IHK Position

Deutschland muss eine einheitliche Strompreiszone bleiben!

Positionen zur einheitlichen Strompreiszone in Deutschland: Logos der unterzeichnenden Organisationen

Wir befinden uns inmitten einer Transformation unseres Energiesystems. In dieser hochdynamischen Lage brauchen wir nicht zusätzliche Umbrüche, sondern stabile Rahmenbedingungen.

Die IHKs in Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz, Saarland, die Übertragungsnetzbetreiber Amprion und TransnetBW sowie der Wirtschaftsbeirat Bayern fordern die Bundesregierung auf, sich für den Erhalt einer einheitlichen Strompreiszone einzusetzen. Hierfür sollten zeitnah Gespräche geführt werden

  • mit den Ländern, um eine einheitliche Position aller deutschen Länder gegen die Aufteilung Deutschlands in zwei, drei, vier oder gar fünf Strompreiszonen zu bilden,
  • mit den Nachbarländern der Bundesrepublik und mit der EU-Kommission, um diese davon zu überzeugen, dass eine Aufteilung Deutschlands in mehrere Strompreiszonen zum Nachteil der europäischen Versorgungssicherheit und der Erreichung der EU-Klimaziele wäre und wirtschaftspolitisch nicht im Interesse Deutschlands, seiner Nachbarn und der EU insgesamt liegt.

Nach Art.14 Elektrizitätsbinnenmarkt-Verordnung der EU erstellen die Übertragungsnetzbetreiber der EU-Mitgliedstaaten einen sog. Bidding Zone Review (BZR), der klärt, inwieweit die jeweils aktuellen Strompreiszonen noch dem Gebot des Art.14 dieser Verordnung entsprechen.

Danach muss deren Zuschnitt größtmögliche wirtschaftliche Effizienz sicherstellen, in größtmöglichem Umfang zonenübergreifenden Handel ermöglichen und gleichzeitig die Versorgungssicherheit erhalten. Voraussichtlich im 4. Quartal dieses Jahres wird der nächste Bericht fertiggestellt und veröffentlicht werden. Die Methodik der Gebotszonenstudie enthält einige Schwächen, welche die Aussagekraft der Ergebnisse insgesamt einschränken. Zum Beispiel wurde der fortschreitende Netzausbau in Deutschland, aufgrund des zu untersuchenden Zieljahres 2025, aktuell nicht vollständig berücksichtigt. Bis zum Zieljahr des Berichts werden weder die fünf geplanten Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen (HGÜ) noch die im aktuellen Bundesbedarfsplan verankerten geplanten wichtigen Drehstrom-Verbindungen und Interkonnektoren in Betrieb sein können.
Daher besteht die Gefahr, dass der Bericht aufgrund einer kurzfristigen Vorausschau eine Aufteilung Deutschlands in zwei oder mehrere Strompreiszonen empfehlen wird, weil bis Ende 2025 auch weiterhin signifikante Netzengpässe bestehen werden.

Eine solche Aufteilung Deutschlands in mehrere Strompreiszonen wäre zum Nachteil der Erreichung der EU-Klimaziele. Zum Beispiel wären gebotszonenübergreifende Power Purchase Agreements (PPAs) ab operative Einführung einer Gebotszonenteilung nicht mehr ohne weiteres umsetzbar. Dies könnte dazu führen, dass die aktuell von verschiedenen großen Industriebetrieben geplanten Investitionen in erneuerbare Energieversorgung (Offshore-Windparks, Elektrolyseure) bis zur finalen Entscheidung über die mögliche Einführung von Gebotszonengrenzen verschoben oder gänzlich zurückgenommen werden.

Zudem würde eine Gebotszonenteilung die Wirtschaftskraft der gesamten deutschen und damit auch der europäischen Wirtschaft schwächen. Hinzu kommt, dass die Zonen bei einer Gebotszonentrennung voraussichtlich immer wieder angepasst werden müssten und stabile Verhältnisse im Strommarkt so auf lange Sicht nicht zu erreichen sind.

Eine Umsetzung der Aufteilung der Bundesrepublik in mehrere Strompreiszonen bedürfte eines enormen Vorbereitungs- und Realisierungsaufwands, der sich über mindestens drei bis fünf Jahre nach einem entsprechenden Beschluss hinziehen würde. Innerhalb dieser Jahre werden aber nach Aussage der zuständigen Übertragungsnetzbetreiber Amprion, TenneT, TransnetBW und 50Hertz relevante HGÜ-Vorhaben in Betrieb
genommen. Hierzu gehören der SuedOst- (Inbetriebnahme Ende 2027) und SuedLink (Inbetriebnahme Ende 2028) sowie das Projekt A-Nord/Ultranet (Inbetriebnahme 2026/2027). Zudem werden weitere wichtige Wechselstrom-Verbindungen und Interkonnektoren fertiggestellt und damit die kritisierten Engpasssituationen in Deutschland reduziert. Der Übertragungsnetzbetreiber Amprion beziffert das Einsparpotential allein durch die Inbetriebnahme von A-Nord/Ultranet auf 1 Mrd. Euro pro Jahr.

