IHK Interview

Katja Lindo: "Ich will neue Dinge ausprobieren"

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© Manu Photo&Design

Katja Lindo, Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Starnberg, spricht im Interview mit Martin Armbruster über Girls‘ Day, weibliche Chefs, Blitz-Karriere im Ehrenamt und Ziele ihrer IHK-Arbeit.

Google und Hotel-WebSite hatten nicht zu viel versprochen: Von einem „zauberhaften Ort“ war da zu lesen, von einem Blick auf den Starnberger See, der seinesgleichen suche. Und tatsächlich: Selbst an diesem trüben, leicht regnerischen Dienstagmorgen lässt sich erahnen, wie schön es sich an sonnigen Sommertagen im Hotel La Villa tagen und Hochzeitenfeiern lässt.

Wir sind mit der Hotel-Chefin Katja Lindo zum Interview verabredet. Seit Herbst 2021 ist Katja Lindo Vorsitzende des Regionalausschusses Starnberg. Die regionalen Medien fanden die Personalie spannend. Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb etwa, Lindo sei „extrem diszipliniert“ und „steige sofort ins Thema ein“. Schon wenige Sätze unseres Gesprächs machen deutlich: Nur keine Zeit verlieren, das Motto gehört zum Leben der „Powerfrau“. Und ein Punkt ist ihr wichtig: Sie will auch mit veralteten Konventionen und Routinen brechen.

Frau Lindo, die Süddeutsche Zeitung fordert die Abschaffung einer Aktion, für die Sie sich und die IHK engagieren: den Girls‘ Day. Die Redakteurin schreibt, der Begriff Girls zementiere weibliches Rollenverhalten. Ist das Ganze frauenfeindlich?

Ach, das ist doch Quatsch. Ich finde den Girls‘ Day super. Bei mir im Hotel werden an dem Tag einige 12- bis 15-jährige Mädchen auftauchen. Das sind halt Girls, die nennen sich selbst so. Auch den leicht provokanten Titel „Ich werde Chefin“ finde ich super gelungen.

Er im klassisch grauen Anzug, ich im blauen Kleid.

Katja Lindo, Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Starnberg

Es gibt ein schönes Presse-Foto, das Sie als neue Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Starnberg gemeinsam mit Ihrem Vorgänger zeigt. Das sieht aus wie eine Kultur-Revolution.

Ja, das ist ein schönes und auch lustiges Foto von Martin Eickelschulte und mir. Er im klassischen grauen Anzug, ich im blauen Kleid und in blauen Turnschuhen. Das war nicht geplant, ich ziehe mich häufig so an. Es ist dann einfach aufgefallen, wie krass der symbolische Generationswandel auf diesem Foto rüberkommt.

Wie kam es dazu, dass Sie heute im IHK-Ausschuss für das Blau sorgen?

Das hängt zusammen mit unserer Unternehmensgeschichte. Die EKT GmbH sitzt hier am Starnberger See. Wir sind ein Familienunternehmen, das mein Vater vor 30 Jahren gegründet hat. Mein Vater ist bei einem Autounfall fünf Jahre später tödlich verunglückt. Er konnte sein Herzblut hier nicht wirklich reingeben. Dieses Haus gehört der Stiftung, die im Namen meines Vaters gegründet wurde. Meine Stiefmutter hat hier kompetente Menschen engagiert, um alles auf Vordermann zu bringen. Sie war alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der GmbH und hat sich im UWS (Unternehmerverband Wirtschaftsförderung Landkreis Starnberg e.V., die Red.) engagiert.

Wie kamen Sie ins Spiel?

Meine Stiefmutter hat sich nach einigen Jahren aus den verschiedenen Rollen verabschiedet, danach habe ich die Geschäftsführung übernommen – und es war klar, dass La Villa in den verschiedenen Gremien hier in Starnberg repräsentiert werden sollte.

Ich habe mich schon immer engagiert.

Katja Lindo, Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Starnberg

Was hat Sie zum Ehrenamt bewogen?

Ich habe mich schon immer engagiert für Sachen, die mir wichtig sind. Daher war es für mich selbstverständlich, dass ich da mal in das Ganze reinschnuppere. Dass es dann mit den Ehrenämtern so schnell geht, hätte ich allerdings nicht gedacht.

