Interview

Advitos GmbH: ‎„Unser Gerät ‎rettet Leben“‎

Behandlung mit Advos: Multiorganunterstützung
© Advitos GmbH

Die stellvertretende Geschäftsführerin der Advitos mbH, Catherine Schreiber, spricht im Interview über den Gewinn des Bayerischen Innovationspreises und das, was zum Durchbruch noch fehlt: das Geld großer Investoren.

Bayerischer Innovationspreis für die Advitos GmbH

Bayerns Wirtschaftsstaatssekretär Roland Weigert (Freie Wähler) sprach in seiner Laudatio von einer „herausragenden Leistung“ – das will in einer mit Top-Unternehmen gespickten Region wie Oberbayern etwas heißen. Die Münchner Advitos GmbH hat am 23. November 2020 den 1. Hauptpreis des Bayerischen Innovationspreises gewonnen für eine Entwicklung, die Menschenleben retten kann.

Advitos bietet für die Intensivstationen der Kliniken ein Gerät und ein Verfahren an, mit dem sich die Überlebenschancen nach einem Multi-Organ-Versagen erheblich verbessern lassen. Im Interview mit IHK-Redakteur Martin Armbruster spricht die stellvertretende Geschäftsführerin Advitos-Chefin Catherine Schreiber über Geschäftsidee, Tücken des Gesundheitsmarkts, den Schub der Preisverleihung und die Suche nach Investoren.

"Wir können die Überlebensrate steigern"

Frau Schreiber, schön dass wir uns endlich sprechen.

Ja, es ist bei uns gerade unheimlich viel los.

Hat der Innovationspreis dazu beigetragen?

Ja, das spüren wir deutlich. Das Interesse an uns ist gestiegen.

Wirtschaftsstaatssekretär Weigert sagt, Ihre Innovation könne Leben retten.

Ja, das ist so. Unser Gerät rettet Leben.

Wann und wo wird es eingesetzt?

Damit kann man Patienten helfen, die sehr schwer krank sind, die auf der Intensiv-Station mit Multi-Organ-Versagen liegen. Bislang liegt da die Überlebensrate nur bei 10 bis 20 Prozent. Unsere Behandlung unterstützt gleichzeitig Leber, Niere, Lunge. Unsere ersten Ergebnisse zeigen: Wir können die Überlebensrate auf 35 bis 50 Prozent steigern.

„Unser Verfahren funktioniert“

Catherine Schreiber, stellvertretende Geschäftsführerin der Advitos GmbH

Woher wissen Sie das?

Unser Gerät ist CE-zertifiziert, wir sind schon auf dem deutschen Markt aktiv. Wir haben bewiesen, dass unser Verfahren und Geschäftsmodell funktioniert. Die Auswertung klinischer Studien und des Patienten-Registers zeigt ganz klar, dass unsere Advos-Methode Schwerstkranken helfen kann.

Was macht Ihr Gerät besser als Konkurrenz-Produkte?

Unser Gerät kann gleichzeitig die Entgiftungsfunktion der drei Hauptentgiftungsorgane Niere, Leber und Lungen unterstützen. Hierzu gibt es kein vergleichbares Gerät. Bislang wurden alle Geräte organweise gedacht und entwickelt. Also eine Maschine für das Herz, eine andere für die Nieren und so weiter. Mit unserer Technik ist es zum ersten Mal möglich, mit einem Gerät mehrere Organe zu unterstützen. Das ist der Ansatz, das ist die Herausforderung.

Klingt gut. Wie kam es dazu?

Das hängt natürlich mit unserem Firmengründer Bernhard Kreymann zusammen. Er war 20 Jahre lang Mediziner am Klinikum rechts der Isar. Kreymann ist von der Ausbildung her Nephrologe und verfügt über viel Erfahrung mit der Blutwäsche, mit der Dialyse bei Nierenerkrankungen. Herr Kreymann hat bereits ein Verfahren für Patienten mit Leberversagen entwickelt. Aus diesen Erfahrungen kam die Idee zum ADVOS Verfahren, das nicht nur zur Behandlung des Leberversagens eingesetzt werden kann, sondern zur Behandlung eines Multi-Organ-Versagens.

Warum hat außer Ihnen noch niemand ein Multi-Organ-Verfahren entwickelt?

