Produkthaftung - wen betrifft es und was ist zu beachten?
Ein Produkt ist fehlerhaft, der Nutzer kommt zu Schaden. Wie haften Hersteller und Händler? Was ist zu beachten? Wie kann man sich absichern?
Inhalt
- Neue EU-Richtlinie zur Produkthaftung: Das müssen Unternehmen wissen
- Produkthaftung: Worum geht es?
- Schadensersatz: Wer haftet - Hersteller, Importeur, Händler oder wer?
- Wann liegt ein Fehler vor, der eine Haftung auslöst?
- Keine Haftung trotz Produktfehler
- Produkthaftung für Onlinehändler?
- Welche Rolle spielen Gebrauchsanweisung und Produktbeschreibung?
- IHK-Tipps: So vermeiden Sie Fehler und unnötige Risiken
- Wie hoch ist die Haftung und lässt sie sich beschränken?
- Wie lange wird gehaftet?
- Produkthaftung: Welche Versicherung ist dafür geeignet?
Neue EU-Richtlinie zur Produkthaftung
Das müssen Unternehmen wissen:
Die neue EU-Produkthaftungsrichtlinie ist seit dem 8. Dezember 2024 in Kraft und muss bis spätestens 9. Dezember 2026 in nationales Recht umgesetzt werden. Ziel der Richtlinie ist es, die Produktsicherheit in einer digitalisierten Welt zu erhöhen. Sie bringt weitreichende Änderungen für Unternehmen mit sich, insbesondere in Bezug auf den Kreis der Haftenden, die Erweiterung der Produktgruppen und neue prozessuale Anforderungen.
Wichtige Änderungen im Überblick
1. Erweiterter Kreis der Haftenden
Unternehmen, die bisher nicht typischerweise haftbar waren, können künftig in die Produkthaftung einbezogen werden. Dazu zählen:
- Hersteller, die Produkte wiederaufbereiten,
- Bevollmächtigte des Herstellers,
- Fulfillment-Dienstleister,
- Betreiber von Online-Verkaufsplattformen.
2. Erweiterung des Produktbegriffs
Der Fehlerbegriff wurde angepasst, um den Anforderungen digitaler und technologischer Innovationen gerecht zu werden.
Die Produkthaftung gilt nun uneingeschränkt für Software, smarte Produkte, KI-Systeme sowie Hard- und Softwarekombinationen.
3. Unbegrenzte Haftungssumme
Der Selbstbehalt des Geschädigten in Höhe von 500 € und die Begrenzung der Haftungssumme auf 85 Millionen Euro fallen ersatzlos weg.
4. Neue Offenlegungspflichten
Alle Unternehmen müssen im Rahmen von Haftungsprozessen Geschäftsunterlagen wie Konstruktionsunterlagen oder Erkenntnisse aus der Produktbeobachtung offenlegen.
Eine Nichtbefolgung dieser Pflicht kann zu einem Prozessverlust führen, da eine Quasi-Beweislastumkehr eingeführt wird.
Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?
Unternehmen sollten sich auf folgende Maßnahmen konzentrieren:
- Compliance-Systeme anpassen
- Überprüfen Sie Ihre internen Abläufe und Risikomanagementsysteme.
- Passen Sie Ihre Entwicklungs- und Dokumentationsprozesse an, um Beweis- und Offenlegungspflichten rechtzeitig erfüllen zu können.
- Risikomanagement stärken
- Implementieren Sie Mechanismen, um Haftungsrisiken zu minimieren.
- Schulen Sie Ihre Teams, um die neuen Anforderungen sicher umzusetzen.
- Frühzeitig agieren
- Bereiten Sie sich jetzt auf die neuen Regelungen vor, um zukünftige Haftungsansprüche erfolgreich abwehren zu können.