Wie kam es dazu?

Der UWS, der hier stark präsent ist, ist eng mit der IHK verbandelt. Ich bin im UWS-Vorstand. Martin Eickelschulte hat mich gefragt, ob ich zusätzlich seine Stellvertreterin im IHK-Regionalausschuss machen möchte. Ein anderer Blick, frischer Wind – das täte dem Ausschuss gut.

Offenbar sah das der Ausschuss auch so. Heute sind Sie Vorsitzende.

Ja, Martin hat das sehr gut gemacht die jüngsten Jahre, er hat mir quasi die Hand gehalten. So habe ich mich gut in die neue Rolle gefunden. Aus gesundheitlichen Gründen musste er dann seine Ämter abgeben. Ich habe den Ausschuss ein paar Monate kommissarisch geführt - und wurde im vergangenen Jahr als Vorsitzende gewählt. So schnell kann es gehen.

Wie fühlen Sie sich in Ihrer neuen Position?

Ich habe das Glück, dass ich den Ausschuss nicht allein führe und ich mit Thomas Vogl (Vorstandsvorsitzender der Volksbank Raiffeisenbank Starnberg Herrsching Landsberg, die Red.) einen wunderbaren Stellvertreter habe.

Was haben Sie sich für diese neue Aufgabe vorgenommen?

So einiges, und hier ein Beispiel: Im Landkreis ist es so, dass ich als IHK-Vorsitzende auch dem Wirtschaftsforum und damit auch dem Wirtschaftspreis des Landkreises Starnberg vorsitze. Der hat in der Region einen hohen Stellenwert. 2021 wurde dieser Preis nicht vergeben. In diesem Jahr werden wir den Wettbewerb wieder ausrichten und gemeinsam mit unseren Partnern einiges verändern.

Wir haben hier alte, verkrustete Strukturen.

Katja Lindo. Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Starnberg

Was haben Sie vor?

Unternehmen aus der Region können sich bewerben für ein bestimmtes Thema, das von der Jury jedes Jahr neu vorgegeben wird. 2020 ging es um Nachhaltigkeit, der Slogan hieß „Krise als Chance“. Der Preis ging an ein Unternehmen, das trotz Corona für nachhaltige Innovation gesorgt hatte. Dieses Jahr vergeben wir den Preis an ein Unternehmen, das es klar durchzieht, Frauen auf allen Ebenen zu fördern.

Das klingt jetzt nicht so spektakulär.

Es ist leider so, dass wir hier alte verkrustete Strukturen haben. Wie stark die sind, spürt man erst, wenn man ein Thema wie Frauen in Führungspositionen ernsthaft anpacken will. Da hat man das Gefühl, man laufe gegen eine Mauer. Wie zeigt sich dieser Widerstand? Dann heißt es auf einmal, es gebe keine geeigneten Kandidatinnen und die Frauen „wollten das ja auch gar nicht“. Wenn man da nachgibt, verändert sich nichts. Es läuft dann alles so wie immer. Wollen Sie mit dem Preis ein Zeichen des Aufbruchs setzen? Ja, genau. Wir waren am Anfang etwas unsicher, ob wir das so machen wollen. Ich habe das mit der Jury, bestehend aus weiteren zwei Frauen und drei Männern, diskutiert. Ursprünglich hatten wir die Schwerpunkte Digitalisierung und Fachkräftemangel vorgesehen. Ich habe gesagt, vom Gefühl und der Leidenschaft her bin ich für ein Unternehmen, das Frauen fördert. Die anderen meinten: Gut, warum nehmen wir das Thema nicht dieses Jahr schon? Wir machen das jetzt einfach.

Warum küren Sie nicht eine Unternehmerin oder Gründerin?

Daran haben wir auch gedacht, aber das ginge an diesen ganzen Stationen vorbei, an denen Unternehmen Frauen fördern können. Da schließt sich der Kreis zum Girls‘ Day. Es geht um den ganzen „Life Cycle“ einer Mitarbeiterin – von der Ausbildung bis zur Führungsebene. Und auch um faire Bezahlung, die Unterstützung von Vätern, die Elternzeit nehmen wollen, und so weiter.

Was muss ein preiswürdiges Unternehmen nachweisen können?

