Prof. Astrid Epiney zur Alpentransitbörse: Rechtlich machbar und sehr effizient
EU-Rechtsexpertin Prof. Astrid Epiney berichtet im Interview über ihre Studie zur Einführung der Alpentransitbörse. Eine Umsetzung sei technisch und rechtlich machbar, es fehle jedoch der politische Wille.
Frau Epiney, das Modell der Alpentransitbörse erhält von der Wissenschaft viel Zuspruch. Warum hat die Politik kein Interesse?
Das müssen Sie die Politik fragen. Wir haben eine klare Rollenteilung zwischen Wissenschaft und Politik. Die Wissenschaft entwickelt Konzepte und überprüft die auch rechtliche Machbarkeit. Es ist Aufgabe der Politik, über das beste Modell zu entscheiden und das dann umzusetzen.
Nach Ansicht der bayerischen Staatsregierung widerspricht eine Alpentransitbörse dem EU-Recht. Wäre das Modell überhaupt machbar?
Was ich Ihnen sagen kann, ist, dass die Alpentransitbörse technisch umsetzbar und ökonomisch sinnvoll ist. Das haben meine Kollegen, die an der Studie beteiligt waren, in langen Beiträgen nachgewiesen. Auch rechtlich wäre die Einführung eine Alpentransitbörse realisierbar, wobei jedoch gewisse Modifikationen in der EU-Gesetzgebung und gegebenenfalls im nationalen Recht notwendig wären. Aber das wäre sehr gut machbar, und eine Alpentransitbörse stünde mit dem EU-Verfassungsrecht in Einklang.
Es fehlt offensichtlich der politische Wille, hier etwas zu tun.
Was spricht Ihrer Meinung nach für dieses Modell?
Die Grundannahme der Alpentransitbörse ist, dass wie beim Emissionshandel eine Obergrenze für den alpenquerenden Güterverkehr auf der Straße umgesetzt werden soll, was in der Schweiz übrigens verfassungsrechtlich vorgesehen ist. Man definiert eine Zahl X, die angibt, wie viele Transitfahrten über die Alpen erlaubt sind. Die Zahl darf nicht überschritten werden, weil der Verkehr dann nicht mehr als verträglich angesehen wird. Eine Alpentransitbörse ist das effizienteste Instrument, um eine solche Obergrenze umzusetzen. Das sagen die Ökonomen, die an der Studie beteiligt waren.
Wäre es nicht einfacher, stattdessen die Maut zu erhöhen?
Wir haben auch zur Maut eine Studie gemacht. Wir haben in den Alpen das Problem, dass man die Dinge bislang unkoordiniert angeht. Wenn man zum Beispiel nur am Brenner die Maut erhöht, stellt sich sofort die Frage der Verlagerung, was aber den Verkehr insgesamt nicht verringert und die Alpentransitproblematik somit nur bedingt entschärft. Eine Transitbörse setzt zugegebenermaßen viel Koordination voraus. Alle Alpenstaaten müssten dafür gemeinsam ein System entwickeln. Leichter umsetzbar wäre es, wenn die Länder alle ihre Maut erhöhen oder aber unionsrechtliche Vorgaben erarbeitet werden. Wenn das gut koordiniert ist, könnte auch das funktionieren.
Das Schweizer Verkehrsministerium hat die Transitbörse gefordert mit dem Hinweis, die Basis-Tunnel reichten nicht aus. Kommt der Befund nicht überraschend?
Nein, ich sehe das ganz genauso. Wenn man die Verkehrswege verbessert, die Transportkapazitäten erhöht und auf begleitende Maßnahmen verzichtet, schafft man mehr Nachfrage. Die Frage ist, ob diese höhere Nachfrage, also ein Mehr an Verkehr, noch verträglich ist, selbst wenn sie einen Tunnel haben. Wir sehen das auch am Gotthard, dass das irgendwann nicht mehr verträglich ist.
Befürchten Sie, dass der Gotthard an seine Belastungsgrenzen kommt?
Ja, das ist absehbar. Es entzieht sich meiner Kenntnis, wie der Brennerbasistunnel geplant und ausgelegt ist. Aber auch dort sind die Kapazitäten begrenzt.
Müsste man für eine Lösung des Transitproblems nicht auch den Pkw-Verkehr miteinbeziehen?
Selbstverständlich kann man den Privatverkehr miteinbeziehen. Wir hatten in Deutschland die Diskussion mit der Pkw-Maut. Die war an sich nicht unzulässig - nur die Kombination mit der Senkung der Kfz-Steuer war das Problem. Eine streckenabhängige Maut für Pkws, wenn sie nicht diskriminiert, ist rechtlich gut machbar und eine Idee, über die man nachdenken kann. Es ist nur die Frage, ob die Politik das will.
Klimaschutz und Nachhaltigkeit gehören heute zu Europas großen Zielen. Wäre das nicht der ideale Rahmen für die Transitbörse?
Ich halte die Transitbörse unverändert für eine gute Variante. Unsere Studie hat klar gezeigt: Wenn die Politik effektiv Güterverkehr auf die Schiene verlagern und Umweltbelastungen verringern will, wäre das ein geeignetes Modell.
Zur Person
Prof. Astrid Epiney ist Direktorin des Europainstituts der Universität Fribourg. Epiney hat im Auftrag der Europa-Region Tirol-Südtirol-Trentino die Studie erstellt „Zur Vereinbarkeit der Einführung einer Alpentransitbörse mit den Vorgaben des EU-Rechts“.