Außerdem würde bereits die Ankündigung einer solchen Aufteilung die Akzeptanz für den Übertragungsnetzausbau im ganzen Land beeinträchtigen; denn die Kritiker des Ausbaus könnten behaupten, dass die Beseitigung von Netzengpässen aufgrund des neuen Strompreiszonenzuschnitts nicht mehr notwendig oder zumindest nicht mehr ganz so dringlich sei. Der Netzausbau im Übertragungsnetz ist jedoch unabhängig vom gewählten Strompreiszonenzuschnitt von entscheidender Bedeutung für die deutsche sowie die europäische Systemstabilität und die Erreichung der nationalen wie europäischen Klimaziele. Eine Beeinträchtigung der Akzeptanz und damit Probleme bei der Realisierung dieser wichtigen Netzvorhaben
gilt es daher zu vermeiden.

Bereits die Ankündigung einer Aufteilung Deutschlands in mehrere Strompreiszonen würde aber auch die Investitionssicherheit und damit die so wichtige Investitionsbereitschaft der Industrie schwächen. Dies gilt sowohl für den konventionellen Kraftwerksbau als auch für erneuerbare Erzeuger. So würden im Norden die Anlagen Erneuerbarer Energien aufgrund des dort niedrigeren Marktpreises weniger profitabel, so dass z. B. der für die
Energiewende so wichtige Ausbau von Offshore-Windkraftwerken ins Stocken geriete. Zum anderen müsste die stromverbrauchende Industrie mit deutlich höheren Marktpreisen (Aurora Energy Research schätzt bis zu 9 €/MWh höhere Preise, vgl. Studie „Power market impact of splitting the german bidding zone“, 09/2023) zurechtkommen. Da die Strompreise in Deutschland für die Wirtschaft im internationalen Vergleich bereits zu den
höchsten weltweit gehören, wäre eine weitere Steigerung für die Wirtschaft und vor allem für deren energieintensive Industrie nicht mehr zu verkraften. Aufgrund der engen innerdeutschen wirtschaftlichen Verflechtungen würde aber keineswegs nur die süddeutsche Industrie, sondern auch die norddeutsche Wirtschaft darunter leiden. Dann würden betroffene stromintensive deutsche Unternehmen ihre Investitionen unterlassen oder aber ins europäische und außereuropäische Ausland verlegen. Vor dem Hintergrund der derzeit ohnehin gegebenen Wirtschafts- und Investitionsschwäche in Deutschland wäre ein solcher Schritt nicht nur für Deutschland, sondern - aufgrund der Bedeutung unseres Landes für die gesamte Wirtschaft der EU - auch für ganz Europa wirtschaftlich von Schaden.

Hinzu kommt die ebenfalls zu berücksichtigende Gefahr, dass die Aufteilung Deutschlands in mehrere Strompreiszonen dem deutschen Strommarkt den Vorteil seiner heute gegebenen außerordentlich hohen Liquidität nähme.

Unterzeichner:

  • Christian O. Erbe, Präsident Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag e.V.
  • Dr. Michael Alpert, Hauptgeschäftsführer Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag e.V.
  • Susanne Szczesny-Oßing, Präsidentin der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz
  • Arne Rössel, Hauptgeschäftsführer der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz
  • Dr. Hanno Dornseifer, Präsident der Industrie- und Handelskammer des Saarlandes
  • Dr. Frank Thomé, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer des Saarlandes
  • Prof. Dr. Klaus Josef Lutz, Präsident Bayerischer Industrie- und Handelskammertag e.V.
  • Dr. Manfred Gößl, Hauptgeschäftsführer Bayerischer Industrie- und Handelskammertag e.V
  • Prof. Dr. Angelika Niebler, MdEP, Präsidentin Wirtschaftsbeirat Bayern
  • Dr. Johann Schachtner, Generalsekretär, Wirtschaftsbeirat Bayern
  • Dr. Hans-Jürgen Brick, Vorsitzender der Geschäftsführung der Amprion GmbH
  • Dr. Albrecht Schleich, Vorsitzender des Ausschusses Energie- und Rohstoffpolitik Wirtschaftsbeirat Bayern
  • Dr. Werner Götz, Vorsitzender der Geschäftsführung der TransnetBW GmbH