IHK Studie

Künstliche Intelligenz - Verbreitung, Anwendungen und Hindernisse in Deutschland im europäischen Vergleich

KI Symbolbild, vernetztes Europa
© Adobe Stock © Boraryn

Das ifo-Institut hat im Auftrag der IHK für München und Oberbayern untersucht, wie verbreitet die Nutzung künstlicher Intelligenz in deutschen Unternehmen im europäischen Vergleich ist und welche Hürden sie davon abhalten, das Potential auszuschöpfen.

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KI-Nutzung: wo steht Deutschland im europäischen Vergleich?

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Abbildung 1: Ranking KI-nutzender Unternehmen im europäischen Vergleich

Der Sachverständigenrat der deutschen Wirtschaft prognostiziert für die kommenden Jahrzehnte ein Wachstumspotential von deutlich unter 1%. Hauptverantwortlich dafür ist die schrumpfende Erwerbsbevölkerung, die den Fachkräftemangel weiter verschärft und das Wirtschaftswachstum bremst (SVR, 2023). Vor diesem Hintergrund wird Künstliche Intelligenz (KI) als Hoffnungsträger angesehen, um die Produktivität durch technologischen Fortschritt zu steigern und die rückgängige demografische Entwicklung abzufedern.

Allerdings bleibt das Potenzial von KI in deutschen Unternehmen weitgehend ungenutzt. Im europäischen Vergleich befindet sich Deutschland mit insgesamt 12% KI-nutzender Unternehmen auf Platz sieben wieder. Diese Position ist zwar relativ gut, doch gibt es bei der KI-Nutzung auf europäischem Niveau insgesamt Luft nach oben. Im Spitzenreiterland Dänemark kommt bei etwas mehr als 15% der Unternehmen KI zum Einsatz. Damit liegt Deutschland leicht über dem EU-Durchschnitt von 8% und hat zwischen 2021 und 2023 einen kaum merklichen Anstieg in der KI-Nutzung verzeichnet.

Dabei zeigt sich, dass der KI-Einsatz sich je nach Unternehmensgröße und Digitalintensität der Branche unterscheidet.

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KI-Nutzung auf wenige Branchen und große Unternehmen konzentriert

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Abbildung 2: KI-Nutzung nach Unternehmensgröße

In Deutschland setzen mittlerweile über ein Drittel der Großunternehmen (+ 250 Beschäftigte) auf KI. Im Gegensatz dazu zögern kleinere Unternehmen häufiger: Nur etwa jedes zehnte kleine Unternehmen nutzt derzeit KI-Anwendungen. Diese Zurückhaltung ist oft auf mehrere Faktoren zurückzuführen.

Kleinere Unternehmen verfügen in der Regel über begrenzte finanzielle und personelle Ressourcen, die es ihnen erschweren, auf die umfassenden Datenschutzanforderungen und rechtlichen Belange einzugehen sowie in komplexe und kostenintensive Technologien zu investieren. Zudem bremst der Mangel an spezifischem Fachwissen und Know-how, die Möglichkeiten und Vorteile von KI für die eigenen Geschäftsprozesse entsprechend zu verstehen und zu nutzen.

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Einsatzgebiete von KI

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Abbildung 3: Einsatzgebiete von KI im Ländervergleich

Die Anwendung von KI konzentriert sich in Deutschland sowie im europäischen Vergleich auf einige Bereiche: Deutsche Unternehmen erkennen die Vorteile von KI insbesondere in der IKT-Sicherheit, im Marketing, der Produktion und im Controlling. In diesen Sektoren setzen sie hauptsächlich auf KI zur Text- und Datenanalyse sowie Automatisierungen durch Robotic Process Automation. Dies ermöglicht Unternehmen, große Mengen an Daten effizient zu verarbeiten, repetitive Aufgaben zu automatisieren und dadurch sowohl Zeit als auch Kosten zu sparen.

Im europäischen Vergleich haben deutsche Unternehmen besonders bei der KI-Nutzung im Marketingbereich und für innovative Lösungen Nachholbedarf. Andere europäische Länder setzen stärker auf die Verwendung von KI zur Analyse von Kundenerfahrungen, zur Automatisierung von Werbekampagnen oder zur Optimierung von Verkaufsstrategien. Auch in der Logistik wird in Deutschland das große Potenzial zur Steigerung der Effizienz noch nicht umfassend genutzt.

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KI-Entwicklung: intern oder extern?

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Abbildung 4: KI-Entwicklung nach Branchen

Europäische Unternehmen setzen in erster Linie auf kommerzielle Standardsoftware oder auf dem Markt verfügbare Lösungen von externen Anbietern.

Lediglich Großunternehmen und digital affine Firmen, vor allem aus der IKT-Branche oder dem Bereich der IKT-Dienstleistungen, verfügen über die notwendigen Ressourcen und Kompetenz für passgenaue Software. Diese Unternehmen können stärker als KMUs in die Entwicklung eigener KI-Lösungen oder in kommerzielle Software investieren, die auf ihre spezifischen Anforderungen angepasst wird und sie möglichst unabhängig von externen Anbietern macht.