Die medizinische Forderung danach gibt es seit über 20 Jahren. Aber eine Lösung zur Unterstützung mehrerer Organe ist nicht einfach zu entwickeln. Dazu muss man wissen: Wenn die Niere versagt, muss man wasserlösliche Giftstoffe über Diffusion aus dem Blut entfernen. Wenn die Leber versagt, muss man Giftstoffe rausfiltern, die im Blut an Eiweiß gebunden sind. Die können durch die normale Dialyse nicht entfernt werden. Bei der Lungenunterstützung muss CO2 entfernt werden. Dies kann eine normale Dialyse auch nicht. Wir wollten ein Gerät und Verfahren entwickeln, das alle drei Organe flexibel unterstützen kann. Eine Lösung, die auf einer Technologie basiert.

Wie lange hat das gedauert?

Wir haben vor acht bis zehn Jahren mit ersten Laborversuchen angefangen, präklinische Studien und klinische Studien erstellt. Die technische Leber-Unterstützung wurde dann mit der Entgiftungs-Unterstützung für Lungen und Nieren ergänzt. So zwischen 2016 und 2017 haben wir das auf den Markt gebracht.

Das Elegante und Einzigartige an unserer Lösung ist die Entgiftung, die auf einer einzigen Technologie basiert, für die der Aufbau eines einzigen Geräts genügt.

Catherine Schreiber, stellvertretende Geschäftsführerin der Advitos gmbH

Ein Grund für die Firmengründung war wohl auch der Zwang, Kapital aufzutreiben.

Genau. Kreymann hat überlegt, wie viel Kapital er brauchen wird für die weitere Produktentwicklung bis zu Marktzulassung. In dem universitären Betrieb hätten die Mittel nicht gereicht. Der zweite Grund: Neben der Standard-Patienten-Betreuung wäre es zeitlich nicht möglich gewesen, das alles zu entwickeln.

Warum hat unser Gesundheitssystem die Entwicklung nicht finanziert?

Das wundert uns auch (lacht). Es gibt natürlich Forschungszuschüsse von öffentlicher Seite, die auch für uns sehr hilfreich waren. Aber für die kommerzielle Entwicklung von Geräten ist man im Wesentlichen auf eine Finanzierung durch Investoren oder Hersteller angewiesen.

Hat Sie die Konkurrenz der Großanbieter nicht entmutigt?

Nein, im Gegenteil: Wir sahen dadurch den großen Bedarf bestätigt und sind von der Überlegenheit unserer Lösung überzeugt.

Aus dem IHK-Arbeitskreis Gesundheitswirtschaft kommt die Klage, der deutsche Gesundheitsmarkt sei für neue Anbieter extrem reguliert.

Ja, das ist so. Den Weg bis zur CE-Zulassung haben wir gut beschritten. Das ist die erste große Hürde, das ist eine Zulassungsstelle wie der TÜV, die bestätigen muss, dass ein Gerät technisch unbedenklich und klinisch sicher ist. Was wir unterschätzt haben, sind die Komplexität und Herausforderungen, mit denen man kämpft, wenn man eine Innovation auf dem Gesundheitsmarkt etablieren will. Die Kostenerstattung ist ein Glücksfall für uns.

Aber Sie haben doch überzeugende Argumente.

Ja, so sehe ich das auch. Wir sind zudem in der glücklichen Lage, dass es eine Kostenerstattung gibt für unser Gerät. Das ist ein Glücksfall für uns.

Wenn die Klinik Ihre Maschine kauft, kriegt die dann Geld zurück?

Wenn die Klinik eine Leberunterstützungsbehandlung macht, dann gibt es dafür einen Tagessatz von den Krankenkassen. Dadurch können wir die Verbrauchsmaterialien den Krankenhäusern in Rechnung stellen.

Mediziner gelten als extrem konservativ was neue Technologien angeht. Ist das eine Hürde?

Das spüren wir auch. Wir sind noch am Anfang, uns fehlt die groß angelegte medizinische Evidenz, also die Datenmenge, mit der wir sicher sagen können, welchen Patienten unser Verfahren am meisten hilft – und wann der beste Zeitpunkt für die Behandlung ist.

In deutschen Intensivstationen wurde zuletzt mehr gespart als investiert. Ist das für Sie ein Nachteil? Die Presse hat ausführlich über den Personalmangel auf der Intensiv-Station berichtet. Das ist für uns natürlich hinderlich.

Wenn man eh‘ schon überarbeitet ist, hat man keine Zeit, für eine neue Behandlungsmethode geschult zu werden.

Catherine Schreiber, stellvertretende Geschäftsführerin der Advitos GmbH

Wie und wo produzieren Sie Ihre Geräte?

Wir haben hier in München eine Manufaktur. Hierher lassen wir uns Standard-Komponenten und extra gefertigte Teile liefern. Wir bauen die hier zusammen, machen die Ausgansprüfung. Wir haben ein kleines Techniker-Team, das die Geräte installiert und wartet.

Warum haben Sie sich für den Innovations-Preis beworben?