Besonders betroffen sind:
- Medizintechnik-Unternehmen
- Start-ups im Bereich Digital Health
- Anbieter von KI-Systemen
Für diese Unternehmen sind die rechtlichen und prozessualen Anforderungen besonders relevant. Frühzeitige Maßnahmen können hier entscheidend sein, um rechtliche Risiken zu minimieren und wettbewerbsfähig zu bleiben.
Produkthaftung - worum geht es?
Bis die neue EU-Richtlinie zur Produkthaftung vom Bundesgesetzgeber umgesetzt ist, gilt weiter das deutsche Produkthaftungsgesetz, voraussichtlich bis Ende 2026.
Was regelt das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG)?
Wird ein fehlerhaftes Produkt hergestellt, das einen Menschen tötet oder verletzt oder wird eine Sache beschädigt, haftet der Hersteller des fehlerhaften Produkts und muss dem Geschädigten den Schaden ersetzen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Hersteller den Produktfehler verschuldet hat oder nicht. Da die Haftung unabhängig vom Verschulden des Herstellers eintritt, spricht man von der sogenannten Gefährdungshaftung.
Verursacht das fehlerhafte Produkt einen Schaden an einer anderen Sache, liegt ein Sachschaden vor. Für solche Sachschäden haftet der Hersteller aber nur, wenn die beschädigte Sache üblicherweise dem privaten Gebrauch oder privaten Verbrauch dient und auch hauptsächlich so verwendet wird. Der Sachschaden im Sinne des Produkthaftungsgesetzes ist nicht zu verwechseln mit dem Schaden am fehlerhaften Produkt selbst. Für Schäden am Produkt selbst haftet der Hersteller zusätzlich nach der Mängelhaftung im Kaufrecht. Erfahren Sie dazu mehr im IHK Ratgeber Kaufrecht. Mit Sachschäden im Sinne der Produkthaftung sind nur solche Schäden gemeint, die an anderen Sachen und nicht an der Sache selbst entstehen.
Von der strengen Haftung kann sich der Hersteller befreien, wenn er die im Gesetz vorgesehenen Entlastungsgründe beweisen kann. Gelingt ihm das, dann gilt: Keine Haftung trotz Produktfehler.
Was ist ein Produkt nach dem ProdHaftG?
Produkt ist jede bewegliche Sache die auf den Markt gebracht wird. Keine beweglichen Sachen sind Grundstücke oder darauf errichtete Gebäude. Werden bewegliche Sachen, wie z.B. Baumaterialen in ein Gebäude eingebracht, so behalten sie gleichwohl ihre Produkteigenschaft auch wenn sie dann Teil einer unbeweglichen Sache sind. Das Produkthaftungsgesetz gilt ausdrücklich nicht für Arzneimittel.
Wer haftet?
- Jeder Hersteller eines Produktes haftet für die Fehler des Produkts. Hersteller ist dabei nicht nur der eigentliche Produzent der Ware, sondern auch der Hersteller eines Teilprodukts, das noch in ein anderes Produkt eingebaut wird.
- Auch der Importeur der Ware und
- derjenige, der sein Logo oder seine eigene Marke am Produkt des Herstellers anbringt (sogenannter Quasi-Hersteller) fallen unter den Begriff des Herstellers.
- Selbst der Händler kann zur Haftung herangezogen werden, wenn der Hersteller nicht festgestellt werden kann oder wenn der Händler nicht innerhalb eines Monats den Hersteller bzw. den Herstellerlieferanten benennen kann.
Sind für den denselben Schaden mehrere zum Schadensersatz verpflichtet, z.B. Hersteller und Importeur, dann haften sie als Gesamtschuldner. Der Geschädigte kann wählen, wem gegenüber er seinen Schaden geltend macht. Zudem kann er von jedem Einzelnen seinen gesamten Schaden ersetzt verlangen, insgesamt natürlich nur einmal. Haften zum Beispiel der Hersteller und der Importeur, kann der Geschädigte wählen, ob er seine Ansprüche beim Hersteller oder beim Importeur geltend macht. Der Geschädigte wird sich in der Regel denjenigen aussuchen, der wirtschaftlich dazu am ehesten in der Lage ist. Derjenige, der vom Geschädigten in Anspruch genommen wurde, kann wiederum vom anderen Ersatz verlangen. Bei internationalen Lieferketten kann es für den Importeur durchaus schwierig werden, seine Ansprüche gegen einen ausländischen Hersteller durchzusetzen.
