EU-Mehrwertsteuerreform: VAT in the Digital Age (ViDA) - Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter
Das Maßnahmenpaket "VAT in the Digital Age (ViDA) - Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter" soll die Frage beantworten, wie das europäische Mehrwertsteuersystem an Entwicklungen - insbesondere im digitalen Bereich - angepasst werden kann. Es enthält Lösungsansätze, um die Betrugssicherheit des Mehrwertsteuersystems zu verbessern, u. a. die Einführung eines elektronischen Meldesystems mit verpflichtenden elektronischen Rechnungen (E-Invoicing). Die EU-Mitgliedstaaten haben sich nach knapp zweijähriger Diskussion auf politischer Ebene über entsprechende Maßnahmen geeinigt.
Welche EU-Richtlinien- und Verordnungsentwürfe gibt es?
Was soll ViDA regeln?
Das Maßnahmen-Paket regelt im Wesentlichen drei Bereiche:
- Die Einführung eines digitalen Reportings von Einzeltransaktionen in Echtzeit auf Basis einer verpflichtenden elektronischen Rechnungsstellung für Unternehmen, die in der EU grenzüberschreitend tätig sind, bei gleichzeitiger stärkerer Harmonisierung des Rechtsrahmens für nationale Transaktionen („Digitale Meldesysteme/E-Rechnung“),
- die Besteuerung von Online-Plattformen, die die kurzzeitige Vermietung von Übernachtungsmöglichkeiten oder die Erbringung von Personenbeförderungsleistungen unterstützen („Plattformwirtschaft“) und
- die weitere Vermeidung mehrfacher MwSt-Registrierungen von Steuerpflichtigen in den Mitgliedstaaten („einzige MwSt-Registrierung“).
Ecofin-Rat erzielte am 5. November 2024 Einigung über ViDA
Am 5. November 2024 hat der Ecofin-Rat auf politischer Ebene eine Einigung über das Paket "Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter" nach knapp zweijähriger Diskussion erzielt.
Stufenweise bis 2030/2035 sollen demnach u.a. folgende Maßnahmen in Kraft treten:
- Elektronische Berichterstattung – Digital Reporting Requirements (DRRs): Zum 1. Juli 2030 soll die E-Rechnungspflicht und ein Meldesystem für grenzüberschreitende innergemeinschaftliche Umsätze zwischen Unternehmen (B2B) eingeführt werden. Gleichzeitig soll die „Zusammenfassende Meldung (ZM)“ entfallen. Elektronische Rechnungen (E-Rechnungen) müssen künftig in einem strukturierten elektronischen Format erstellt werden, das grundsätzlich der CEN Norm EN 16931 entsprechen muss; andere elektronische Rechnungsstandards können unter bestimmten Voraussetzungen von den Mitgliedstaaten zugelassen werden. Verpflichtende E-Rechnungen müssen innerhalb von 10 Tagen ab Lieferung/Leistung gestellt werden. Mitgliedstaaten, die bereits eine E-Rechnungspflicht, ggf. zusammen mit einem Meldesystem, eingeführt haben, müssen ihre Systeme bis spätestens 1. Juli 2035 an die Formatvorgaben des EU-Rechts anpassen.
- Besteuerung von Plattformen: Zum 1. Juli 2028 sollen elektronische Schnittstellen (Internet-Plattformen) in bestimmten Fällen zur Umsatzsteuer herangezogen werden, wenn über die Plattform Leistungen im Bereich Personenbeförderung oder eine kurzfristige Vermietung von Übernachtungsmöglichkeiten (maximal 30 Nächte) erbracht werden. Nachdem die politische Einigung zum ViDA-Vorschlag zweimal an Vorbehalten Estlands scheiterte, wurde den Mitgliedstaaten für die Besteuerung der Plattformen eine so genannte opt-out-Klausel für Kleinunternehmer eingeräumt. Damit können die Mitgliedstaaten selbst entscheiden, ob auch Kleinunternehmer unter die Regelung fallen sollen.
- Einmalige MwSt-Registrierung: Zum 1. Juli 2028 tritt ein neuer One-Stop-Shop (OSS) für innergemeinschaftliches Verbringen in Kraft. In diesem Zusammenhang wird das Auslaufen der Konsignationslagerregelung zum 1. Juli 2029 festgelegt; spätestens bis 30. Juni 2028 dürfen daher noch Waren in ein Konsignationslager geliefert werden. Der OSS ermöglicht es EU-weit tätigen Unternehmen, ihre Erklärungs- und Zahlungsverpflichtungen zentral in Deutschland über das Bundeszentralamt für Steuern zu erfüllen. Sie müssen sich dann nicht in allen Mitgliedstaaten registrieren, in denen sie Umsätze machen. Registrierungen in anderen Mitgliedstaaten sollen auch dadurch reduziert werden, dass die Mitgliedstaaten zur Anwendung des Art. 194 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) verpflichtet werden. Künftig soll die Steuerschuld immer dann zwingend auf den Erwerber übergehen, wenn der leistende Unternehmer im Land der Besteuerung weder ansässig noch für Mehrwertsteuerzwecke registriert ist und der Erwerber der Leistung seinerseits aber in diesem Mitgliedstaat mindestens registriert ist. Auch diese Änderung soll zum 1. Juli 2028 in Kraft treten.
