ifo-Studie: Kompetenzen in der Arbeitswelt
Welche Kompetenzen und Fähigkeiten sind am oberbayerischen Arbeitsmarkt gefragt? Welche regionalen Unterschiede bestehen? Welche Trends und Entwicklungen zeichnen sich ab? Und wie ändert die Digitalisierung das von Unternehmen nachgefragte Fähigkeitsprofil?
Im Auftrag der IHK für München und Oberbayern ging das ifo Institut diesen Fragen mit einer Auswertung von 1,8 Millionen Online-Stellenanzeigen in der Zeitspanne von 2019 bis 2022 nach.
Inhalt
Stellenanzeigen in Oberbayern
Die Verteilung der Online-Stellenanzeigen (vgl. Abb. 1) spiegelt die Wirtschaftsstruktur in München und Oberbayern gut wider.
Die Landeshauptstadt München dominiert mit einer überragenden Zahl an ausgeschriebenen Stellenanzeigen, während auf die ländlicher geprägten Kreise nur verhältnismäßig wenige Stellen entfallen.
In München allein wurden im Laufe des Jahres 2021 knapp 300.000 Online-Stellen geschaltet - das sind selbst zehnmal so viele wie in Ingolstadt. Im Landkreis München waren es knapp 60.000.
Dagegen ist die Zahl der Stellenanzeigen in Regionen wie etwa Pfaffenhofen, Altötting oder Mühldorf mit jeweils weniger als 5.000 Online-Stellenanzeigen relativ gering.
Stellenanzeigen und regionale Branchenstruktur
Auch die lokale Branchenstruktur spiegelt sich in der Auswertung wider (vgl. Abb. 2).
So ist die Stadt München geprägt von Dienstleistungsunternehmen, allen voran in der Information und Kommunikation. Auch Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsdienstleistungen sowie Banken und Versicherungen sind in München-Stadt – im Vergleich zu den anderen Kreisen – überrepräsentiert.
Mittlere Städte und deren Umland bieten dagegen gute Bedingungen für Industrieproduktion oder auch Logistik. Beispiele hierfür sind allen voran Ingolstadt, wo die Automobilindustrie hervorsticht, Landsberg am Lech, das für mittelständische Unternehmen der Kunststoffindustrie interessant ist sowie Freising, wo die Nähe zum Flughafen die Logistikbranche anzieht.
Dagegen ist im Landkreis Garmisch-Partenkirchen, dem Raum in und um die Kurstadt Bad Tölz und im Berchtesgadener Land das Hotel- und Gastgewerbe wichtiger als in anderen Kreisen. Der Groß- und Einzelhandel gehört dagegen zu den Basisbranchen in allen Kreisen.
Stellenanzeigen im Zeitverlauf
Auffällig im Zeitverlauf ist insbesondere das starke Wachstum der Stellenanzeigen für Software-Entwickler (vgl. Abb. 3).
Von den in der Studie ausführlich untersuchten Berufen vereinen sie nicht nur mit Abstand die meisten Stellenanzeigen auf sich, sie sind auch im Vergleich zu anderen Berufen über die Zeit außerordentlich stark gewachsen.
Ebenfalls zu den fünf am meisten nachgefragten Berufen zählen Einzelhandelskaufleute, ingenieurtechnische Fachkräfte, Helferberufe im Bereich Transport und Logistik, sowie IKT-Techniker.
Welche Kompetenzen sind gefragt?
Für jede Art von Tätigkeit ist eine Mischung aus unterschiedlichen Fähigkeiten gefragt.
Die Studie unterscheidet dabei zwischen (berufsspezifischem) Fachwissen, allgemeineren Fertigkeiten, die wiederum erlauben, das Fachwissen in einer bestimmten Situation anzuwenden sowie sprachlichen Fähigkeiten.
Fertigkeiten nehmen in Stellenanzeigen mittlerweile eine bedeutende Rolle ein: über alle untersuchten Stellenanzeigen hinweg machen diese einen Anteil von 60 % an allen gesuchten Kompetenzen aus - gegenüber 30 % Fachwissen. Die restlichen 10 % entfallen auf sprachliche Fähigkeiten.
Zwischen den einzelnen Berufen gibt es dabei jedoch deutliche Unterschiede (vgl. Abb. 4). So nimmt das Fachwissen in akademischen Berufen und bei Spezialisten (beides dunklere Rottöne) einen weit höheren Stellenwert ein, als dies im Großen und Ganzen für Fachkräfte und Hilfskräfte (hellere Rottöne) der Fall ist.
Die Top Fertigkeiten ziehen sich durch fast alle Berufe
Die Abbildung links stellt die 20 Fertigkeiten dar, die von Unternehmen am häufigsten nachgefragt werden. Diese kommen in teilweise bis zu 80 % der Stellenanzeigen (Anpassung, Flexibilität) vor. Wie die Abbildung zeigt, handelt es sich v.a. um übertragbare (transversale) Fähigkeiten, also generelle Fähigkeiten, die in einer Vielzahl an unterschiedlichen Tätigkeiten eingesetzt werden können.
