Arbeitskräftemangel
Trotz schwieriger wirtschaftlicher Lage haben viele bayerische Unternehmen im Herbst 2024 Probleme bei der Stellenbesetzung: 38% können ihre Vakanzen länger als zwei Monate nicht besetzen. 52% der Unternehmen sehen im Fachkräftemangel eine Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung.
Dies sind die Ergebnisse einer bayernweiten Unternehmensbefragung im Rahmen der Konjunkturumfrage des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK) unter 3.300 Unternehmen.
Inhalt
- Die wirtschaftliche Lage spiegelt sich auch auf dem Arbeitsmarkt wider
- Welche Qualifikationsniveaus sind in Bayern gefragt?
- Das Risiko Arbeitskräftemangel in Bayern
- Geplante Maßnahmen der bayerischen Unternehmen gegen den Arbeitskräftemangel
- Das Ausmaß des Stellenbesetzungs-Problems in Oberbayern
- Welche Qualifikationsniveaus sind in Oberbayern gefragt?
- Das Risiko Arbeitskräftemangel in Oberbayern
Die wirtschaftliche Lage spiegelt sich auch auf dem Arbeitsmarkt wider
Trotz der aktuellen wirtschaftlichen Unsicherheiten bleibt das Thema Arbeitskräftemangel weiterhin relevant, auch wenn es sich in der Rangliste der Geschäftsrisiken hinter anderen Herausforderungen wie der schlechten Konjunktur einreiht. Die schwierige wirtschaftliche Lage führt vermehrt zu Einstellungsstopps, wodurch der Druck bei der Stellenbesetzung etwas abnimmt.
Eine aktuelle Unternehmensbefragung des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK) zeigt, dass dennoch weiterhin ein erheblicher Anteil bayerischer Unternehmen mit Problemen bei der Stellenbesetzung kämpft. Im Herbst 2024 berichteten 38 % der Unternehmen, dass sie offene Stellen länger als zwei Monate nicht besetzen können – ein deutlicher Rückgang gegenüber 57 % im Vorjahr. Diese Entwicklung ist vor allem auf die konjunkturelle Abkühlung und die damit sinkende Arbeitsnachfrage zurückzuführen.
Die Auswirkungen variieren jedoch zwischen den Branchen. Besonders stark betroffen bleibt das Baugewerbe, wo 54 % der Unternehmen Probleme bei der Stellenbesetzung haben. Im Tourismus liegt der Anteil bei 40 %, was einen signifikanten Rückgang zum Vorjahr darstellt. Die Dienstleistungsbranche liegt mit 39 % knapp über dem Durchschnitt, während die Industrie (34 %) und der Handel (33 %) inzwischen wieder auf einem Niveau vergleichbar mit den Pandemiezeiten sind. In der Informationswirtschaft (32 %) zeigt sich weiterhin der niedrigste Anteil an Unternehmen mit Besetzungsproblemen.
Die Baubranche sticht heraus, denn im Gegensatz zu anderen Wirtschaftszweigen, bei denen der Personalabbau eine große Rolle spielt, überwiegt dort der Arbeitskräftemangel als Grund für die Probleme weiterhin. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass der Mangel an Arbeitskräften durch die schwache Konjunktur in einigen Branchen vorübergehend in den Hintergrund gerückt ist, langfristig jedoch auf Grund des demografischen Wandels weiterhin ein wichtiges Thema bleibt.
Welche Qualifikationsniveaus sind in Bayern gefragt?
Über alle Qualifikationsniveaus hinweg werden 2024 Arbeitskräfte in Bayern dringend gesucht. Im Schnitt gibt knapp die Hälfte der Unternehmen an, vergeblich nach einer Arbeitskraft mit dualer Berufsausbildung (46 %) oder mit Fachwirt-, Meister- oder einem anderen Weiterbildungsabschluss (46 %) zu suchen. Aber auch die Besetzung von Stellen für Auszubildende (46 %) und Arbeitskräfte mit (Fach-)Hochschulabschluss (38 %) erweist sich über alle Branchen hinweg als problematisch. Zudem sucht mehr als jedes vierte Unternehmen (28 %) nach Hilfspersonal ohne abgeschlossene Berufsausbildung.
