Engpässe bremsen Erholung
Nachlassende Corona-Beschränkungen haben die Stimmung in der bayerischen Wirtschaft spürbar ansteigen lassen. Die Unternehmen sind sogar besser gestimmt als vor der Corona-Pandemie. Die Nachfrage ist hoch und die Auftragsbücher sind gut gefüllt. Lieferprobleme, Materialmangel und Fachkräftemangel verhindern allerdings, dass unter Volllast produziert und die Nachfrage kurzfristig bedient werden kann.
Aussichten bleiben günstig
Die Erholung wird hierdurch signifikant gebremst. Mittelfristig bleiben die Aussichten hingegen günstig: Die Unternehmen rechnen mit einer robusten Nachfrage. Um diese bedienen zu können und den Umbau zur nachhaltigen Wirtschaft voranzutreiben, wollen sie Personal einstellen und investieren.
Der BIHK-Konjunkturindex springt im Vergleich zum Frühjahr von 114 auf 128 Punkte, dem höchsten Wert seit Jahresbeginn 2019. Die Geschäftslage, die als eine von zwei Komponenten in die Indexberechnung eingeht, steigt per Saldo kräftig von 18 auf 38 Punkte. Auch der Optimismus kehrt in die Chefetagen zurück: Die Erwartungen, die zweite Komponente, klettern auf 18 Saldenpunkte. Dies ist sogar der höchste Wert seit Frühjahr 2018.
Der Erholungspfad ist allerdings übersät mit sehr vielen Schlaglöchern, vor allem auf der Angebotsseite: Materialengpässe beeinträchtigen aktuell 59 % der Unternehmen, unter stark steigenden
Preisen für Waren und Rohstoffe leiden sogar 68 % und 56 % haben offene Stellen, die sie nicht
besetzen können. Auch die Risikobewertungen für die kommenden Monate haben sich spürbar
verschoben: Der Fachkräftemangel führt mit 63 % der Nennungen die Risikoliste an. Mit 55 % folgen die Energie- und Rohstoffpreise. Das Risiko einer abschwächenden Nachfrage nennen hingegen verhältnismäßig wenige Unternehmen.
Alle Branchen durchleben ein Wechselbad der Gefühle, allen voran die Industrie. Die Industrie, die noch im Frühjahr das Wachstum angetrieben hat, wird aktuell durch große Schwierigkeiten in der Beschaffung spürbar ausgebremst. Handel, Tourismus und Dienstleister profitieren hingegen von den seit Frühjahr gelockerten staatlichen Corona-Beschränkungen.
Angesichts der Vielzahl von Unsicherheitsherden braucht die Wirtschaft schnell eine stabile und
handlungsfähige Regierung. Der Schlüssel für den Umbau zu einer nachhaltigeren Wirtschaft sind private Investitionen, für die es bessere steuerliche Abschreibungsregeln braucht. Ferner müssen für die Wirtschaft Steuern und Abgaben auf den Strompreis gesenkt, Planungs- und Genehmigungsverfahren – insbesondere für den Ausbau der Stromnetze und erneuerbarer Energien – massiv beschleunigt und die Verwaltung digitalisiert werden. Mit Blick auf die Lieferengpässe und Preissteigerungen sollte die Politik mit wettbewerbsfähigen Standortbedingungen dazu beitragen, dass Produktionskapazitäten hierzulande aufgebaut werden, die Abhängigkeit vom Ausland reduziert und das Wachstum gestärkt wird.
Industrie
In der bayerischen Industrie ist die Geschäftslage im Vergleich zum Frühjahr gestiegen, doch Preissteigerungen (92 % werden hierdurch beeinträchtigt) und Materialknappheit (85 %) sorgen dafür, dass die Aufträge nicht unmittelbar abgearbeitet werden können.
Die Unternehmen blicken etwas vorsichtiger auf die kommenden Monate als zuletzt. Größte Sorgen bereiten ihnen die hohen Energie- und Rohstoffpreise, in denen 83 % ein Geschäftsrisiko sehen, und der Fachkräftemangel (56 %). Dennoch versuchen deutlich mehr
Unternehmen, ihren Personalbestand auszuweiten.