Wir wollen ein Unternehmen auszeichnen, das auch in die Schulen reingeht, um die Mädchen für seine Berufe zu gewinnen, das sich um seine weiblichen Azubis kümmert und dafür sorgt, dass weibliches Talent im Betrieb bleibt. Ein vorbildliches Unternehmen sieht gesamtheitlich, dass Frauen in der Wirtschaft eine Riesen-Rolle spielen. Das ist auch besser für die Bottom-Line, für die Zahlen, für die Nachhaltigkeit des ganzen Unternehmens.

Ich weiß, dass es auch anders als bei uns geht.

Katja Lindo, Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Starnberg

Das Problem ist doch, dass die Unternehmen das nicht allein in der Hand haben. Dafür muss sich die ganze Gesellschaft verändern.

Das ist der Punkt. Leider ist in der Struktur Deutschlands einiges so verkorkst, dass es in der Tat schwierig ist, Frauen zu fördern. Wir reden alle davon, wie wichtig das ist, einen Platz im Kindergarten zu bekommen, dennoch tut sich zu wenig, wir sollten schon so viel weiter sein.

Was fehlt? Brauchen wir mehr Kita-Plätze und Erzieherinnen?

Ja, sicher, aber wir brauchen auch ein anderes Denken. Ein Vater mit wichtigem Job sieht seine Kinder selten. Das wird akzeptiert, das ist normal. Eine Frau mit Kindern in der gleichen Position muss auch die perfekte Mutter sein. Wenn sie es erst um 16 oder 18 Uhr zum Hort schafft, um ihr Kind abzuholen, kassiert sie vernichtende Blicke. Auch von anderen Müttern. Dann hat sie das Stigma „Rabenmutter“

Sie waren lange in den USA. Wie läuft das dort?

Ich war dort jeweils drei Monate in Mutterschutz, bin dann zurück in Vollzeit. Erst hatten wir eine Nanny, dann einen Kindergarten von 7:30 Uhr bis 18 Uhr. Gut, das ist vielleicht das andere Extrem. Aber meine Jungs sind extrem stabil, haben gute Werte, Spaß am Leben, starke Vorbilder. Sie werden sicher die Karrieren ihrer zukünftigen PartnerInnen unterstützen.

Haben die Jahre in den USA Ihren Blick für diese Probleme geschärft?

Zumindest weiß ich heute, dass es auch anders als bei uns geht. Solange wir diese kulturellen Barrieren haben mit diesem mangelhaften Kita-Angebot, wird es sehr schwierig, da etwas zum Positiven zu verändern.

Haben Sie Verständnis für Frauen, die bewusst zuhause bei ihren Kindern bleiben wollen?

Aber natürlich. Letztendlich geht es doch darum, dass Frauen eine ECHTE Wahl haben – zwischen Vollzeit, Teilzeit, Karriere auf Führungsebene oder eben auch nicht arbeiten. An dem Punkt sind wir noch lange nicht.

Als Mann komme ich in Bayern bisher gut klar.

Oh, ja, Chefpositionen und Schlüsselministerien sind nach wie vor Männersache. Ich stand neulich vor der IHK-Ahnengalerie und habe mir die Porträts angeschaut. Die Bilder zeigen nur ältere Männer.

Ich bin auch einer. Ich werde 60.

Das ist doch prima. Aber wenn ich als Frau nur ältere Männer als Vorbilder sehe, stellt sich spontan nicht das Gefühl ein, Teil dieses Teams zu sein. Wenn ich mich nicht optisch repräsentiert sehe, wie kann ich dann glauben, dass ich es als Frau an die Spitze schaffe?

Es dauert einfach alles viel zu lange.

Katja Lindo, Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses

Woran liegt es denn, dass wir uns in diesem Land so schwer mit Veränderung tun?

(seufzt) Die meisten Menschen scheitern schon daran, sich selbst zu ändern. Nie mehr rauchen, jeden Tag Sport treiben – die guten Vorsätze halten nie lang. Eine ganze Gesellschaft zu verändern, ist wahnsinnig schwierig.

Was wäre der Punkt, den man am dringendsten ändern müsste?