Dabei lassen sich in den Branchen unterschiedliche Bedarfslagen beobachten: Während in der Informationswirtschaft überwiegend Mitarbeiter/-innen mit (Fach-)Hochschulabschluss gefragt sind (69 %), werden in der Tourismuswirtschaft auch Helfer ohne qualifizierte Berufsausbildung dringend gesucht (49 %). Der Handel (55 %), das Baugewerbe (52 %) und die Industrie (52 %) haben es überdurchschnittlich schwer genügend passende Auszubildende einzustellen.
Das Risiko Arbeitskräftemangel in Bayern
Insgesamt ist die Einschätzung des Arbeitskräftemangels als Geschäftsrisiko für die kommenden 12 Monaten über alle Branchen hinweg zurückgegangen: Nur noch 52 % der bayerischen Betriebe sehen aktuell darin eine Gefahr für ihre wirtschaftliche Entwicklung. Ein Rückgang um 9 % im Vergleich zum Vorjahr.
Zwar sehen mit 62 % immer noch ca. zwei Drittel der im Tourismus tätigen Unternehmen im Herbst 2024 im Arbeitskräftemangel ein Risiko und sind damit am stärksten alarmiert, allerdings sieht man hier auch den größten Rückgang zu 2023, als dies noch 77 % der Firmen beschäftigte. Das Baugewerbe (61 %) ist insofern die Ausnahme, als dort fehlende Arbeitskräfte beinahe unverändert als ein Entwicklungshemmnis betrachtet werden. Auch bei den Dienstleistungsbetrieben (56 %), in der Industrie (44 %), der Informationswirtschaft (46 %) sowie im Handel (45 %) befürchten viele der befragten Unternehmen eine wirtschaftliche Beeinträchtigung durch den Arbeitskräftemangel.
Während Kleinstbetriebe (32 %) den Arbeitskräftemangel nicht überwiegend als ihr Hauptrisiko ansehen, steigt diese Einschätzung mit zunehmender Angestelltenzahl. Von den Betrieben mit 50-200 Angestellten bedeutet der Arbeitskräftemangel für 60 % in Zukunft ein wirtschaftliches Problem.Während Kleinstbetriebe (36 %) den Arbeitskräftemangel nicht überwiegend als ihr Hauptrisiko ansehen, steigt diese Einschätzung mit zunehmender Angestelltenzahl. Von den Betrieben mit 200-500 Angestellten bedeutet der Arbeitskräftemangel für 79 % in Zukunft ein wirtschaftliches Problem.
Geplante Maßnahmen der bayerischen Unternehmen gegen den Arbeitskräftemangel
Die bayerischen Unternehmen greifen auf verschiedene Maßnahmen zurück, um Probleme bei der Stellenbesetzung zu reduzieren.
Im Schnitt wollen 52 % aller befragten Unternehmen zu diesem Zweck ihre Arbeitgeberattraktivität verbessern, 41 % setzen auf mehr Ausbildung und 39 % möchten
dem Arbeitskräftemangel durch Investitionen in technische Lösungen entgegenwirken.
Zudem stellen für bayerische Unternehmen die Erleichterung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf (38 %), die Stärkung der Mitarbeiterkompetenz für Digitalisierung und Strukturwandel (38 %), mehr Weiterbildung (37 %) sowie die Einstellung von Arbeitskräften aus dem Ausland (35 %) oder von älteren Beschäftigten (33 %) weitere wichtige Maßnahmen gegen den Arbeitskräftemangel dar.
Die Einstellung von Arbeitskräften aus dem Ausland spielt vor allem für die Tourismuswirtschaft (57 %) sowie das Baugewerbe (46 %) eine große Rolle. Technische Lösungen als Ersatz für Arbeitskräfte kommen dagegen insbesondere in der Industrie (51 %) in Frage. Diese will (49 %) wie das Baugewerbe (48 %) und der Handel (47 %) außerdem zukünftig mehr auf die eigene Ausbildung setzten.