Ein Grund ist die bessere Sichtbarkeit, das macht es uns leichter, an Investoren-Gelder zu kommen. Toll ist das auch für unsere 55 Mitarbeiter. Wir haben im vergangenen Jahr eine EU-Förderung bekommen. Schon das fanden alle als motivierend. Den Innovationspreis empfinden unsere Mitarbeiter als große Wertschätzung ihrer Arbeit. Für uns ist das auch ein großes Plus für Gespräche mit künftigen Stellenbewerbern.

Sie wollen Ihre Technologie sicher auch an Kliniken in anderen Ländern verkaufen.

Ja, natürlich. Dies ist unsere nächste große Herausforderung. Für den europäischen Markt hilft uns, dass wir das CE-Kennzeichen haben. In den USA haben wir einen Antrag eingereicht für ein erstes Treffen mit der US-Zulassungsbehörde.

Wo können sich Interessenten Ihre Technik in der Praxis anschauen?

Das Verfahren wird in 20 Kliniken in Deutschland angeboten. Zusätzlich kann man es natürlich auch bei uns vor Ort anschauen.

Seit Corona wurde viel über Multi-Organ-Versagen gesendet und geschrieben. Wie wirkt sich das für Ihr Geschäft aus?

Wir haben dadurch mehr Aufmerksamkeit bekommen. Wir sind da ein Teil der Lösung, weil unser Gerät mit Erfolg an Patienten mit Covid-19 eingesetzt wird. Dafür haben wir einen Zuschuss von der EU erhalten. Unser Problem ist, dass sich die Krankenhäuser ganz auf die zweite Welle fokussieren, auf den Ansturm der Covid-19-Patienten. Da bleibt keine Zeit für das Erproben neuer Technik. In der Krise setzen viele auf Bewährtes, auf die Standard-Therapie.

Zumindest schaut man jetzt genau hin, wie die Kliniken ausgestattet sind. Das sollte Ihnen doch nutzen.

Das hoffen wir auch. Zumindest haben Politik und Öffentlichkeit klar erkannt, wie wichtig die gute Finanzierung der Krankenhäuser und ausreichend Pflegepersonal für unsere Gesundheitsversorgung sind.

Haben Sie schon Investoren bei Ihnen gemeldet?

Wir wurden bislang nur von deutschen Privatpersonen finanziert. Über ein Matching-Programm ist eine KfW-Finanzierung dazu gekommen. Wir sind jetzt auf der Zielgeraden, was Fundraising bei neuen Investoren angeht. Dafür ist ein Aspekt ganz wichtig: Das Geschäftsmodell muss sich auch ohne Covid-19 tragen. Das wird schon klar hinterfragt.

Weltweit wollen die Länder ihre Gesundheitssysteme hochfahren. Das ist doch ihre Chance.

Wir müssen diese Expansion aber auch finanziert kriegen. Wir sind in einer schwierigen Phase. Es gibt viele Gelder und Investoren für die Frühphase. Dafür sind wir schon zu weit. Für Private Equity sind wir noch zu klein und generieren zu wenig Umsatz.

Wie viel Kapital benötigen Sie?

Wir suchen 20 Millionen Euro. Das ist für deutsche und europäische Kapitalgeber eine außergewöhnlich hohe Summe.

Würden Sie sich noch als Start-up bezeichnen?

Darüber haben wir länger nachgedacht. Wir sind eher ein Scale-up. Wir sind noch kein etabliertes Unternehmen, sind auf Investorengelder angewiesen. Wir sind in der Wachstumsphase.

Alle Unternehmen, die international Erfolg haben wollen, müssen sich in Asien beweisen. Ist das für Sie ein Thema?

Den Markt haben wir auch im Blick, aber dafür brauchen wir den passenden Partner. Alleine können wir das nicht stemmen. Dort ist alles anders, Mentalität, Regularien, technische Voraussetzungen – das bedeutet einen unglaublichen Aufwand.

Wie sehen Ihre nächsten Schritte aus? Auf dem deutschen Markt fest etablieren und dann mit dem Geld, das wir gerade einwerben, in die EU-Nachbarn expandieren. Der medizinische Markt ist generell hart reguliert.

Aber ich bin sicher, der Innovationspreis wird uns helfen, auch im Ausland Türen zu öffnen.

Catherine Schreiber, stellvertretende Geschäftsführerin der Advitos GmbH

Zur Person

Dipl.-Ing. Catherine Schreiber ist stellvertretende Geschäftsführerin der ADVITOS GmbH. Sie ist seit Beginn im Unternehmen und ihre Aufgaben liegen vor allem in den Managementfunktionen, insbesondere Fundraising und Strategie.