Wir haben jetzt das Gründerthema, das durch die IHK schwirrt. Wenn ich die Probleme der Gründer auf einen Nenner bringen sollte, hieße der Bürokratie. Es dauert einfach alles viel zu lange. So kommen wir nicht voran.

Das hat auch die Politik erkannt.

Ja, dann werden Entbürokratisierungs-Departments geschaffen mit Hunderten Leuten, wie ironisch ist das denn? Da möchte ich am liebsten davonlaufen. Natürlich liegt die fehlende Geschwindigkeit auch daran, dass wir ein großes Land sind. Wir haben dieses Kompetenz-Gerangel zwischen Bund und Ländern. Und wir schauen wohl zu wenig auf andere Länder.

Was können wir von denen lernen?

Meine halbe Verwandtschaft lebt in Schweden. Was Unternehmensdynamik und Familienpolitik angeht, sind die dort einfach cool. Die erkennen: So muss es sein, und dann wird das einfach gemacht. Da wundert sich niemand, wenn eine Mutter wenige Wochen oder Monate nach der Geburt wieder im Job ist.

Wir müssen mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen.

Katja Lindo, Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Starnberg

Schauen wir wieder auf Starnberg. Welche Probleme hat der Landkreis?

Teuer ist es hier. Man kann hier kaum noch wohnen. Die Politik ist da in der Pflicht, mitzuarbeiten. Wir müssen mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen, sonst werden wir hier überhaupt keine Fachkräfte mehr bekommen.

Gibt es hier eine Konkurrenz zwischen IHK und Unternehmerverband?

Nein, das ergänzt sich ganz gut. Ich finde auch die Arbeit im UWS spannend. Schwerpunkte sind da Netzwerken und der Erfahrungsaustausch. Heute Nachmittag steht zum Beispiel eine Führung bei einem innovativen Mitgliedsunternehmen an. In La Villa hatten wir für den UWS neulich die Bundestagsabgeordneten der Starnberger Region zu Gast Solche Gespräche sind wichtig, um unsere Anliegen voranzubringen - egal welche Organisation Gastgeber ist.

Dann liegt doch für die regionale Wirtschaft die Idee nahe, gemeinsame Projekte zu starten.

Ach, das machen wir doch längst, beispielsweise im Rahmen der Fit-for-Future-Akademie. Der UWS und die IHK beschäftigen sich da mit den Themen Mitarbeiter und Digitalisierung. Diesen Austausch finde ich erfrischend.

Es ist einfach total bequem, am status quo festzuhalten.

Katja Lindo, Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Starnberg

Sie wollen für frischen Wind in Ihrem Ausschuss sorgen. Warum halten Sie das für so wichtig?

Weil unsere Zeit zu kostbar für reine Routine ist. Es ist einfach total bequem, am status quo festzuhalten. Wenn ich alles genauso mache, wie es immer schon war, gib es keine Probleme. Ich muss ich mir keine Gedanken machen, ob das jemandem etwas bringt. Das entspricht aber nicht meinem Naturell. Ich will sinnvolle Dinge, ich will neue Sachen ausprobieren.

Wissen Sie schon, was Sie verändern wollen?

Mir geht es auch darum, dass es einen guten Ressourcen-Katalog für unsere Mitglieder gibt. Ich weiß, dass die IHK gute Video-Tutorials zu digitalen Themen hat, nur finde ich es oft schwierig, an die ranzukommen. Ich sitze diesem Ausschuss vor und habe Probleme, diese Sachen zu finden. Wie soll dann der Herr Müller, ein Unternehmer mit fünf Mitarbeitern, von diesem IHK-Service profitieren? Gerade er muss doch in der Lage sein, sich mal durch ein paar tolle Videos der IHK durchzuklicken, damit er erfährt, wie er sein Unternehmen digitalisieren kann? Da müssen wir einfach ein wenig mit anschieben. Die eine oder andere Aktion dafür gibt es ja schon. Das finde ich gut.

Herr Müller sollte sich mehr mit den IHK-Medien beschäftigen.

Das darf aber keine Mühe machen. Es geht allen Unternehmern so: Wir werden jeden Tag mit so vielen Medieneindrücken überschüttet, dass man den Überblick verliert. Damit ein Thema zu mir durchkommt, dafür muss man schon ziemlich lang rufen und blinken. Sonst gucke ich mir das nicht an.

