TOP 11 Steuerforderungen

Steuerforderungen für Selbständige und ‎kleine Unternehmen

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Selbständige und kleine Unternehmen gehören zu den Leistungsträgern der bayerischen Wirtschaft. Damit diese Unternehmen sich auch in Zukunft weiter gut entwickeln können, müssen die steuerpolitischen Weichen richtig gestellt werden. Hierfür setzt sich die IHK für München und Oberbayern mit den vorliegenden TOP 11 Steuerforderungen.

Steuerpolitik ist ein wichtiger Ansatzpunkt, um unseren Wirtschaftsstandort und die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Betriebe in einer globali­sierten – und immer digitaler werdenden – Welt zu stärken.

Dies gilt auch und gerade für die vielen kleinen und mittleren Unternehmen. Sie bilden das Rückgrat der oberbayerischen Wirtschaft. Rund 63 Prozent der IHK-Mitgliedsbetriebe sind Selbständige, die in der Regel keine Angestellten beschäftigen. Bei den Betrieben mit Beschäftigten haben nur rund 20 Prozent mehr als zehn Beschäftigte.

Begrenzte personelle Kapazitäten machen es Selbständigen und kleinen Unternehmen ‎besonders schwer, alle relevanten Steuergesetze und Vorschriften ‎im Auge zu behalten. Die Komplexität und Vielfalt der zu beachtenden Regeln ist enorm. All dies führt zu Rechtsunsicherheiten sowie zu erheblichen administrativen und finanziellen Belastungen. Zudem schwächen leistungsfeindliche Steuerregeln die Innovations- und Investitionskraft der Wirtschaft.

Hier ist eine kluge Steuerpolitik erforderlich, die die besonderen Belange von Selbständigen und kleinen Unternehmen berücksichtigt.

Folgende ‎steuerliche Punkte sind besonders ‎wichtig:

Steuerbelastung der Unternehmen senken

Deutschland ist ein Hochsteuerland. Zur Standortsicherung sollte der Steuersatz für einbehaltene Gewinne für alle Betriebe von derzeit über 30 Prozent auf das international übliche Niveau von 25 Prozent gesenkt werden. Dabei stellt die Einkommensteuer vor allem für die vielen Personenunternehmen die eigentliche Unternehmenssteuer dar. Dies erfordert einen leistungsfördernden Einkommensteuertarif. In den vergangenen Jahren wurden die Steuerzahler hier zwar entlastet, ohne jedoch die kumulierte Mehrbelastung aufgrund der Kalten Progression vollständig zu kompensieren. Durch den progressiven Tarif ergibt sich eine höhere Steuerbelastung trotz gleicher Realeinkommen. Deshalb ist in regelmäßigen Abständen eine Anpassung des Tarifs an die Inflation geboten. Gleichzeitig sollte der Mittelstandsbauch abgebaut werden, indem der Grenzsteuersatz abgesenkt wird und der Spitzensteuersatz erst ab einem höheren zu versteuernden Einkommen greift. Zusätzlich sollte zumindest mittelfristig der Solidaritätszuschlag vollständig abgeschafft werden und nicht nur für einen Teil der Lohn- und Einkommensteuerzahler.

FORDERUNG

  • Unternehmenssteuer auf rund 25 Prozent absenken
  • Mittelstandsbauch verringern
  • Kalte Progression abmildern
  • Solidaritätszuschlag abschaffen

Besteuerung praktikabel und modern gestalten

Steuerliche Regeln sollten transparenter und einfacher werden, damit es den Unternehmen möglich bleibt, ihren steuerlichen Pflichten nachzukommen. Helfen würden beispielsweise höhere Kleinbetrags- und Pauschbeträge oder ein Abbau der vielfältigen Dokumentations- und Nachweispflichten. Die Modernisierung und Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens sollte nicht nur der Finanzverwaltung, sondern gleichermaßen auch den Steuerpflichtigen nützen. Steuerliche Prüfungen sollten zeitnah und gestrafft durchgeführt und Aufbewahrungsfristen auf fünf Jahre verkürzt werden. Auch sollte die Verwaltung bei der Umsetzung von digitalen Angeboten die Kundenperspektive einnehmen und insgesamt eine Serviceorientierung praktizieren (z. B. Betreuung, Erreichbarkeit). Zu einem zeitgemäßen Besteuerungsverfahren sollte ferner ein verstärkter partnerschaftlicher Umgang zwischen Steuerstaat und Unternehmen gehören – zum beiderseitigen Vorteil. Wesentlicher Nutzen von mehr Kooperation statt Konfrontation sind vor allem schnellere Rechtssicherheit und bessere Planbarkeit für die Betriebe sowie ein ressourcenschonenderer Steuervollzug bei der Finanzverwaltung.

FORDERUNG

  • Modernisierung und Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens praxisgerecht umsetzen
  • Keine einseitigen Vorteile für die Finanzverwaltung
  • Serviceorientierung verstärken
  • Mehr Kooperation statt Konfrontation

Wertgrenze für GWG erhöhen

Beschleunigte Abschreibungsregeln, die sich am technologisch bedingt schnelleren Wertverzehr orientieren, würden die Investitionskraft der Unternehmen erhöhen. 2018 wurde die Sofortabschreibung auf geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) von 410 Euro auf 800 Euro angehoben. Das war ein erster Schritt in die richtige Richtung, reicht aber nicht. Sinnvoll wäre eine Erhöhung des Sofortabzugs auf mindestens 1.000 Euro.‎ Außerdem sollte bei der alternativen Möglichkeit der Poolabschreibung (Sammelposten für Wirtschaftsgüter mit einem Wert von über 250 Euro bis 1.000 Euro) die vorgegebene Nutzungsdauer von 5 auf 3 Jahre verkürzt werden, um die Unternehmen zu stärken.