Transversale Fertigkeiten sind in einer sich stetig wandelnden Arbeitswelt unabdingbar, denn sie ermöglichen es Personen, leichter zwischen Tätigkeiten, Positionen oder Berufen zu wechseln und sich damit in einem Umfeld von sich kontinuierlich und rasant verändernden Bedingungen besser zurecht zu finden.
Die Top-Fertigkeiten finden sich dabei über eine Vielzahl von Berufen wieder. Auch bei Software-Entwicklern (vgl. Abb. 6) etwa reicht es nicht aus, sich mit Computern im Allgemeinen und Programmiersprachen im Besonderen auszukennen.
Wer in diesem Beruf erfolgreich sein will, muss zusätzlich ein hohes Maß an Flexibilität, Problemlösekompetenz und Kreativität mitbringen und sich in einem Team wohlfühlen. Er oder sie muss ebenso Kenntnisse im Bereich Wirtschaft und Recht mitbringen.
Digitale Kompetenzen in München und Oberbayern
Insgesamt sind die in den untersuchten Stellenanzeigen geforderten Digitalkompetenzen in eher ländlich und touristisch geprägten Landkreisen niedriger als in städtischen Kreisen sowie dem direkten Umland von München (vgl. Abb. 7).
Ein besonders hoher Anteil an technischen Digitalfähigkeiten zeigt sich in den Kreisen Weilheim-Schongau und in Ingolstadt. Bei Letzterem spielen die lokale Automobilindustrie und ihre Zulieferer für die hohe Nachfrage nach technischen Digitalfähigkeiten eine Rolle.
In den Städten München, Landsberg, Dachau und Rosenheim sind die Digitalanteile ebenfalls etwas höher. Besonders geringe Digitalanteile zeigen sich in Garmisch-Partenkirchen, Pfaffenhofen an der Ilm und im Berchtesgadener Land.
Nachfrage digitaler Kompetenzen nach Branchen
Betrachtet man die Verteilung der Digitalfähigkeiten nach Wirtschaftszweigen (vgl. Abb. 8), wird deutlich, dass in der Gastronomie und der Lagerei die digitalen Fähigkeiten die geringsten Anteile aufweisen. Technische Digitalfähigkeiten werden erwartungsgemäß am häufigsten im Bereich der IT-Dienstleistungen sowie der Telekommunikation nachgefragt.
Interessant ist der hohe Anteil gesuchter digitaler Fähigkeiten in der Automobilbranche. Sie liegt mit der Telekommunikation fast gleichauf. Trends wie die Elektromobilität, Konnektivität und digitale Dienstleistungen rund um das Fahrzeug haben die Nachfrage nach technischen Digitalfähigkeiten in den letzten Jahren in der Automobilbranche enorm gesteigert.
Digitale Kompetenzen im Zeitverlauf
Besonders digitale Fähigkeiten sind einem schnellen Wandel unterworfen. Technische Innovationen, neue Arbeitsweisen und Geschäftsmodelle verändern die Nachfrage nach digitalen Fähigkeiten kontinuierlich.
Um die Veränderungen von Digitalfähigkeiten in München und Oberbayern aufzuzeigen, wurden die 20 häufigsten vertieften Digitalfähigkeiten aus dem ersten Halbjahr 2022 mit denen des Jahres 2019 verglichen (vgl. Abb. 9).
Insgesamt gewannen die meisten der Top 20 Fähigkeiten an Bedeutung. Besonders stark war das Wachstum bei den betrieblichen IKT-Systemen und den Hardware-Testmethoden. Dies spricht für eine zunehmende Digitalisierung unternehmensinterner Prozesse, die durch die Pandemie einen besonderen Schub erhalten hat.
Ebenfalls an Bedeutung gewonnen haben Fähigkeiten im Bereich der Web-Programmierung und Creative Suite Software, die bei der Erstellung digitaler Inhalte beispielsweise im Marketing eine anhaltend große Rolle spielen.
Neuere Trends bei digitalen Fähigkeiten
Um die aktuellsten Entwicklungen abbilden zu können, wurden auch die noch nicht in der von der Studie verwendeten ESCO-Klassifizierung eingeordneten digitalen Fähigkeiten aufbereitet.
Hierfür wurden die in Frage kommenden digitalen Fähigkeiten mit Schlüsselwörtern von Plattformen wie GitHub oder Stackoverflow abgeglichen und als sogenannte Stack-Fähigkeiten hinterlegt.
2022 gehörten „Analytics“, „Linux“ und „Agile“ zu den am häufigsten gesuchten Stack-Fähigkeiten. Eine ähnliche Verteilung ergab sich bereits 2019, wobei ein Großteil der Top Stacks-Fähigkeiten gegenüber 2019 zugenommen hat. Das stärkste Wachstum wiesen die Fähigkeiten „Analytics“, „Agile“ und „Azure“ auf. „Web Services“ und „Ubuntu“ haben hingegen an Bedeutung verloren.
Insgesamt deutet die Auswertung der Stack-Fähigkeiten darauf hin, dass Fähigkeiten der Analyse großer Datenmengen sowie agile Methoden der Softwareentwicklung in Unternehmen in Oberbayern (weiter) an Bedeutung gewinnen. Hierbei scheinen auch vermehrt Open-Source-Anwendungen eine Rolle zu spielen.