Was mir fehlt, ist der Netzwerk-Gedanke.

Katha Lindo, Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses

Was planen Sie für Ihre Ausschussarbeit?

Was mir ein wenig fehlt, ist der Netzwerk-Gedanke, das wird in den USA ganz anders gelebt. Diese Zusammenarbeit und Offenheit unter den Unternehmen und den Unternehmern, das vermisse ich hier schon.

Sprechen Sie auf Ihren Ausschuss-Sitzungen nicht darüber?

Wir treffen uns dreimal im Jahr und haben einen tollen Jahresempfang. Das ist alles gut so, aber es reicht nicht aus, um wirklich etwas ins Rollen zu bringen. Dafür sehen wir uns zu selten. Ich will da Lösungen finden, dass die Region noch mehr zusammenkommt.

Haben Sie dafür schon Ideen entwickelt?

Wir brauchen mehr Austausch unter unseren Mitgliedern. Wir könnten und sollten mehr Unternehmen besuchen und zusammenbringen in der Region. Was ich mir von der IHK wünsche, ist, dass sie von ihren Mitgliedern auch noch mehr Feedback und Vorschläge für die Zukunft erfragt

Gibt es schon erste Ergebnisse?

Unseren Jahresempfang machen wir schon mal etwas anders. Bislang bot der nichts Überraschendes. Themen, Redner – das war fast austauschbar, der Ablauf war fast immer gleich. In diesem Jahr haben wir als Speaker zwei Frauen Mitte 20. Sie werden über Nachhaltigkeit als Innovationstreiber sprechen. Das halte ich inhaltlich und symbolisch für sehr spannend und wichtig.

Man braucht schon Ziele.

Katja Lindo, Vorsitzendes des IHK-Regionalausschusses Starnbeg

Sie sind auch Mitglied des IHK-Ausschusses Unternehmerinnen. Wie wichtig ist das Ziel, erfolgreiche Frauen sichtbar zu machen?

Das kommt auf die Zielgruppe an. Vielen Männern ist das egal. Aber dass junge Frauen ein Vorbild haben, halte ich für essenziell. Man braucht schon Ziele. Als ich ein junges Mädchen war, war mein Vater Unternehmer. Er hat das gemacht, was er für richtig hielt, und er hat mich immer motiviert, das auch zu tun. Wenn jemand zuhause keinen unternehmerisch denkenden Vater oder Mutter hat, dann muss jemand anderes das Vorbild machen.

Den Job übernehmen Sie als Role-Model für den Girls‘ Day.

Und das mache ich sehr gerne. Ich bin extrem ehrlich. Ich sage den Mädels auch, was Ihnen sonst niemand sagt: Ihr schafft das, Ihr habt die Power. Wenn Jungs sich besser verkaufen als Ihr, nur weil sie keine Mädchen sind, ist das nicht okay. In dem Sinn möchte ich Vorbild sein. Ich mache das, von dem ich denke, dass ich das gut kann. Das bringt mir selbst, der Welt und meinem Unternehmen was.

Hat unsere Gesellschaft in Sachen Gleichberechtigung nicht schon große Fortschritte gemacht?

Oberflächlich betrachtet, ja. Aber schauen Sie sich mal an, wie Kinder aufwachsen. Am Anfang haben alle ihre Träume, sie glauben, alle Türen würden ihnen offenstehen. Früher oder später übernehmen die Jungen-Cliquen das Kommando für die Zukunft. Die Mädchen nehmen sich zurück und sagen, okay, dann werde ich Kindergärtnerin oder Lehrerin. Das finden alle gut. Dafür sind die Mädchen da.

Kindergärtnerin und Lehrerin – das sind jetzt keine schlechten Berufe.

Nein, bestimmt nicht. Aber schauen Sie sich an, wie das Umfeld reagiert, wenn eine Schülerin sagt: Ich will Atomphysikerin werden, eine eigene Firma haben oder im Vorstand eines Konzerns sitzen. Die wird nicht immer ermutigt. Die bekommt Druck von allen Seiten.

Im Notenschnitt der Abschlusszeugnisse liegen die Mädchen heute aber vor den Jungs.