Die Aufschlüsselung nach Betriebsgrößen lässt interessante Beobachtungen zu: große Unternehmen nutzen ihre Ressourcen und versuchen tendenziell auf vielen Wegen dem Problem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken. Kleinere Unternehmen setzen bei den Maßnahmen verhältnismäßig mehr auf die Integration älterer Beschäftigter als mittelgroße. Ein umgekehrter Trend lässt sich bei der Stärkung digitaler Kompetenzen erkennen. So sagen beispielsweise nur 24 % der Kleinstunternehmen mit unter fünf Angestellten, dass sie ihre Mitarbeiter/-innen in der Digitalisierung stärken wollen, wohingegen 58 % der Großunternehmen mit 500-999 Angestellten diese Maßnahme ergreifen wollen. Die Steigerung der Arbeitgeberattraktivität und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind Mittel, die als Reaktion auf die Probleme bei der Stellbesetzung durchweg eingesetzt werden.
Das Ausmaß des Stellenbesetzungs-Problems in Oberbayern ist branchenabhängig
Die wirtschaftlichen Höhen und Tiefen spiegeln sich auch auf der regionalen oberbayerischen Ebene wider. Branchenübergreifend lässt sich ein Rückgang der Probleme bei der Stellenbesetzung beobachten, was wohl eher auf die Unsicherheit der Unternehmen hindeutet, statt auf eine Entspannung des oberbayerischen Arbeitskräftemangels. Durchschnittlich gibt im Herbst 2024 dennoch mehr als jeder dritte Betrieb an Probleme bei der Stellenbesetzung zu haben.
Alle Branchen in Oberbayern haben 2024 weniger Probleme im Vergleich mit dem vergangenen Jahr. Am herausragendsten sind die Veränderungen in der Tourismusbranche, wo es ein Minus um 27 % innerhalb des letzten Jahres gab. Allein die Baubranche sticht in Oberbayern aus dem Trend heraus. Dort hält sich das Problem auf hohem Niveau (57 %).
Welche Qualifikationsniveaus sind in Oberbayern gefragt?
In Oberbayern wird 2024 branchenübergreifend Personal mit unterschiedlichen Qualifikationsniveaus gesucht. Die meisten Ausbildungen sind ähnlich stark gefragt, wobei der Bedarf an Auszubildenden (38 %) und Hilfspersonal ohne Berufsausbildung (29 %) geringer ausfällt. Die Zahlen zeigen, dass oberbayerische Unternehmen tendenziell stärker auf höher qualifizierte Arbeitskräfte angewiesen sind als im bayerischen Landesdurchschnitt.
Es lassen sich bezüglich der Qualifikationsniveaus viele Ähnlichkeiten zum bayerischen Trend beobachten. Auffällig ist dennoch: Im Sektor der Informationswirtschaft suchen 86 % der befragten Unternehmen vergeblich nach Arbeitskräften mit (Fach-)Hochschulabschluss und keines nach Hilfskräften ohne Ausbildung – ein deutliches Zeichen für den hohen Bedarf an spezialisierten Fachkräften. Im Handel hingegen werden vor allem Arbeitskräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung dringend benötigt (54 %), während der Bedarf an Hochschulabsolventinnen und -absolventen mit 17 % deutlich geringer ist.
Das Risiko Arbeitskräftemangel in Oberbayern
Im oberbayerischen Vergleich wird das Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung durch den Arbeitskräftemangel ähnlich stark eingeschätzt wie in Gesamtbayern. Die Tourismusbranche (70 %) ist noch stärker betroffen in Oberbayern, dafür sieht die Industrie (37 %) etwas weniger Probleme als im bayerischen Durchschnitt. Die Unternehmen der Informationswirtschaft ragen in diesem Jahr in Oberbayern heraus, da sie bei der Einschätzung des Risikos im Vergleich zum Vorjahr als einzige pessimistischer eingestellt sind.
Geografisch betrachtet wird der Arbeitskräftemangel weiterhin regionsübergreifend als Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung wahrgenommen, wenngleich die Bedeutung im Vergleich zum Vorjahr spürbar abgenommen hat. Das Oberland sticht mit 47 % der Unternehmen, die den Arbeitskräftemangel als Risiko sehen, leicht aus dem oberbayerischen Durchschnitt (52 %) hervor.