Presize GmbH

‎„Für uns läuft es ‎richtig gut“‎

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Alle sprechen über Künstliche Intelligenz, das Münchner Start-up Presize GmbH setzt die schon in eine Lösung für den Online-Handel um. Presize hat bei der diesjährigen Vergabe des Bayerischen Innovationspreises den Sonderpreis in der Kategorie „Start-up mit einem Alter von bis zu 5 Jahren“ gewonnen.

Mitgründer und Preisträger Leon Szeli sprach mit IHK-Redakteur Martin Armbruster über Geschäftsmodell, die Publicity-Wirkung von TV-Shows, den Gründerstandort München und die größte Hürde deutscher Tech-Start-ups: fehlendes Wagniskapital.

Herr Szeli, Glückwünsch zu Ihrer Auszeichnung. Gibt das Ihrem Unternehmen richtig Schub?

Wettbewerbe wie der Innovationspreis sind natürlich gut, um sichtbarer und bekannter zu werden. Man gewinnt an Kredibilität. Wir arbeiten auch mit mittelständischen Unternehmen zusammen. Die sind dann schon beeindruckt und nehmen einem anders wahr, wenn man so einen Wettbewerb gewonnen hat.

Trägt dieser Wettbewerb auch dazu bei, anschaulich zu machen, was das eigentlich heißt: Innovation?

Ja, auf alle Fälle. Die Gewinner haben alle eine stark technische Komponente. Das ist für den Otto Normalverbraucher nicht auf Anhieb leicht zu verstehen. Die Videos, in denen die Preisträger vorgestellt werden, machen das total nahbar und anschaulich. Jeder versteht, worum es geht. Das reduziert die Berührungsängste bei hochtechnologischen Themen.

Gibt es diese Ängste auch bei Unternehmern?

Natürlich. Ich kenne das Gefühl sehr gut. Wenn man zum ersten Mal mit einem Software-Entwickler spricht, hat man den Eindruck: Der redet nur Fach-Chinesisch. Wenn man sich dann mal näher mit den Themen befasst hat, kommt man auch als Fachfremder sehr schnell rein.

Das nimmt die Angst, groß zu denken

Kann der Innovationspreis zum Nachahmen motivieren?

Ich denke schon. Es bringt ja wenig, wenn unsere Maschinenbauer nur auf das schauen, was andere Maschinenbauer in Bayern machen. Es gibt doch noch andere Disziplinen. Der Wettbewerb fördert den Austausch auch unter verschiedenen Branchen. Das nimmt die Angst, groß zu denken. So wächst die Idee: Da gibt es für mich Chancen, da kann ich mitmischen.

Wie erklären Sie uns Laien, was Presize macht?

Wir verkaufen an Online-Modeshops eine Software, die ihnen hilft, ihre Retourenquote zu senken. Das machen wir, in dem wir dem Nutzer helfen, die passende Größe zu finden - bevor er zuhause bequem von der Couch aus in seinem Lieblings-Online-Shop T-Shirts und Blusen bestellt.

Ist das technisch für jeden Nutzer machbar?

Das geht ganz einfach mit dem Smartphone, mit unserer App und mit der Selfie-Kamera. Man stellt das Smartphone auf den Boden, lehnt es an die Wand. Geht ein paar Schritte zurück, dreht sich einmal um die eigene Achse. Aus diesem Video machen wir unser Body-Scanning. Das macht man nur einmal. Danach hat man für alle Marken die richtige Konfektionsgröße.

Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen?

Ein Grund war der Wille Unternehmer zu werden und technologische Innovation zu schaffen. Das war bei mir und meinen Mitgründern so. Künstliche Intelligenz und Computer Vision – das war das Umfeld, in dem wir gründen wollten.

Wie kamen Sie zum Thema Retouren im Online-Handel?

Weil das seit Jahren ein riesiges Problem ist, eine absolute Plage. In Deutschland liegt die Retourenquote bei Bekleidung bei 50 Prozent. Jeder den ich kenne, ist entweder selbst ein Sünder, der ständig Sachen zurückschickt, weil die nie passen, oder hat das Online-Shoppen ganz aufgegeben.

Die Retouren nerven alle

Gefährden die Abstinenzler nicht ihr Geschäftsmodell?

Selbst die haben dann einen Lebenspartner, die nichts anders tut, als jede Woche die Pakete von Zalando wieder neu zu verpacken und sich im Postamt in die Schlange zu stellten. Unter dem Strich sind alle genervt. Es soll Online-Shops geben, die Kunden sperren, weil die regelmäßig Ware zurück schicken. Das ist natürlich auch eine gigantische Ressourcen-Verschwendung, produziert sinnlos CO2. Wir dachten uns: So kann es nicht weitergehen.

Das leuchtet ein. Wie haben Sie die Idee dann praktisch umgesetzt?

Ich habe meine beiden Mitgründer während des Studiums am Münchner Center for Digital Technology and Management kennengelernt. Wir haben da gemeinsam in Kursen gesessen. Man bekommt dort Aufgaben von Unternehmen gestellt, für die wir digitale Prototypen entwickelt haben. Unser Unternehmen war die Hoffmann Group, Europas Marktführer im Vertrieb von Bauwerkzeugen.