Kein Hersteller ist dagegen ein Dienstleister, der im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen fehlerhafte Produkte verwendet. Der Dienstleister ist nur der Verwender eines Produkts und deshalb kein Beteiligter der Herstellungs- und Vertriebskette.
Was ist das Besondere am ProdHaftG?
Für die Produkthaftung zählt nicht, ob der Hersteller den Fehler verschuldet hat oder nicht. Man spricht deshalb von einer Gefährdungshaftung. Jeder Hersteller haftet unabhängig vom eigenen Verschulden für die Gefahren, die von seinem Produkt ausgehen. Der Hersteller haftet auch für sogenannte Ausreißer. Sind bei der Fertigung alle anderen Produkte fehlerfrei nur das eine - der Ausreißer - nicht, haftet der Hersteller gleichwohl für den Schaden.
Schadensersatz: Wer haftet - Hersteller, Importeur, Händler oder wer?
Jeder Hersteller eines Produktes haftet für die Fehler des Produkts. Hersteller ist dabei nicht nur der eigentliche Produzent der Ware, sondern auch der Hersteller eines Teilprodukts, das noch in ein anderes Produkt eingebaut wird. Auch der Importeur der Ware und derjenige, der sein Logo oder seine eigene Marke am Produkt des Herstellers anbringt (sogenannter Quasi-Hersteller) fallen unter den Begriff des Herstellers. Selbst der Händler kann zur Haftung herangezogen werden, wenn der Hersteller nicht festgestellt werden kann oder wenn der Händler nicht innerhalb eines Monats seinen Hersteller bzw. den Herstellerlieferanten benennen kann. Deshalb sind Händler gut beraten, Herstellerdaten zu listen.
Hersteller im Sinne des Gesetzes ist:
- wer industriell oder handwerklich ein Produkt (Endprodukt, Grundstoff oder Teilprodukt) tatsächlich geschaffen hat oder
- wer sich als solcher ausgibt, indem er seinen Namen, seine Marke oder ein anderes Kennzeichen an dem Produkt anbringt (sogenannter „Quasi-Hersteller“) oder
- wer ein Produkt im Rahmen seiner geschäftlichen Tätigkeit in den Europäischen Wirtschaftsraum einführt mit dem Zweck, das Produkt zu verkaufen, zu vermieten, zu verleasen oder sonst mit wirtschaftlichem Zweck zu vertreiben (Importeur) oder
- jeder Lieferant oder Händler, wenn der Hersteller nicht festgestellt werden kann. Diese Haftung kann nur ausgeschlossen werden, wenn der Lieferant oder der Händler dem Geschädigten den eigentlichen Hersteller oder seinen Vorlieferanten innerhalb eines Monats benennt.
Kein Hersteller in diesem Sinne ist dagegen der Dienstleister. Der Dienstleister ist allenfalls Verwender eines fehlerhaften Produkts, nicht aber Beteiligter der Herstellungs- und Vertriebskette.
Wer muss was beweisen?
Der Geschädigte muss gegenüber dem Hersteller beweisen, dass
- ein Produktfehler im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produkts vorliegt,
- ein Schaden eingetreten ist und
- das fehlerhafte Produkt den Schaden verursacht hat.
Der Hersteller muss alle Umstände beweisen, die seine Haftung ausschließen können. Das ProdHaftG sieht fünf Konstellationen vor, bei denen der Hersteller trotz Schaden nicht haftet.