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Hindernisse für die KI-Nutzung

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Abbildung 5: Hindernisse bei der KI-Nutzung

Im EU-Vergleich treffen Unternehmen branchenunabhängig auf ähnliche Hindernisse bei der Erwägung, KI-Anwendungen einzusetzen. Dabei gibt es eine zentrale gemeinsame Hürde: fehlendes Wissen (66 %). Umfangreiche, oft technische Kenntnisse werden in allen Unternehmensbereichen benötigt. Für die wirtschaftliche Zukunft ist dies über alle Hierarchieebenen hinweg notwendig. Hinzu fürchten sich Unternehmen vor zu hohen Kosten (51%), die u.a. durch eine fehlende Kompatibilität (48%) von KI-Anwendungen und den in den Unternehmen bereits integrierten IT-Lösungen entstehen.

Deutsche Unternehmen sehen fehlendes Wissen mit 72% stärker als Hindernis für die KI-Nutzung als europäische Unternehmen dies im Durchschnitt tun, gefolgt von fehlender Kompatibilität mit bereits integrierten Systemen (54%) und Fragen zur Datenverfügbarkeit (53%). Auch beim Thema Rechtsunsicherheiten (51%) und Datenschutz (48%) sorgen sich hiesige Unternehmen um fast zehn Prozent Punkte mehr als ihre europäischen Mitstreiter. Gründe für die unterschiedlichen Nennungen könnte die strenger ausgelegte DSGVO in Deutschland sein, unklare Anforderungen des AI Acts und ausstehende Haftungsregelungen.

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Konkrete Handlungsfelder für die Politik

Unternehmen in Deutschland haben erkannt, dass Künstliche Intelligenz ein Schlüsselfaktor für die Steigerung der Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit ist. Allerdings ziehen nur etwa 9 % den Einsatz von KI-Anwendungen zukünftig in Betracht. Damit liegt Deutschland leicht über dem europäischen Durchschnitt. Interessanterweise zeigt sich, dass mit einem steigenden Anteil an Unternehmen, die bereits auf KI setzen, tendenziell auch die Bereitschaft anderer Firmen wächst, diesen Schritt zu gehen. Der Erfahrungsaustausch stärkt das Vertrauen in KI und verhilft Unsicherheiten durch positive Best Practices zu verringern. Doch auch die Politik ist gefordert, Hindernisse abzubauen.

Konkret lassen sich aus der Untersuchung drei Handlungsfelder ableiten:

Erstens ist es wichtig, eine Verbesserung der digitalen und KI-Kompetenz durch Bildung und Weiterbildung zu erreichen. Hierbei geht es nicht nur um interne Weiterbildungsprogramme in Unternehmen, sondern auch um gezielte Bildungsangebote in Schulen und Hochschulen. Eine umfangreiche Vermittlung digitaler Fach- und Anwendungskompetenzen sollte in allen Lern- und Arbeitsphasen deutlich gestärkt werden, um den Anforderungen der digitalen Wirtschaft zu begegnen.

Zweitens sollten weniger finanzstarke Unternehmen hinsichtlich der Digitalisierung unterstützt werden. Oft sind es innovative Start-Ups, die KI-Technologien und Anwendungen entwickeln, die einfach und breit nutzbar sind. Die Politik sollte hier Gründungen sowie damit zusammenhängend den Wagniskapitalmarkt stärken, um die Verbreitung solcher Technologien zu fördern. Dabei geht es um ein leistungsfähiges Ökosystem, in dem KMUs und Start-Ups neben etablierten Unternehmen entstehen und wachsen können. Unterstützend braucht es unbürokratische, innovationsfreundliche Rahmenbedingungen für Gründungsprozesse und eine stärkere Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft.

Drittens gilt es, klare rechtliche Rahmenbedingungen zum Datenschutz und zur Datennutzung zu schaffen sowie die Datenverfügbarkeit zu verbessern. In diesem Zusammenhang stellen rechtliche Unsicherheiten anhand zusätzlicher Regularien eine Doppelbelastung und wachsende Herausforderung für Unternehmen dar, wie ebenfalls aus der IHK-Digitalisierungsumfrage 2023 festzustellen ist. Diese Zunahme zeigt, dass dringender Handlungsbedarf besteht, klare und verständliche Regelungen zu schaffen. Das IHK-Positionspapier zur Umsetzung des AI Acts fordert hierzu die Harmonisierung der bestehenden Regulierungen der Datenökonomie. Es ist wichtig, dass die Verpflichtungen aus dem AI Act eng mit den Standards und Verpflichtungen weiterer Regelwerke wie z.B. der DSGVO, Data Act etc. abgestimmt werden statt zunehmend Rechtsunsicherheit zu generieren.

Eine umfassend wirkende Digital- und Datenstrategie des Bundes könnte die Datennutzung und den -austausch erheblich erleichtern und so die Innovationskraft der deutschen Wirtschaft stärken.

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