EU-Mehrwertsteuerreform: VAT in the Digital Age (ViDA) - Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter
Die EU-Kommission diskutiert Lösungsansätze, um die Betrugssicherheit des Mehrwertsteuersystems zu verbessern. Dabei wird auch die Einführung eines elektronischen Meldesystems mit verpflichtenden elektronischen Rechnungen (E-Invoicing) vorgeschlagen. Auch die Bundesregierung plant die Einführung eines elektronischen Meldesystems.
Welche EU-Richtlinien- und Verordnungsentwürfe gibt es?
Die EU-Kommission hat am 8. Dezember 2022 den Richtlinienvorschlag „VAT in the Digital Age“ veröffentlicht.
Was gehört zum ViDA-Paket?
Das so genannte ViDA-Paket umfasst
- den Richtlinienvorschlag zur Änderung der MwSt-Systemrichtlinie 2006/112/EG in Bezug auf die MwSt-Vorschriften für das digitale Zeitalter– MwStSystRL-E
- den Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung über Administrative Zusammenarbeit VO (EU) 904/2010 – AdmZVO-E und
- den Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Änderung der Durchführungsverordnung zur MwStSystRL VO (EU) 282/2011 (MwStVO).
Was soll ViDA regeln?
Mit dem Paket sollen im Wesentlichen drei Bereiche geregelt werden:
- Die Einführung eines digitalen Reportings von Einzeltransaktionen in Echtzeit auf Basis einer verpflichtenden elektronischen Rechnungsstellung für Unternehmen, die in der EU grenzüberschreitend tätig sind, bei gleichzeitiger stärkerer Harmonisierung des Rechtsrahmens für nationale Transaktionen („Digitale Meldesysteme/E-Rechnung“),
- die Besteuerung von Online-Plattformen, die die kurzzeitige Vermietung von Übernachtungsmöglichkeiten oder die Erbringung von Personenbeförderungsleistungen unterstützen („Plattformwirtschaft“) und
- die weitere Vermeidung mehrfacher MwSt-Registrierungen von Steuerpflichtigen in den Mitgliedstaaten („einzige MwSt-Registrierung“).
Wie sieht der Zeitplan aus?
Die geplanten Änderungen sollen in vier Stufen jeweils zum 1. Januar 2024, 2025, 2026 und 2028 in Kraft treten.
Am 14. Mai 2024 tagte der ECOFIN-Rat um das Paket zu verabschieden. Es wurde keine Einigung über ViDA erzielt. Dem Vernehmen nach hatte Estland aufgrund der Plattformregelungen nicht zugestimmt. Ein zweiter Anlauf erfolgte am 21. Juni 2024 unter belgischer Ratspräsidentschaft. Es konnte wieder zu ViDA keine politische Einigung erzielt werden. Der Richtlinienvorschlag wurde daher an die ungarische Ratspräsidentschaft übergeben. Allerdings sind Änderungen zur Entwurfsfassung zu erwarten, da bereits am 8. Mai 2024 ein Ratspapier veröffentlicht wurde.
Was sagt das Europäischen Parlament in seiner Stellungnahme?
Am 24. Oktober 2023 haben die Abgeordneten des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON) des Europäischen Parlaments ihre Stellungnahme (TOP 19) zum aktuellen Gesetzgebungsvorschlag der Kommission im Bereich Mehrwertsteuer "VAT in the Digital Age" (ViDA) verabschiedet.
Die im Ausschuss abgestimmten Änderungsanträge mussten dann noch vom Plenum des EP bestätigt werden. Das Parlament wird zu Steuerdossiers lediglich angehört. Endgültig abgestimmt wurde in der Plenarsitzung des Europäischen Parlaments am 22. November 2023. Die Stellungnahme, die die Novellierung der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie betrifft, unterstützt den Kommissionsvorschlag in wesentlichen Punkten, will den Wirtschaftsbeteiligten aber mehr Zeit bis zur Anwendung der geänderten Vorschriften – vor allem im Bereich der elektronischen Rechnung – gewähren. Außerdem schlagen die Abgeordneten Änderungen an den geplanten Verpflichtungen für Online-Plattformen vor und hier insbesondere derjenigen, die im Bereich der kurzfristigen Unterbringung tätig sind. Diese betreffen vor allem das Modell des "deemed supplier", gemäß dem die Plattformen immer dann selbst mehrwertsteuerpflichtig werden, wenn die auf der Plattform gelisteten Verkäufer ihrer MwSt-Pflicht nicht nachkommen. Nach Ansicht der Abgeordneten sollte die Kommission die Wirkung ihrer Vorschläge in der Praxis nach dem 31. Dezember 2027 durch eine unabhängige Studie überprüfen lassen.