Wann liegt ein Fehler vor, der eine Haftung auslöst?
Ein Produkt hat einen Fehler im Sinne des ProdHaftG, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die Kunden, unter Berücksichtigung aller Umstände, berechtigterweise erwarten dürfen. Entscheidend sind die fehlende Sicherheit eines Produktes und die allgemein gültigen Sicherheitserwartungen der Konsumenten. Fehler bedeutet nicht das Gleiche wie im vertraglichen Mängelrecht, wo es um die mangelnde Vertragsbeschaffenheit oder die Gebrauchstauglichkeit des Produkts geht.
Der Fehlerbegriff der Produkthaftung bezweckt,
- den Kunden in seiner körperlichen Unversehrtheit
- und in seinem privat genutzten Eigentum zu schützen.
Der rechtlich gebotene Sicherheitsstandard für ein Produkt ist abhängig von der Größe der Gefahr, das heißt der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, sowie von der Höhe des erwarteten Schadens, vom Rang des betroffenen Rechtsguts und von der Intensität der Beeinträchtigung. Dem Hersteller ist grundsätzlich ein höherer Aufwand zumutbar, um Personenschäden zu vermeiden als zur Vermeidung von Sach- und Vermögensschäden. So hat der Bundesgerichtshof die Haftung eines Bäckers verneint, dessen Kunde durch einen Kirschkern im Gebäck einen Zahnschaden erlitten hat - Schäden am Gebiss gelten als Sachschaden.
Ist das Produkt für Endverbraucher bestimmt, muss es den Sicherheitsanforderungen für durchschnittliche Konsumenten genügen. Eignet sich das Produkt für verschieden Nutzergruppen, hat sich der Sicherheitsstandard an der schwächsten Nutzergruppe zu orientieren. Auch welcher Preis für das Produkt verlangt wird, kann sich auf die Erwartung an die Sicherheit auswirken. Beim mit Abstand billigsten Produkt kann nicht die größte Sicherheit verlangt werden. Eine gewisse Basissicherheit muss allerdings in jedem Fall eingehalten werden.
Die Fehlerhaftigkeit eines Produktes, wird insbesondere anhand folgender Kriterien ermittelt:
- Darbietung des Produkts:
Das sind alle Tätigkeiten durch die das Produkt der Allgemeinheit oder dem speziellen Nutzer vorgestellt wird, z.B. die Produktbeschreibung, die Gebrauchsanweisung, die äußere Gestaltung des Produkts oder auch dessen Bewerbung. Die Fehlerhaftigkeit kann darin bestehen, dass tatsächlich bestehende Sicherheitsrisiken verschwiegen oder verharmlost werden. Deshalb kann allein durch eine unzulängliche Aufklärung eine Haftung entstehen. - Gebrauch des Produkts, mit dem billigerweise gerechnet werden kann:
Darunter fällt neben dem bestimmungsgemäßen Gebrauch auch der vorhersehbare oder übliche Fehlgebrauch. Zum Beispiel ist bei Kinderspielzeug vorhersehbar, dass Kinder damit nicht nur spielen, sondern es auch in den Mund nehmen. Für einen missbräuchlichen Gebrauch, der unter den betreffenden Umständen als unvernünftig gelten muss, haftet der Hersteller in der Regel jedoch nicht. Auch ist der Hersteller nicht verpflichtet Warnhinweise zu geben, wenn das Produkt offensichtlich bzw. allgemein bekannt gefährlich ist, wie das zum Beispiel bei Alkohol, Tabak oder Süßigkeiten (bezüglich Diabetesrisiko) der Fall ist. - Zeitpunkt des Inverkehrbringens:
Entscheidend für die Beurteilung, ob die Erwartungen an die Sicherheit eingehalten sind oder nicht, ist der Zeitpunkt, in dem das Produkt in den Verkehr gebracht wurde. Spätere Weiterentwicklungen des Produktes spielen insoweit keine Rolle. Deshalb gilt: Ein Produkt, das einmal fehlerfrei in den Verkehr gebracht wurde, kann nicht nachträglich fehlerhaft werden. Dennoch bleibt der Hersteller verpflichtet, seine Produkte neueren Sicherheitsstandards anzupassen. Erfahren Sie mehr im IHK Ratgeber Produktsicherheit. Gegebenenfalls erfordern neue Sicherhaitsstandards zusätzliche Aufklärungs- und Rückrufpflichten.
