Unternehmensbewertung
Der Unternehmenswert ist einer der zentralen Aspekte bei der Übergabe und Nachfolge von Unternehmen. Den absolut richtigen und objektiven Unternehmenswert gibt es nicht. Vielmehr ist – zumindest außerhalb der steuerlichen Betrachtung – der Kaufpreis das Ergebnis längerer, häufig zäher Verhandlungen zwischen Verkäufer und Käufer und die Preisfindung letztlich von Angebot und Nachfrage beeinflusst.
Inhalt
Bewertungsverfahren
Im Folgenden werden die in der Praxis wichtigsten Verfahren zur Bewertung kleiner und mittelgroßer Unternehmen in ihren Grundzügen vorgestellt: Die Multiplikatormethode, das Ertragswertverfahren sowie das Substanzwertverfahren.
Ein allgemein gültiges Verfahren gibt es nicht. In unserem Merkblatt Unternehmensbewertung finden Sie weiterführende Informationen sowie Beispielrechnungen zu den einzelnen Bewertungsverfahren. Die Industrie- und Handelskammern führen keine Unternehmensbewertungen durch. Es besteht aber die Möglichkeit, dass wir Ihnen einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen benennen.
Multiplikatorenmethode
Die Multiplikatormethode hat als Bezugsgröße
- den Umsatz oder
- das operative Betriebsergebnis (EBIT - Gewinn vor Zinsen und Ertragssteuern).
Kalkulatorische Kosten (insbesondere der kalkulatorische Unternehmerlohn) sind zu berücksichtigen.
Bei beiden Varianten wird der Durchschnitt des Umsatzes bzw. des Gewinns aus insgesamt sechs Geschäftsjahren gebildet: Aus den letzten beiden Geschäftsjahren und aus dem prognostizierten Wert des aktuellen Geschäftsjahres sowie der folgenden drei Jahre. Das Ergebnis, der sogenannte nachhaltige Umsatz bzw. der nachhaltige Gewinn, wird dann mit einem Faktor der entsprechenden Branche multipliziert.
Ertragswertverfahren
Das klassische Ertragswertverfahren ist die theoretisch korrekte und bei Rechtstreitigkeiten überwiegend anerkannte Methode. Sie berechnet die Höhe des Kaufpreises unter der Prämisse, dass der erwartete Gewinn eine angemessene Verzinsung darstellt und dass die Erträge zur Deckung aller Zins- und Tilgungszahlungen sowie zur Finanzierung neuer Investitionen ausreichen. Entscheidend ist die zukünftige Ertragskraft.
Beim Ertragswertverfahren nach Unternehmensbewertungsstandard IDW S1 wird zuerst der durchschnittliche und um verschiedene Posten bereinigte Gewinn der letzten Jahre errechnet. Basierend auf dem Betriebsergebnis der Vergangenheit werden dann die Erträge bzw. Cashflows der nächsten Jahre geplant.
Der Unternehmenswert wird durch Diskontierung der zukünftigen Überschüsse bzw. Gewinne ermittelt: Mit Hilfe der Formel der „ewigen Rente“ werden die Überschüsse über den Kapitalisierungszins abgezinst. Dieser wird durch einen Basiszinssatz zuzüglich eines Risikoaufschlags von etwa 2 % bis 20 % gebildet.
Vereinfachtes (steuerliches) Ertragswertverfahren
Mit der zum 01.01.2009 in Kraft getretenen Erbschaft- und Schenkungssteuerreform wurde die Bewertung von Unternehmensbeteiligungen neu geregelt. Für die Berechnung des Ertragswertes ist der zukünftig nachhaltig realisierbare Jahresüberschuss mit einem Kapitalisierungsfaktor
zu multiplizieren. Die Bewertungsgrundlage bildet dabei der durchschnittliche bereinigte Jahresüberschuss der letzten drei Wirtschaftsjahre.
Der Kapitalisierungsfaktor wurde ab 2016 auf 13,75 festgeschrieben.
Unternehmensbewertung mit dem KMU-Rechner
Eine valide Kaufpreisabschätzung sollte diese drei Elemente – den objektivierten Wert, die Kapitaldienstfähigkeit eines Erwerbers sowie die Gründe für einen möglichen emotionalen Discount - berücksichtigen.
