IHK Ratgeber

Materialpreiserhöhungen und Lieferengpässe wegen des Ukrainekriegs: Das können Sie tun

verzweifelter geschäftsmann wegen preissteigerung
© Andrea Piacquadio von Pexels

In vielen Branchen steigen die Preise, das Material ist knapp und es drohen Lieferengpässe. Grund dafür ist häufig der Krieg in der Ukraine, aber auch die Corona-Pandemie. Wie sollten Unternehmen hierauf reagieren und wie kann ein fairer Interessenausgleich geschaffen werden?

Inhalt

Preisanpassung vor Vertragsschluss

Grundsätzlich ist der Unternehmer an sein Vertragsangebot gebunden, mit der Folge, dass er nur den angebotenen Preis an den Unternehmer berechnen kann. Das Risiko einer Preissteigerung trägt er allein.

Unternehmer können dieses Risiko mit Vertragsklauseln begrenzen, die aber den Anforderungen des Preisklauselgesetzes und dem AGB-Recht genügen müssen. Folgende Formulierungen sind möglich:

  • kurzfristige Preisanpassungen vorbehalten“ oder
  • „Angebote freibleibend“ oder
  • Anpassung an eine wöchentliche oder monatlich aktualisierte Preisliste oder
  • Angebote mit einer Bindefrist versehen.

Angebote mit Bindefrist

Werden Angebote mit einer Bindefrist versehen, ist der Unternehmer nur dann an sein Angebot gebunden ist, wenn der Auftraggeber innerhalb der Bindefrist das Angebot annimmt.

IHK-TIPP:

  • Je kürzer die Bindefrist, desto geringer ist das Risiko die Preissteigerung tragen zu müssen.
  • Mit dem jeweiligen Lieferanten feste Einkaufspreise für die Dauer der Bindefrist vereinbaren.

Freibleibende Angebote

Neben einer Bindefrist kann der Unternehmer sein Angebot gegenüber dem Auftraggeber auch „freibleibend“ abgeben. Solche Angebote sind dann unverbindlich. Trotz der Annahmeerklärung des Auftraggebers hat es jetzt der Unternehmer in der Hand, das Zustandekommen des Vertrages zu verhindern bzw. den Preis anzupassen.

IHK-TIPP:

Bei freibleibenden Angeboten immer sofort auf die Annahmeerklärung des Auftraggebers reagieren.

Vereinbarungen mit Preisanpassungs- oder Preisgleitklauseln

Viele Unternehmer verwenden Preisanpassungs- oder Preisgleitklauseln. Die Gerichte bezeichnen diese Klauseln auch als Preisvorbehaltsklauseln. Solche Klauseln lösen eine automatische prozentuale Anpassung der aktuellen Lieferpreise, oft in Verbindung mit einem konkreten Preisindex, aus. Die Erhöhung/Verminderung kann als direkte Preisanpassung entsprechend einem Index oder in Koppelung an einen Schwellenwert gestaltet werden.

Eine denkbare Formulierung für Bauverträge wäre zum Beispiel: „Erhöhen oder vermindern sich nach Vertragsschluss die aufgeführten Einkaufspreise für Baumaterial zum Zeitpunkt der Beschaffung nach dem unten aufgeführten Preisindex um mehr als 20 Prozent, sind die Einheitspreise der betroffenen Positionen auf Verlangen einer Vertragspartei, um diesen Prozentsatz anzupassen.“

Es gilt zu beachten:

  • Eine eindeutige Grundlage für die Beurteilung der Ausgangspreise muss vorliegen und
  • die Klausel muss klar und verständlich sein, da die Gerichte hohe Anforderungen an die Zulässigkeit und Ausgestaltung solcher Klauseln stellen und
  • der Nachweis für die Preisänderung muss von der Partei geführt werden, die die Anpassung verlangt.

Change Order Klauseln

Die Vertragsparteien können auch sogenannte Change Order Klauseln vereinbaren. Damit wird von Anfang an ein bestimmtes Ablaufverfahren bei einer eventuellen Preisanpassung vereinbart. Ziel solcher Klauseln ist nicht die einseitige Preisanpassung, sondern eine gemeinsame Abstimmung über den neuen Preis. Sie sind bei Lieferverträgen mit Montageverpflichtung oder bei komplexen und zeitaufwändigen Projekten zu empfehlen.

Change Order Klausel beinhalten:

Alternativ können mit dem Vertragspartner individuelle Vereinbarungen getroffen werden, die auf die jeweiligen Umstände angepasst sind.

Wichtig: Eigene Formulierungen klar und vorhersehbar formulieren. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass die Klausel intransparent und damit unwirksam ist. Wir empfehlen, einen Rechtsanwalt bei der vertraglichen Gestaltung einzubeziehen.

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Preisanpassung bei laufenden Verträgen

Für bereits abgeschlossene Verträge gilt der Grundsatz, dass Verträge bindend sind. Das bedeutet, dass der Unternehmer nachträglich keine Preisanpassung verlangen kann oder wegen der gestiegenen Materialpreise den Vertrag kündigen könnte. Gleichwohl sind Preisverhandlungen möglich und beiden Seiten auch zu empfehlen, wenn sich die Umstände überraschend und dramatisch ändern. Hierauf besteht jedoch kein Rechtsanspruch.

Allerdings muss der Unternehmer nicht jede Preissteigerung allein tragen. Wird eine gewisse Opfergrenze erreicht, kann sich der Unternehmer ausnahmsweise auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen, § 313 Bürgerliches Gesetzbuch und eine Preisanpassung verlangen. Haben sich nach Vertragsschluss wesentliche Umstände, die einem Vertrag zugrunde liegen, schwerwiegend geändert, und hätte die Vertragsparteien den Vertrag so nicht geschlossen, wenn sie diese Umstände vorhergesehen hätten, so kann eine Anpassung des Vertrages von der Partei gefordert werden, der ein Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Wann eine solche Unzumutbarkeit vorliegt, hängt immer vom Einzelfall ab. Hierbei wird das Vertragsverhältnis insgesamt betrachtet. Abzuwägen sind z.B.:

  • Vorhersehbarleit und Ursache der Preisentwicklung
  • vertragliche Risiken,
  • Aufwand für mögliche Risikovermeidung etc.

IHK-TIPP:

Wir empfehlen zumindest bei wichtigen und langfristig laufenden Verträgen eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen.

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Lieferengpässe

Auch bei Lieferengpässen gilt zunächst, dass der Unternehmer an die vertragliche Vereinbarung gebunden ist. Kann er die Waren nicht wie üblich von seinem Lieferanten beziehen, muss er sich die Ware anderweitig beschaffen, auch wenn damit Preissteigerungen verbunden sind.

Machen Auftraggeber wegen Lieferverzögerungen Schadensersatzansprüche geltend, haftet der Unternehmer aber nur dann, wenn er die Verzögerung zu vertreten hat.

IHK-TIPP

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