Folgende Änderungen schlagen die Abgeordneten vor:
- Eine einjährige Verschiebung des Starttermins aller drei Reformteile (EU-einheitliche Anforderungen an die elektronische Rechnungsstellung und digitale Berichterstattung in Mitgliedstaaten; geänderte Mehrwertsteuervorschriften für die Personenbeförderung und die kurzfristige Beherbergung mittels Onlineplattformen; Einführung einer einzigen EU-weiten Registrierung für Mehrwertsteuerzwecke). Vor allem die einheitliche Registrierung wäre eine große Erleichterung für kleine und mittelständische Unternehmen, da steuerliche Befolgungskosten mit Milliardenbeträgen zu Buche schlagen. So ließen sich im Zeitraum 2023-2032 nach Angaben der Kommission im Rahmen der Mehrwertsteuer-Meldung über 41 Milliarden Euro an Einsparungen erzielen, davon circa 11 Milliarden Euro durch die Aufhebung alter Meldepflichten.
- Eine längere Frist für die Ausstellung von Rechnungen nach dem die Steuerpflicht auslösenden Ereignis – von zwei auf acht Tage.
- Der Begriff der "elektronischen Rechnungsstellung" soll weiter gefasst werden und – bis zum Januar 2028 – auch PDF-Rechnungen umfassen.
- Aus Gründen des Vertrauensschutzes sollen die Rechnung folgende Angaben nicht mehr zwingend enthalten: die IBAN-Nummer der Bank des Lieferanten sowie den Zeitpunkt der Zahlung.
Welche Auswirkungen hat das auf Deutschland?
Was soll ein elektronisches Meldesystem bringen?
Auch die Bundesregierung will zum Kampf gegen den Umsatzsteuerbetrug schnellstmöglich ein elektronisches Meldesystem bundesweit einheitlich einführen, welches für die
- Erstellung,
- Prüfung und
- Weiterleitung von Rechnungen
verwendet werden soll. Die IHK München hat in ihrer Position "Umsatzsteuerbetrug bekämpfen und E-Invoicing praktikabel gestalten" dargelegt, welche Punkte aus Sicht der bayerischen Wirtschaft zu beachten wären.
Auf Basis der geltenden Regelungen der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) ist die Einführung einer verpflichtenden E-Rechnung nicht möglich. Die Bundesrepublik Deutschland hat deshalb im November 2022 einen Antrag auf Erteilung einer Ermächtigung nach Art. 395 MwStSystRL gestellt. Mit Durchführungsbeschluss vom 25. Juli 2023 wurde die Ermächtigung erteilt. Das Bundesfinanzministerium (BMF) strebt ferner an, sowohl für die nationalen als auch die grenzüberschreitenden B2B-Umsätze ein einheitliches elektronisches System für die transaktionsbezogene Meldung vorzusehen, um die Belastungen für die Wirtschaft möglichst gering zu halten. Entsprechende Änderungsvorhaben werden mit den Wirtschaftsverbänden diskutiert.
Nationales E-Rechnungsvorhaben
Deutschland hat mit der Implementierung eines eigenen E-Rechnungssystems begonnen und imWachstumschancengesetz (veröffentlicht am 27. März 2024 im BGBl.) den verpflichtenden Empfang der E-Rechnung innerhalb Deutschlands für B2B-Umsätze ab 1. Januar 2025 eingeführt. Zu einem späteren Zeitpunkt soll dann ein Meldesystem zur Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug hinzugefügt werden.
Weitere Informationen hierzu und zur E-Rechnung finden Sie hier.