Für die Produkthaftung gibt es folgende Fehlerkategorien:
- Fabrikationsfehler:
Das Produkt weicht von den Standardvorgaben der Produktserie ab. Bei Vorliegen eines Fabrikationsfehlers muss der Hersteller fast immer haften. Hier zeigt sich die Schärfe der verschuldensunabhängigen Haftung nach dem ProdHaftG. - Konstruktionsfehler:
Bei Konstruktionsfehlern kommt es darauf an, ob es im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produkts eine alternative Konstruktionsmöglichkeit gab, die den Schadenseintritt verhindert hätte. Ist das zu bejahen, ist zusätzlich eine Kosten/Nutzen-Abwägung vorzunehmen. Hätte sich der eingetretene Schaden durch eine andere Art der Konstruktion vermeiden lassen und wären die dafür erforderlichen Kosten aber im Vergleich zur Schadensvermeidung außer Verhältnis hoch gewesen, kann eine Haftung ausscheiden. Zur Vermeidung von Personenschäden ist grundsätzlich ein höherer Aufwand zumutbar als für die Vermeidung von Sach- und Vermögensschäden. Hätte ein Produkt aufgrund seines hohen Gefährdungspotentials allerdings gar nicht auf den Markt gebracht werden dürfen, haftet der Hersteller. - Instruktionsfehler:
Ein Instruktionsfehler liegt vor, wenn der Verbraucher nicht oder unzureichend über die Art und Weise der Verwendung und die hiermit verbundenen Gefahren aufgeklärt wird. Deshalb sollten Hersteller deutliche, verständliche und richtige Gebrauchsanweisungen geben. Der Hersteller muss vor einem vorhersehbaren Fehlgebrauch warnen, nicht jedoch vor einem bloßen Gefahrenverdacht.
Sind die Sicherheitserwartungen der Verbraucher bei einem Produkt besonders hoch und hat dieses Produkt eine Person verletzt, muss der Fehler nicht bei jedem einzelnen Produkt festgestellt werden. Es genügt, wenn der Fehler bei einem Produkt aus der Serie nachgewiesen wird. Der Europäische Gerichtshof hat dies insbesondere für medizinische Geräte wie Herzschrittmacher oder Defibrillatoren bejaht.
Ob ein Produkt einen Fehler im Sinne des ProdHaftG aufweist oder nicht, muss im Einzelfall geprüft werden und wird häufig erst in einem Rechtsstreit durch Gutachter geklärt. Die IHK München und Oberbayern hilft Ihnen, Sachverständige zu finden.
Keine Haftung trotz Produktfehler
Wann haften Hersteller, Importeure oder Quasi-Hersteller nicht, obwohl das Produkt einen Fehler hat und ein Verbraucher zu Schaden gekommen ist?
Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn das Produkt nur deshalb fehlerhaft ist, weil sich die Regeln zum Stand der Technik geändert haben, nachdem es auf den Markt gebracht wurde. Es gibt aber noch weitere Umstände, bei denen eine Haftung ausgeschlossen ist. Dies ist der Fall, wenn:
- Hersteller, Importeur oder Quasi-Hersteller das Produkt nicht selbst in den Verkehr gebracht haben, sondern z.B. ein unbefugter Dritter,
- das Produkt den Fehler bei Inverkehrbringen noch nicht hatte,
- das Produkt gar nicht zum Vertrieb mit wirtschaftlicher Zielsetzung hergestellt und auch nicht im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit hergestellt oder vertrieben wurde,
- das Produkt nur fehlerhaft ist, weil es entsprechend zwingender gesetzlicher Vorschriften produziert wurde oder
- der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik einfach noch nicht zu erkennen war.