Aber später wird es, egal in welchem Job, für junge Frauen schwierig, an den Männern dranzubleiben. Infrastruktur, Bezahlung, Steuerstruktur und kulturelle Stereotypen – alle Vorteile haben die Männer. Da muss man als Frau schon sehr „taff“ sein, um sich gegen die Boygroups zu behaupten.

Die Mitarbeiter sind mir am wichtigsten.

Katja Lindo, Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Starnberg

Was antworten Sie, wenn Sie die Girls fragen, was Sie in Ihrem Hotel hier machen?

Dass ich ein Unternehmen leite, das 40 Menschen einen Arbeitsplatz bietet, dass mir die Mitarbeiter am wichtigsten sind, dass es ihnen gut geht, dass sie verstehen, was wir hier machen. Ich bin absolut transparent. Meine Mitarbeiter sollen alle Zahlen und Strategien kennen. Ich will, dass sie gerne in die Arbeit gehen und lange bei mir bleiben. Denn ich weiß: Wenn ich einen verliere, bekomme ich den nicht wieder. Sollte für einen Hotelier nicht der Gast im Fokus stehen? Dem muss es hier bei uns natürlich gut gehen. Wir brauchen Buchungen – für Hochzeiten und Tagungen von hoher Qualität und einem Blick wie es ihn sonst nirgendwo gibt. Das Dritte, das alles zusammenbringt, ist die Wirtschaftlichkeit des Ganzen. Wie viel Geld stecke ich rein, und wie viel verdiene ich am Schluss? Wie mache ich das, dass sich das lohnt?

Wie sind Sie mit Ihrem Hotel-Betrieb durch die Krise gekommen?

Wenn man in Corona-Zeiten keine Rücklagen hat, wird es natürlich schwierig. Wir sind knapp an der Insolvenz vorbei gerutscht, haben aber zum Glück einen Kredit bekommen. Das ist auch ein Punkt, den ich den Mädchen am Girls‘ Day erklären werde: dass man als Unternehmerin immer Probleme lösen muss, die man nicht erwartet hatte. Und dass man dafür ein gutes Team braucht.

Das widerspricht dem Bild des einsamen Machers und Entscheiders.

Ja, das ist weltfremd. Es ist eben nicht so, dass ich hier die Chefin bin und alle machen, was ich sage. Ich bin auch nur ein Team-Mitglied. Ich bin froh, dass ich mit unserer Hotel-Direktorin Margarete Schultes eine zweite Stütze hier habe. Ich bin auf jedem hier im Haus angewiesen, auch auf die Azubis, damit das Geschäft rund läuft.

Ihre Branche hat das Corona-Krisenmanagement der Politik teilweise hart kritisiert. Wie haben Sie das empfunden?

Ich weigere mich, groß rumzumeckern, wenn ich weiß, dass das nichts bringt. Ich hasse Zeitverschwendung, auch weil ich weiß, dass wir nicht mehr so viel Zeit auf diesem Planeten haben. Egal ob es das Ermöglichen von Diktaturen wie unter Putin ist oder der kurzsichtige Umgang mit dem Klimawandel – man sieht doch immer wieder, wie dumm wir Menschen agieren, wie leicht wir uns manipulieren lassen. Wir sind eben teilweise „fehlprogrammiert“ – da hilft nur, das Beste draus zu machen, und die Zeit auf Erden so zu nutzen, dass man glücklich ist und gleichzeitig Dinge, die man ändern kann, vorantreibt.

Wie gehen Sie mit dieser Einsicht um?

Ich bin extrem diszipliniert, damit ich auch mal locker sein kann – um ein Buch zu lesen oder einen Film anzuschauen. Aber ich überlege mir sehr gut, mit welchen Personen ich mich umgebe, mit welchen Menschen ich etwas bespreche und wie ich mein Unternehmen leite. Ich will am Ende meines Lebens nicht zurückblicken und sagen: Mist, was habe ich alles verpasst!

Zur Person

Katja Lindo ist Geschäftsführerin des Niederpöckinger Tagungs- und Seminarhotels "La Villa" (im Bild). Sie ist Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Starnberg, Mitglied der IHK-Vollversammlung und Mitglied des IHK-Ausschusses Unternehmerinnen.