlich tragen muss. Dafür brauchen wir das Digitale, ohne tradierte Geschäftsmodelle aufzugeben. Der digitale Wandel hat Verlage früher als andere Branchen erfasst. In der Medienlandschaft hat sich viel bewegt, mehr als einige von außen wahrnehmen.
Der Druck, sich zu verändern, war noch nie so stark.
Smartphones, Apps, Social Media -hat das diesen Wandel beschleunigt?
Natürlich, das sind Treiber dieses Wandels. Auf mein IHK-Ehrenamt übertragen heißt das: Auch die Masse der kleinen Unternehmen und Selbstständigen steht unter Zugzwang. Der Druck, sich zu verändern, war noch nie so stark wie heute. Aber der Moment, den Wandel anzugehen, war auch noch nie passender. Das Spannende an der IHK ist, dass man mitbekommt, was sich in anderen Branchen tut. Deshalb mache ich das so gerne. Impulse für Veränderungen nur aus der eigenen Branche abzuleiten, wäre mir zu engstirnig.
Andererseits interessiert sich die Wirtschaft aber sehr dafür, was in den Medien passiert. München gilt als Medienstadt.
Mit dem Begriff kann ich wenig anfangen. Medienstadt – was soll das sein? Ich finde, Medien sollten sich nicht zu wichtig nehmen. Klar ist aber, dass eine offene Gesellschaft unabhängige Medien braucht. Wir, die tz, der Merkur, die Abendzeitung, Burda und andere gehören zu dieser Stadt. Das soll und muss so bleiben.
Ich war schon immer ein politischer Mensch.
Du bist ja jetzt noch nicht lange bei uns in der IHK …
Ich bin erst seit dieser Legislatur in der Vollversammlung und im Präsidium.
Wie kam es dazu?
Stefan Hilscher, der frühere Geschäftsführer des Süddeutschen Verlags, war in der IHK aktiv. Ich habe lange mit ihm zusammengearbeitet. Als klar war, dass er in den Ruhestand geht, hat er mich gefragt, ob ich bei der IHK-Wahl 2021 antreten möchte - und ich wollte das machen.
Wie viel Bedenkzeit hast Du gebraucht?
Ich habe nicht lange gebraucht. Ich habe Volkswirtschaft studiert und mich schon immer für Märkte und ökonomische Zusammenhänge interessiert. Und ich war schon immer ein politischer Mensch, ohne mich parteipolitisch zu engagieren.
Engagieren kannst Du Dich jetzt bei der IHK …
Ja genau, deshalb ist das für mich eine motivierende Aufgabe. Ich finde es spannend zu sehen, wie die Digitalisierung Märkte und Branchen umpflügt. In der IHK habe ich die Chance, das im großen Zusammenhang zu diskustieren, außerhalb der eigenen Bubble. Das reizt mich total.
Wenn schon IHK-Ehrenamt, dann gleich richtig.
Wie hast Du es geschafft, als Neuling gleich ins Präsidium aufzusteigen?
Ich habe für die Vollversammlung kandidiert und bin gewählt worden. Dann hat mich Klaus Lutz (IHK-Präsident Klaus Josef Lutz, die Red.) angerufen und mir gesagt, dass er für seine Kandidatur als Präsident ein Team zusammenstellt. Ich dachte mir: wenn schon IHK-Ehrenamt, dann gleich richtig. Ich habe für das Präsidium kandidiert und bin gewählt worden. Und nach über zwei Jahren kann ich sagen: Das ist ein großes Glück.
Das klingt richtig begeistert.
Es macht einfach Spaß, sich im Präsidium zu engagieren. Wir sind ein super Team: Tradition und KI, Konzern, Mittelstand und eine Solo-Unternehmerin wie Karin. Es sitzen keine Lobbyisten und Funktionäre in dem Gremium, sondern Unternehmerinnen und Unternehmer, die wissen, was in ihrer Branche und Region läuft. Ich finde es zum Beispiel spannend, was mir Ingrid (Ingrid Obermeier-Osl, Holzwerk-Chefin und Vorsitzende des Regionalausschusses Altötting-Mühldorf) über die Chemie-Industrie Südostbayerns erzählt. Von Georg (Spediteur Georg Dettendorfer) und Otto (Otto Heinz, Chef eines Moosburger Entsorgers) erfahre ich aus erster Hand, was andere Wirtschaftszweige bewegt.
Hat Dir das zu neuen Einsichten in die Wirtschaft veholfen?
Ja, absolut. Das sind Unternehmer, mit denen ich meine Leidenschaft fürs Unternehmertum teile. Ich höre gerne zu, wenn mittelständische Unternehmen erklären, wie sie auf die aktuellen Herausforderungen reagieren. Und ich mag es auch, wenn man bei der IHK mit Familienunternehmern diskutiert – und in den Tagen danach auf der Straße oder am Flughafen Fahrzeuge sieht, die die Logos „Heinz“ oder „Dettendorfer“ tragen. Da wird Wirtschaft sichtbar und greifbar. Gerade wenn man, wie ich, viel im Digitalen unterwegs ist, ist es wichtig, ein Gespür für klassische Industriezweige zu behalten.
Mit welchen Inhalten beschäftigt sich das Präsidium?