Dienstleistung
Im bayerischen Dienstleistungsgewerbe laufen die Geschäfte dank der Öffnungen spürbar besser als noch im Frühjahr. Der Umsatz ist in den vergangenen Monaten deutlich angestiegen.
Die Branche ist deutlich weniger von den aktuellen Lieferengpässen betroffen. Zudem hoffen die Betriebe auf einen Winter ohne Lockdown: Die Unternehmen habe ihre Geschäftserwartungen deutlich angehoben. Jedes dritte rechnet mit einer Geschäftsbelebung. Sowohl ihre Investitions- als auch Beschäftigungspläne haben die Unternehmen erhöht. Größte Sorge bereitet ihnen allerdings der Fachkräftemangel: Für fast zwei von drei Unternehmen stellt er das Geschäftsrisiko dar.
Handel
Der bayerische Einzel- und Großhandel profitiert
insgesamt von einer starken Nachfrage. Die Geschäfte laufen ähnlich gut wie vor der Pandemie. Starke Preissteigerungen beeinträchtigen allerdings bei rund drei Viertel der Befragten die Geschäfte, ähnlich viele klagen über fehlenden Nachschub. Rund jedes zweite Unternehmen kann die aktuell erhöhte Nachfrage nicht bedienen.
Dies dürften auch die Gründe sein, dass die Unternehmen nur verhalten optimistisch auf die kommenden Monate blicken. Zudem leidet mehr als jeder zweite Händler unter dem Fachkräftemangel.
Bau
Im bayerischen Baugewerbe laufen die Geschäfte weiterhin gut, auch wenn das Vor-Corona-Niveau noch nicht wieder erreicht wird. Massive Preissteigerungen bei Rohstoffen und Waren beeinträchtigen bei fast allen (91 %) die Geschäfte, 88 % werden von Materialengpässen
ausgebremst.
Die Unternehmen gehen davon aus, dass sich die Entwicklung stabilisieren wird. Allerdings gibt es erhebliche Risiken: 84 % nennen den Fachkräftemangel und 70 % die Energie- und Rohstoffpreise.
Tourismus
Die Zurücknahme der Corona-Beschränkungen hat zu einem deutlichen Stimmungsanstieg in der Tourismuswirtschaft geführt, wobei das Vor-Corona-Niveau noch in weiter Ferne liegt. Die Geschäfte werden immer noch durch Corona-Schutzauflagen und ausbleibende Kunden (vor allem im Geschäftskundenbereich) eingeschränkt.
Die Unternehmen blicken vorsichtig optimistisch auf die kommenden Monate. Sie hoffen auf einen Winter ohne Lockdown. Massive Probleme bereiten der Fachkräftemangel, 73 % sehen in ihm ein Geschäftsrisiko, die Energie- und Rohstoffpreise (57 %) und die Arbeitskosten (52 %).
Liquidität, Forderungen, Risiken
Die Liquiditätslage hat sich deutlich verbessert. Die Zurücknahme der Pandemie-Beschränkungen schlägt sich positiv in den Liquiditätsbilanzen der Unternehmen wider: 58 % schätzen sie als „gut“ ein, 33 % als „befriedigend“ und 7 % als „schlecht“. Nur noch 2 % sehen eine existenzbedrohende
Lage.
Weiterhin gibt es keine Anzeichen für eine aufkommende Insolvenzwelle. Vielmehr sehen die Unternehmen deutlich weniger Risiken, dass sie Forderungen abschreiben müssen. Während zu Jahresbeginn jedes zweite Unternehmen keine Forderungsausfälle erwartet hat, sind dies jetzt 63 %. Demgegenüber erwarten nur noch 7 % (zu Jahresbeginn 18 %) verstärkte Ausfälle in den kommenden Monaten. Nur 8 % klagen über höhere Forderungsausfälle als üblich.