Was hat das mit Kleidung zu tun?

Neben Werkzeugen verkauft Hoffmann sehr viel Berufsbekleidung. Bei Großbestellungen war das ein wahnsinniger Aufwand. Wenn etwa Siemens 100.000 neue Blaumänner für die gesamte Belegschaft geordert hat, mussten die Leute von Hoffmann jeden Siemens-Standort anfahren. Es wurde von Hand gemessen - mit Musterbekleidung oder Maßband, schriftlich die Größen notiert. Danach hat man die Anzüge verschickt. Und dann haben eben doch wieder viele nicht gepasst.

Wir wollten unternehmerisch tätig sein

Wie hat Ihr Prototyp funktioniert?

Das hat ganz gut funktioniert. Hoffmann wollte, dass wir das weiter machen. Das war die Phase, in der die ganze Sache ernster wurde. Als Studenten hatten wir Spaß an dieser technischen Bastelei. Aber jetzt waren wir alle mit dem Studium fertig und standen vor der Frage: Wie geht es weiter? Eine Angestellten-Laufbahn wollten wir nicht. Wir wollten unternehmerisch tätig sein.

In der IHK hören wir das gerne. Was war dann Ihr nächster Schritt?

Wir haben uns mit Erfolg für ein EXIST-Gründerstipendium beworben. Da hat uns das Umfeld der TU München sehr geholfen. Da sind die super stark drin. 30 Prozent aller EXIST-Förderungen laufen über die TU. Als Gründer waren wir so für ein Jahr finanziert. Und ein Budget für einen Prototypen war inkludiert. Hilfreich war auch, dass wir den Bayerischen Businessplan-Wettbewerb 2019 gewonnen haben. Da gab es 20.000 Euro. Für ein kleines Unternehmen ist das viel Geld. Auch der Freistaat hat geholfen mit der Start?Zuschuss!-Förderung.

Das Geld wird aber nicht lange gereicht haben. Technologische Start-ups brauchen viel Kapital.

Ja. Uns war schnell klar: Wir wollen den Markt schnell erobern. Mit Bankkredit und langsamen organischem Wachstum funktioniert das nicht. Zum Glück haben wir ziemlich schnell die erste Wagniskapital-Finanzierung bekommen von Plug and Play. Das ist US-Investor mit Sitz in Kalifornien, der auch in München einen Standort hat. Aktuell haben wir die zweite Finanzierungsrunde gemacht und sind auf 20 Mitarbeiter gewachsen.

Typisch für Deutschland. Wir haben wahnsinnig coole Ideen. Aber es fehlt an Kapital.

Kapital gibt es schon, nur eben nicht für hoch-technologische und riskante Sachen. Das zeigt doch auch die Geschichten mit Biontech, das mit Pfizer den Corona-Impfstoff entwickelt hat. Biontech ist in Deutschland gegründet, arbeitet mit super fundiertem Fachwissen und ist technisch hoch komplex. Das nötige Geld kommt am Ende aus den USA oder China. Nur so kann man schnell wachsen.

Es tut sich schon viel – vor allem in den Köpfen

Biontech oder das Münchner Lilium Aviation, das 230 Millionen US-Dollar eingesammelt hat, – bringen diese Erfolge mehr Schub für unsere Start-up-Szene?

Es tut sich schon viel – vor allem in den Köpfen. Ich habe einige Zeit in Stanford in der Nähe des Silicon Valleys geforscht. Da sitzen Google und Facebook. Da schauen hier alle mit Ehrfurcht darauf, dabei sind die dort auch nicht schlauer als an der TU oder an der LMU München.

Worin liegt dann der Unterschied?

Die denken dort nur größer. Und die finden immer jemanden, der ihnen Geld gibt. Aber das Denken hat sich auch bei uns verändert. Ich kenne super viele, die gründen wollen, die groß denken, die das Ziel haben, nicht nur zehn Mitarbeiter zu beschäftigen.

Wenn unsere Gründer größer denken, wo klemmt es dann?

Auf der Investorenseite. Bei Technologie-Start-ups sind in den späteren Finanzierungsrunden 100 bis 200 Millionen Euro fällig. Solche Dimensionen sind in Deutschland fast ausgeschlossen.

Wir haben in München alles, was wir brauchen

Skype-Gründer Niklas Zennström sagt, die Start-up-Szene in München sei heute spannender als das Silicon Valley. Werten Sie das als ermutigend?

Ja, total. Wir haben in München alles, was wir brauchen. Wir haben zwei Spitzen-Unis und die FH, wir haben Dax-Konzerne, wir ziehen internationale Talente an. Wir sehen das in unserem eigenen Unternehmen: Unsere Mitarbeiter kommen aus 13 verschiedenen Ländern. Wir haben eine wahnsinnig hohe Lebensqualität. Es gibt viele Gründer-Plattformen und Gründer-Initiativen wie die UnternehmerTUM in Garching. Auch die LMU und die FH haben ein Entrepreneurship-Center. Was fehlt, ist ein bisschen mehr Mut und die großen Finanzierungsrunden.