Hierfür ist am EMF-Institut der HWR Berlin mit dem KMUrechner ein an der Praxis orientiertes wissenschaftliches Tool entwickelt worden. Der KMUrechner unterstützt bei der Berechnung eines individuellen Unternehmenswertes. Er ist frei zugänglich und vollständig kostenfrei. Es werden keine persönlichen Daten abgefragt, alle Eingaben sind anonym. Schon mit wenigen Angaben bekommt der User ein Ergebnis. Je detaillierter die Eingaben, desto genauer wird der Wert berechnet. Der KMUrechner verdeutlicht auch den Unterschied zwischen Wert und Preis und berechnet die Finanzierbarkeit eines Kaufpreises.
Substanzwertverfahren
Der Substanzwert bezeichnet den Betrag, den ein Käufer für die Errichtung einer „Kopie“ des Unternehmens aufwenden müsste. Die Substanzwertmethode betrachtet die Wiederbeschaffung, die Variante Liquidationswertmethode die Zerschlagung und sofortige Liquidierung eines Unternehmens.
Teilreproduktionswert
Im ersten Schritt werden die Positionen des betriebsnotwendigen Vermögens (z. B. Warenbestand, Fuhrpark, Maschinen) einzeln und entsprechend ihrer Wiederbeschaffungskosten bewertet. Von dem so ermittelten Wert sind die zu übernehmenden Schulden abzuziehen.
Vollreproduktionswert
Die Inventarliste enthält weder die immateriellen Wirtschaftsgüter (z. B. selbstgeschaffene Patente und Software) noch den Firmenwert (z. B. Kundenstamm, Lieferbeziehungen, Standort, Know-How der Mitarbeiter). Im zweiten Schritt ist daher zu überlegen, welche Aufwendungen erforderlich sind, um die entsprechenden immateriellen Wirtschaftsgüter und den Firmenwert zu rekonstruieren. Hierbei ist man auf Schätzungen angewiesen. Werden zum bereits ermittelten Teilreproduktionswert die immateriellen Werte hinzugerechnet, ergibt sich der Vollreproduktionswert.
Liquidationswert
Bei dieser Variante des Substanzwertverfahrens werden die Vermögensgegenstände laut Inventarliste nicht mit den Wiederbeschaffungskosten sondern mit den am Markt erzielbaren – teilweise deutlich niedrigeren – Verkaufspreisen bewertet. Es wird der Wert ermittelt, der bei der Zerschlagung des Unternehmens erzielt werden kann. Der Liquidationswert markiert damit die Wertuntergrenze.
Wert & Preis
Eine umfassende Analyse des Unternehmens ist Grundlage für die Berechnung des Unternehmenswertes. Unsere Merkblätter Checkliste für Übergeber und Checkliste für Nachfolger unterstützen Sie dabei.
Bei der Unternehmensanalyse sind die in der Vergangenheit erzielten Zahlen und Daten heranzuziehen und das Ergebnispotenzial der nächsten Jahre einzuschätzen, basierend auf der zukünftigen Umsatz- und Kostenstruktur, den Vermögens- und Schuldenpositionen und der Chancen und Risiken. Komplexe Einflussfaktoren und teilweise konträre Wirkmechanismen sind zu beachten, wie z. B.
- Aufbauarbeit und „Entlohnung“ des Übergebers
- Erfolgswahrscheinlichkeit einen Nachfolger zu finden
- Finanzierbarkeit des Kaufpreises durch den Käufer
- Übernommene monetäre, rechtliche und moralische Verpflichtungen
- Persönliche Faktoren von Übergeber und Übernehmer
- Branchenperspektive
- Image
Der Wert eines Unternehmens variiert aufgrund der unterschiedlichen Sichtweisen, doch Wert ist nicht gleich Preis! Beim erzielbaren Preis kann es bspw.
- bei einer familieninternen Nachfolge zu einem „Familiendiscount“ kommen,
- bei einer Übernahme des Unternehmens durch eigene Mitarbeiter (MBO) kann ein „Loyalitätsdiscount“ oder
- bei einem Börsengang (IPO) ein „Liquiditätsdiscount“ eine Rolle spielen, wogegen
- Finanzinvestoren eine „Kontrollprämie“ oder
- strategische Investoren eine „Synergieprämie“ bereit sind zu bezahlen.