Hat ein Zulieferer ein fehlerfreies Teilprodukt geliefert und ist der Fehler erst durch die Herstellung des Endprodukts entstanden, haftet der Zulieferer des Teilproduktes nicht für den Schaden. Es haftet allein der Hersteller des Endproduktes.
Aber Achtung: Hersteller, Importeure oder Quasi-Hersteller müssen alle Umstände beweisen, die einen Haftungsausschluss begründen können. Das trifft auch die Hersteller eines Teilprodukts.
Produkthaftung für Onlinehändler?
Auch Onlinehändler haften dem Verbraucher für Produktschäden, wenn sie die im Onlineshop angebotenen Waren selbst produzieren.
Aber nicht nur der Produzent gilt als Hersteller nach dem ProdHaftG. Auch solche Onlinehändler haften, die auf einem Produkt ihre Marke, ihren Unternehmensnamen oder andere Kennzeichen anbringen, die mit ihrem Unternehmen in Verbindung gebracht werden. Sie haften dann als Quasi-Hersteller.
Verkauft ein Onlinehändler importierte Ware über seinen Shop, haftet er als Importeur für solche Schäden, die durch ein fehlerhaftes Produkt verursacht werden. Betreiber von Webshops sollten deshalb solche Produkte auf die erforderliche Sicherheit testen und dafür Sorge tragen, dass die entsprechende CE-Kennzeichnung vorliegt.
Informieren Sie sich über Verbraucherschutz- und Sicherheitsstandards und erfahren Sie mehr über die CE-Kennzeichnung von Produkten.
Welche Rolle spielen Gebrauchsanweisung und Produktbeschreibung?
Missachtet ein Verbraucher Warnhinweise in der Gebrauchsanweisung, kann dies ein Mitverschulden begründen. Hat der geschädigte Verbraucher die Hinweise nicht beachtet, mindert das die Haftung des Herstellers. Ist das Verschulden des Verbrauchers höher zu bewerten als das des Herstellers, kann dies sogar zu einem völligen Ausschluss der Herstellerhaftung führen. Deshalb sollten Gebrauchsanweisungen gewissenhaft erstellt werden. Das setzt zunächst eine Analyse der Gefährdungspotenziale eines Produkts voraus. Da sich Produktbeschreibungen und mögliche Warnhinweise an Verbraucher richten, sollten sie gut sichtbar, einfach und leicht verständlich gestaltet werden.
IHK-Tipps: So vermeiden Sie Fehler und unnötige Risiken
Tipps für Hersteller von Produkten oder Teilprodukten zur Reduzierung von Fehlern:
- Bei der Produktplanung ist die Sicherheit der künftigen Verwender einzubeziehen. Gesetzliche Zulassungsvoraussetzungen sind zu klären.
- Gefährdungspotenziale sollten ermittelt und für die Gebrauchsanweisung formuliert werden.
- Bei der Konstruktion sollten die allgemein anerkannten Regeln der Technik ermittelt und beachtet werden. Gegebenenfalls ist eine Veränderung der Konstruktion zu prüfen, um das Produktrisiko zu begrenzen.
- Die Verpackung eines Produkts ist sorgfältig zu planen. Sie ist Teil des Produkts und kann eine Haftung auslösen.
- Die Gebrauchsanweisung ist übersichtlich und leicht verständlich zu formulieren und mit erforderlichen Warnhinweisen zu versehen. Bei Bedarf kann die Aufnahme von Warnhinweisen auf dem Produkt, sogenannte Piktogramme, erforderlich sein.