Im Unterschied zu Berlin hat der Großraum München viele gute Mittelständler, mit denen Start-ups wachsen können.

Das stimmt. Für das B2B-Geschäft ist das eine super Basis. Wenn man das alles zusammenrechnet, ist München als Gründerstandort nur ganz schwer zu schlagen.

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Alle Mitarbeiter von Presize GmbH

Mittelständler dürften doch auch Ihre Zielgruppe ein.

Den ganz großen Plattformen wie Amazon, Alibaba und Zalando tut die Retourenquote nicht ganz so weh. Die haben das von Anfang an eingeplant und profitieren von Skaleneffekten. Wenn du im Jahr um 100 Prozent wächst, juckt dich es nicht, wenn nur jedes zweite Produkt beim Kunden bleibt. Für Mittelständler können die Retouren tödlich sein. Wegen des Shutdowns machen die in Filialen kaum noch Geschäft. Die müssen im Online-Handel Gewinn erzielen.

Wie ist denn die Resonanz auf Presize? Die Online-Shops müssten Ihnen jetzt die Bude einrennen.

Die Resonanz ist mittlerweile sehr gut. Wir haben viele Anfragen. Dazu hat natürlich auch der Bayerische Innovationspreis beigetragen. Was uns jetzt im Vertrieb enorm hilft, war unser Auftritt in der TV-Show Höhle der Löwen in diesem Oktober. Wir sind da zwar mit unserer hochtechnischen KI-Lösung etwas aus dem Rahmen gefallen, aber die Jury fand das gut. Und damit erreichten wir ein Massenpublikum.

Ihr Body-Scanning müsste doch auch in anderen Bereichen als der Kleidung funktionieren.

Sicher. Da sind viele Anwendungen denkbar im Sport oder Tourismus. Wir könnten ermitteln, wie viel Beinfreiheit ein Passagier im Flugzeug braucht. Aus unseren Daten ließe sich auch ein 3-D-Modell des Nutzers für Computerspiele erstellen. Aber vorher müssen wir uns in einem Segment richtig beweisen und etablieren. Wir setzen zu 90 Prozent auf Fashion. Dazu kommen medizinische Kompressionsbekleidung, Maßkonfektionen und Berufsbekleidung.

Wir bringen dem Shop mehr Umsatz

Ab welchem Umsatz rechnet sich Ihr Service für Online-Shops?

Wenn jemand nur zehn Bestellungen am Tag hat, sind wir wahrscheinlich noch zu teuer. Grundsätzlich bepreisen wir aber so, dass sich das immer lohnt für den Kunden. Wir generieren für den Shop garantiert mehr Umsatz. Die Leute kaufen einfach mehr, wenn sich sicher sind, welche Größe sie brauchen.

Woher nehmen Sie die Gewissheit?

Im E-Commerce lässt sich das leicht über einen A/B-Test feststellen. Hiermit kann man genau herausfinden, wie sich Kennzahlen in einer Kontrollgruppe mit oder ohne Presize im gleichen Zeitraum entwickeln. Bei Presize ist der Return on Investment klar positiv.

Wie hoch ist dieses Investment?

Wir verlangen eine einmalige Integrationsgebühr und danach eine monatliche Gebühr im Monat je nachdem wie gut wir sind. Los geht es mit 1.200 Euro im Monat.

Es werden viele Kunden dazu kommen

Wie viele Kunden haben Sie schon?

Wir arbeiten bereits mit über 20 Marken zusammen. Uns gibt es ja erst seit eineinhalb Jahren. Wir arbeiten bereits mit drei Shops zusammen, die mehrere hundert Millionen Euro Umsatz machen. Solche Referenzen wie z.B. sOliver sind viel wert. Vorher hörten wir häufig: Klingt toll, was Ihr da macht, aber warum nutzt es noch keiner?

Sie wollen den Markt schnell erobern. Bedeutet das auch räumliche Expansion?

Momentan sitzen wir in München in der Nähe zum Ostbahnhof. Wir werden in München bleiben, höchstens für das Fundraising mal in andere Städte gehen. Italien und Frankreich sind als Mode-Standorte natürlich spannend. Möglich, dass wir dort mal Vertriebsstandorte aufmachen.

Hat Sie Corona in Ihrer Entwicklung behindert?

Einer unserer Mitarbeiter sitzt seit sechs Monaten in Ägypten fest, ein anderer sitzt seit vier Monaten in Kanada. Das ist nervig. Ansonsten läuft es rund. Wir haben im Juli Geld aufgenommen. Wir können uns jetzt komplett auf Produkt und Vertrieb konzentrieren. Als Unternehmer erlebt man immer sei eine Achterbahnfahrt. Es geht entweder steil rauf oder tief runter. Wir sind gerade in der Aufwärtsbewegung. Für uns läuft es richtig gut.

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