Neben IHK-internen Dingen geht es um die großen Themen der Wirtschaft: KI, Digitalisierung, zu Beginn der Legislatur hatten wir noch die Corona-Krise, dann kamen Ukraine-Krieg, Energieprobleme und Inflation dazu. Wir diskutieren, keiner nimmt sich zu wichtig, weil es um das Gesamtinteresse der Wirtschaft geht. Wir überlegen, ob wir eine gemeinsame Position formulieren oder zu einer Lösung beitragen können. Das ist genau mein Ding. Ich genieße diesen Austausch, weil er meinen Blick schärft.
Welche Rolle spielst Du in diesem Präsidium?
Dagmar (Dagmar Schuller, CEO von AudEERING) und ich tauschen uns viel über digitale Themen aus, weil wir beide aus der digitalen Welt kommen. In diesem Kontext sind natürlich auch die Datenschutz-Regelungen und unser Umgang damit ein großes Thema. Es ist gut, wie intensiv und offen wir über diese Themen im Präsidium diskutieren. Schließlich geht es nicht um spezifische Lösungen für eine Branche, sondern um Lösungen, die alle weiterbringen.
Das macht die IHK ja inzwischen auch dort, wo immer mehr entschieden wird: in Brüssel.
Ja, und auch dort bin ich gerne bereit, mein Wissen und meine Erfahrungen einzubringen. Wir hatten zum Beispiel in Brüssel gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Österreich eine Veranstaltung zur ePrivacy-Verordnung, an der auch Bayerns Datenschutz-Präsident Michael Will teilgenommen hat. Bei diesen Diskussionen kann man Einfluss nehmen auf Themen, für die gerade der gesetzliche Rahmen verhandelt wird. In Brüssel hatten wir einen sehr guten, praxisnahen Austausch, das fand ich erfrischend und ermutigend.
Ich bezweifle allerdings, dass uns Abstiegsdebatten weiterbringen.
Die Stimmung in Bayern ist nicht gut vor der Landtagswahl. Man diskutiert über Deindustrialisierung, Rezession, politischen Vertrauensverlust. Für wie bedrohlich hältst Du die Lage?
Wir haben wirtschaftspolitisch eine fordernde Zeit. Krieg, Klimawandel, Inflation und wirtschaftliche Stagnation - ich kenne niemanden, der darauf nicht mit der ein oder anderen Sorgenfalte schaut. Ich bezweifle allerdings, dass uns Abstiegsdebatten weiterbringen. Da kommen mir doch einige Punkte zu kurz. Ein bisschen mehr Optimismus würde uns allen gut tun.
Welche Punkte vermisst Du aktuell?
Mir fehlt die Bereitschaft, bestehende Strukturen zu hinterfragen. Manche Reformen sind überfällig und werden viel zu zögerlich angegangen.
Kann das Land nicht anders?
Das ist mir zu pessimistisch. Gerade in der Corona-Zeit ging vieles schneller als gedacht und es hat sich gezeigt, wie stark wir als Gemeinschaft sind.
Veränderung kann auch Spaß machen.
Schneller Wandel - ist das nicht genau das, was den Leuten Angst macht?
Angst ist das falsche Wort. Viele haben in Zeiten, in denen eine Krise auf die nächste folgt, nachvollziehbare Sorgen vor zu viel Veränderung. Deshalb müssen Veränderungen immer gut begründet und motivierend vermittelt werden. Denn wenn wir uns aus Sorge gar nicht mehr verändern, werden wir träge und verlieren an Wettbewerwerbfähigkeit. Ich wünsche mir mehr Mut und die Überzeugung: Veränderung kann auch Spaß machen.
Woher nimmst Du diesen Optimismus?
Ich finde, der Pessimismus ist in der öffentlichen Debatte überrepräsentiert. Ich werbe für mehr Optimismus, weil wir ihn im Umgang mit den aktuellen Herausforderungen brauchen. Ein Beispiel aus meiner Zeit bei der SZ: Als wir angefangen haben, im Internet manche Inhalte nur im Abo anzubieten, hat fast niemand geglaubt, dass das funktioniert. Es war ein langer Weg, es gab Rückschläge, aber wir haben das mit Überzeugung durchgezogen. Wir hatten Durchhaltevermögen und die Motivation, die sich auch in der Art widergespiegelt hat, wie wir an unsere Online-Leserinnen und Leser kommuniziert haben. Dadurch waren wir erfolgreich.
Was muss im Großen passieren, damit es wieder aufwärts geht?
Wir müssen die Schnittstellen von Staat und Wirtschaft modernisieren, Büokratie abbauen, Prozesse in der Verwaltung beschleunigen. Die dafür nötigen Reformen können wir gemeinsam stemmen, wenn wir sie gut motivieren und schlüssig kommunizieren.
Hast Du die Hoffnung, dass wir das alles schaffen können?
Natürlich. Und ich glaube, dass die Digitalisierung und ein chancenorientierter Umgang mit neuen Technologien und KI uns dabei unterstützen können. Wir sollten die großen Themen in kleinere Teile zerlegen und sie dann abarbeiten, Schritt für Schritt.
Derzeit tobt der Streit über die Fragen: Wie viel Regulierung braucht KI? Laufen wir Gefahr, die Zukunft zu verspielen?
Es gibt bei jeder neuen Technologie Reflexe zur Regulierung. Sie sind nachvollziehbar, wenn sie gesellschaftliche Debatten und unternehmerische Perspektiven widerspiegeln. Wir sollten in Bezug auf KI aber schnell zu einem Grundkonsens kommen – und uns dem Thema chancenorientiert nähern. Alles andere würde für die europäische Wirtschaft einen weiteren Verlust an Wettbewerbsfähigkeit bedeuten, nicht nur im digitalen Bereich.