- In der Fabrikationsphase sind ständige Qualitätskontrollen beim Produkt und den Zulieferprodukten ratsam.
- Die Warenendkontrolle sollte organisiert werden. Qualitätssichernde Maßnahmen sollten stets nachvollziehbar dokumentiert sein.
- Die sachgerechte Lagerung sollte gewährleistet sein, um Schäden am Produkt zu vermeiden.
- Eine regelmäßige Produktbeobachtung und deren Dokumentation ist ratsam. Dabei sind die Erfahrungen aus der Anwendung des Produkts zu sammeln, auszuwerten und die gebotenen Konsequenzen für den Konstruktions- und Instruktionsbereich für die zukünftige Produktion zu ziehen. Entwicklungen der Wissenschaft und Technik sollten beobachtet werden.
- Eventuell erforderliche Nachrüstungen des Produkts sind einzuplanen. Bei drohender schwerwiegender Gefahr besteht Pflicht zur Warnung der Nutzer vor Produktgefahren.
- Bei Produkten mit hohem Schadenspotential ist im Bedarfsfall ein Rückrufmanagement-System vorzubereiten und einzuführen.
- Sorgen Sie gegebenenfalls für ausreichenden Versicherungsschutz und prüfen Sie, ob die Deckungssumme und der Gegenstand einer schon bestehenden Produkt- oder Betriebshaftpflicht dem zu erwartenden Haftungsrisiko gerecht werden.
- Tipps für Importeure:
Machen Sie dem ausländischen Hersteller oder Vorlieferanten hinsichtlich notwendiger Sicherheitsvorkehrungen konkrete Vorgaben. Prüfen Sie die Importware auf die vom inländischen Verwender erwartete Sicherheit. Im Vertrag mit dem ausländischen Hersteller ist eine Vereinbarung zur Qualitätssicherung und zur Kostenübernahme im Haftungsfall zu empfehlen. Der Prüfumfang bei der Wareneingangskontrolle ist abhängig von den Vereinbarungen mit dem Hersteller. Hat dieser die Quaitätssicherung übernommen, muss der Importeur die Ware nur auf offensichtliche Mängel prüfen. Eine sachgerechte Lagerung der Ware ist zu gewährleisten. Hat der Importeur die Ware bei einem ausländischen Hersteller bezogen und stellt sich nach dem Inverkehrbringen des Produkts heraus, dass von diesem Gefahr für Leib und Leben droht, muss der Importeur die Nutzer vor dieser Gefahr warnen. Das zu erwartende Haftungsrisiko sollte über eine Produkt- oder Betriebshaftpflichtversicherung abgedeckt werden.
- Tipps für Quasi-Hersteller:
Vom Hersteller sollten Dokumentationen über Sicherheitsprüfungen und Qualitätskontrollen verlangt werden. Neben den Regelungen zur Qualitätskontrolle ist im Vertrag mit dem Hersteller eine Vereinbarung zur Kostenübernahme im Haftungsfall zu empfehlen. Zusätzlich sollten nachweisbare eigene Wareneingangskontrollen erfolgen. Der Prüfaufwand hängt von den vertraglichen Vereinbarungen zur Qualitätskontrolle mit dem Hersteller ab. Hat der Hersteller sich zur Übernahme der Qualitätskontrolle verpflichtet, kann sich die Prüfung auf offensichtliche Mängel beschränken. Hat der Quasi-Hersteller das Produkt vom ausländischen Hersteller bezogen, muss auch er die Konsumenten warnen, wenn sich herausstellt, dass vom Produkt eine Gefahr für Leib und Leben ausgeht. Das zu erwartende Haftungsrisiko sollte über eine Produkt- oder Betriebshaftpflichtversicherung abgedeckt werden.
Behalten Sie den Überblick mit der Checkliste der IHK München und Oberbayern: Produkthaftung begrenzen.