Folgende geänderte Entwürfe lagen hier zu Grunde:
- Entwurf einer Richtlinie des Rates in Bezug auf die Mehrwertsteuervorschriften für das digitale Zeitalter – Allgemeine Ausrichtung
- Entwurf einer Verordnung des Rates in Bezug auf die für das digitale Zeitalter erforderlichen Regelungen für die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer – Politische Einigung
- Entwurf einer Durchführungsverordnung des Rates in Bezug auf die Informationsanforderungen für bestimmte Mehrwertsteuerregelungen – Politische Einigung
Hinweis: Da sich gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag vom Dezember 2022 erhebliche Änderungen ergeben haben, soll das EU-Parlament (EP) nochmals dazu gehört werden. Mit dem endgültigen Beschluss durch die Mitgliedstaaten wird im Frühjahr 2025 gerechnet.
Was war bisher geschehen?
Die EU-Kommission hatte bereits am 8. Dezember 2022 den Richtlinienvorschlag „VAT in the Digital Age“ (Mehrwertsteuer im Digitalen Zeitalter) veröffentlicht.
Am 14. Mai 2024 tagte der ECOFIN-Rat um das Paket zu verabschieden. Es wurde keine Einigung über ViDA erzielt. Dem Vernehmen nach hatte Estland aufgrund der Plattformregelungen nicht zugestimmt. Ein zweiter Anlauf erfolgte am 21. Juni 2024 unter belgischer Ratspräsidentschaft. Es konnte wieder zu ViDA keine politische Einigung erzielt werden. Der Richtlinienvorschlag wurde daher an die ungarische Ratspräsidentschaft übergeben. Allerdings waren Änderungen zur Entwurfsfassung durch ein am 8. Mai 2024 veröffentlichtes Ratspapier vorgesehen.
Wie sahen die ursprünglichen Regelungen zum ViDA-Paket aus?
Das so genannte ViDA-Paket umfasste ursprünglich
- den Richtlinienvorschlag zur Änderung der MwSt-Systemrichtlinie 2006/112/EG in Bezug auf die MwSt-Vorschriften für das digitale Zeitalter– MwStSystRL-E
- den Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung über Administrative Zusammenarbeit VO (EU) 904/2010 – AdmZVO-E und
- den Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Änderung der Durchführungsverordnung zur MwStSystRL VO (EU) 282/2011 (MwStVO).
Die geplanten Änderungen sollten ursprünglich in vier Stufen jeweils zum 1. Januar 2024, 2025, 2026 und 2028 in Kraft treten.
Am 24. Oktober 2023 hatten die Abgeordneten des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON) des Europäischen Parlaments ihre Stellungnahme (TOP 18) zum Gesetzgebungsvorschlag der Kommission im Bereich Mehrwertsteuer "VAT in the Digital Age" (ViDA) verabschiedet. Endgültig abgestimmt wurde in der Plenarsitzung des Europäischen Parlaments am 22. November 2023. Der Bericht, der die Novellierung der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie betraf, unterstützte den Kommissionsvorschlag in wesentlichen Punkten, allerdings wurden auch verschiedene Änderungen vorgeschlagen.
Welche Auswirkungen hat das auf Deutschland?
Nationales E-Rechnungsvorhaben
Deutschland hat imWachstumschancengesetz (veröffentlicht am 27. März 2024 im BGBl.) den verpflichtenden Empfang der E-Rechnung innerhalb Deutschlands für B2B-Umsätze ab 1. Januar 2025 eingeführt. Zu einem späteren Zeitpunkt soll dann ein Meldesystem zur Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug hinzugefügt werden.
Weitere Informationen hierzu und zur E-Rechnung finden Sie hier.
Die Bundesrepublik Deutschland hatte im November 2022 hierfür einen Antrag auf Erteilung einer Ermächtigung nach Art. 395 MwStSystRL gestellt, da auf Basis der geltenden Regelungen der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL), die Einführung einer verpflichtenden E-Rechnung sonst nicht möglich gewesen wäre. Mit Durchführungsbeschluss vom 25. Juli 2023 wurde die Ermächtigung erteilt.
Was soll ein elektronisches Meldesystem bringen?
Die Bundesregierung will zum Kampf gegen den Umsatzsteuerbetrug auch ein elektronisches Meldesystem bundesweit einheitlich einführen, welches für die
- Erstellung,
- Prüfung und
- Weiterleitung von Rechnungen
verwendet werden soll. Die IHK München hat in ihrer Position "Umsatzsteuerbetrug bekämpfen und E-Invoicing praktikabel gestalten" dargelegt, welche Punkte aus Sicht der bayerischen Wirtschaft zu beachten wären.