Wie hoch ist die Haftung und lässt sie sich beschränken?
Gibt es einen Haftungshöchstbetrag?
Wenn ein Produkt mehrere Personenschäden verursacht, beträgt die Haftungshöchstsumme insgesamt 85 Millionen Euro. Dem Geschädigten steht bei Körper- und Gesundheitsschäden ein Schmerzensgeldanspruch zu. Bei Sachschäden setzt das Gesetz keine Obergrenze fest. Der Geschädigte hat insoweit aber den Schaden bis zu 500 Euro selbst zu tragen.
Kann die Ersatzpflicht im Voraus vertraglich ausgeschlossen oder beschränkt werden?
Nein. Solche Vereinbarungen sind grundsätzlich nichtig.
Aber: Nach Eintritt des Schadensfalls kann mit dem Geschädigten ein Verzicht oder eine Beschränkung der Ersatzpflicht vereinbart werden, z.B. mit einer Abfindung oder einem Vergleich.
Kann sich die Haftung des Herstellers vermindern?
Ja, wenn den Geschädigten ein Mitverschulden am Schaden trifft. Dagegen ist das Mitverschulden eines Dritten nicht geeignet, die Haftung des Herstellers zu mindern.
Tipp: Warnhinweise in der Gebrauchsanweisung oder auf dem Produkt können ein Mitverschulden des Verbrauchers begründen, wenn er die Hinweise nicht beachtet, und damit die Haftung des Herstellers vermindern. Die Gebrauchsanweisung und Warnhinweise sollten sich am Gebrauchs- und Erwartungshorizont des potenziellen Verwenders ausrichten. Sie sollten gut sichtbar, einfach und verständlich gestaltet werden.
Wie lange wird gehaftet?
Die Ansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz verjähren grundsätzlich drei Jahre nach der möglichen Kenntnis des Geschädigten von dem Schaden, dem Fehler des Produkts und der Person des Ersatzpflichtigen. Der Anspruch erlischt endgültig 10 Jahre nach Inverkehrbringen des schadenauslösenden fehlerhaften Produkts.
Ausnahmsweise erlischt der Anspruch nicht nach 10 Jahren, wenn:
- Rechtsstreit oder Mahnverfahren bereits anhängig sind;
- der Anspruch rechtskräftig festgestellt ist;
- ein Vollstreckungstitel vorliegt;
- der Anspruch Gegenstand eines außergerichtlichen Vergleichs ist oder durch rechtsgeschäftliche Erklärung anerkannt wurde.
Produkthaftung: Welche Versicherung ist dafür geeignet?
Jeder, der als möglicher Haftender für ein Produkt in Betracht kommt, sollte seinen Versicherungsschutz dahingehend überprüfen, ob die Deckungssumme und der Gegenstand der Produkt- oder Betriebshaftpflicht dem bestehenden Haftungsrisiko gerecht werden. Erfahren Sie mehr im IHK Ratgeber zum betrieblichen Versicherungsschutz.
Tipps zur Risikobegrenzung:
- Importeure sollten mit dem ausländischen Hersteller nachweisbar vereinbaren, dass dieser im Haftungsfalle das gesamte Kostenrisiko übernimmt .
- Quasi-Hersteller sollten überprüfen, ob ein Fremdprodukt wirklich als eigene Marke oder mit eigener Kennzeichnung vertrieben werden soll.
- Hersteller und Quasi-Hersteller sollten bei der Vertragsgestaltung mit dem Zulieferer, Importeur oder gewerblichen Abnehmer darauf achten, das Haftungsrisiko sowie die Kontroll- und Prüfpflichten angemessen zu verteilen.
- Händler sollten keine Produkte verkaufen, deren Hersteller ihnen nicht bekannt ist und deren Herkunft sie nicht nachweisen können.
Die Checkliste der IHK München und Oberbayern zur Produkthaftung hilft Ihnen das Risiko zu begrenzen.