FORDERUNG

  • Sofortabzug auf 1.000 Euro‎ erhöhen
  • Abschreibungsdauer des Sammelpostens auf 3 Jahre verkürzen

Digitale Investitionen stärken

Bestimmte digitale Wirtschaftsgüter, z. B. entgeltlich erworbene ‎Software, können grundsätzlich nach einer vorgegebenen Nutzungsdauer zwischen 3 und 5 Jahren abgeschrieben werden. ‎Dies ist oftmals nicht mehr zeitgemäß. Hier sollte eine Verkürzung vorgenommen werden. Zudem kann die Einführung der degressiven Abschreibung für ‎Hard- und Softwarelösungen eine sinnvolle ergänzende Maßnahme darstellen. Ebenso würde eine Öffnung der Regelungen zum Investitionsabzug für bestimmte digitale Wirtschaftsgüter die Liquiditäts- und Eigenkapitalbildung kleinerer Betriebe ‎stärken. Dies könnte den Übergang in die digitale Welt erleichtern.

FORDERUNG

  • Abschreibungsdauer auf bestimmte Wirtschaftsgüter des digitalen Lebens verkürzen
  • Degressive Abschreibung für Hard- und Softwarelösungen einführen
  • Regelungen zum Investitionsabzug öffnen

GoBD vereinfachen

Viele kleine und mittelständische Unternehmen sind unsicher über zu beachtende Aufbewahrungs- und Dokumentationspflichten. Sie fühlen sich oft von den Grundsätzen zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) inhaltlich, aber auch in Bezug auf Form und Umfang überfordert. Die Anforderungen sind aus ihrer Sicht zu hoch angesetzt, die Formulierungen sowie der Umfang werden teilweise nicht als nutzerfreundlich angesehen. Die Unternehmen möchten sich gesetzeskonform verhalten, sehen sich aber mit einem erheblichen finanziellen und organisatorischen Aufwand konfrontiert und scheitern nicht zuletzt an unklaren Vorgaben zur praktischen Umsetzung der Auflagen. Darum sind verständliche Leitlinien der Finanzverwaltung erforderlich.

FORDERUNG

  • Vereinfachung der Aufbewahrungs- und Dokumentationspflichten von elektronischen Unterlagen
  • Praxisnahe, verständliche Vorgaben der Finanzverwaltung

Umsatzsteuer für Kleinunternehmer und Existenzgründer anpassen

Durch das Bürokratieentlastungsgesetz III wird die umsatzsteuerliche Kleinunternehmergrenze von 17.500 Euro auf 22.000 Euro angehoben und die monatliche Umsatzsteuervoranmeldung von 2021 bis 2026 ausgesetzt werden. Dies ist zu begrüßen, reicht aber nicht. Die monatliche Abgabepflicht der Voranmeldungen für Existenzgründer sollte abgeschafft werden. Für Kleinunternehmer sollten die Grenzen für Vorjahresumsätze auf 35.000 Euro und für den voraussichtlichen Jahresumsatz auf 85.000 Euro erhöht werden; dies orientiert sich auch an einem aktuellen EU-Vorschlag, der eine erhöhte Grenze zulässt. Umsatzsteuerliche Entlastungen von Kleinbetrieben müssen auf der Agenda der Politik bleiben.

FORDERUNG

  • Umsatzsteuerliche Entlastungen müssen auf der Agenda der Politik bleiben

EÜR-Formular nicht verpflichtend anwenden

Die Verwendung des EÜR-Formulars bei der Einnahmeüberschussrechnung ist mit erheblichem Aufwand verbunden. Es kann gerade von Kleinbetrieben, Solo-Selbständigen und Existenzgründern kaum ohne externe Unterstützung fehlerfrei ausgefüllt werden. Die Verwendungspflicht sollte grundsätzlich nicht zwingend vorgeschrieben werden, erst recht nicht durch elektronisch authentifizierte Übermittlung. Zumindest sollte eine Schongrenze analog zur umsatzsteuerlichen Kleinunternehmergrenze gelten.

FORDERUNG

  • Keine zwingende Verwendung des EÜR-Formulars
  • Keine elektronisch authentifizierte Übermittlung
  • Zumindest (weiterhin) Verschonung analog zur umsatzsteuerlichen Kleinunternehmergrenze

Praxistaugliche Sicherungslösungen für ‎elektronische Kassen schaffen

Elektronische oder computergestützte Kassen(systeme) müssen ab 1. Januar 2020 über eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung verfügen. Da zurzeit noch keine zertifizierten Lösungen flächendeckend am Markt erhältlich sind, ist die Nichtaufgriffsregelung der Verwaltung hinsichtlich der Implementierung von technischen Sicherheitseinrichtungen bis September 2020 zu begrüßen. Allerdings besteht derzeit weiterhin erhebliche Planungs- und Rechtsunsicherheit in den Unternehmen. Die vielen steuerehrlichen Betriebe, die zur Umsetzung des Sicherungskonzeptes (einschließlich notwendiger Meldungen gegenüber der Finanzverwaltung) verpflichtet werden, brauchen praxistaugliche und kostenverträgliche Lösungen.

FORDERUNG

  • Praxistaugliche und kostenverträgliche Lösungen schaffen
  • Keine überzogenen Anforderungen an IT-technische Verfahren stellen
  • Zukunftstaugliche Standards sowie technologische und geschäftsbezogene Weiterentwicklungen ermöglichen

Gründungen entbürokratisieren ‎

Die direkt in die Gründungsprozesse involvierten Behörden (z. B. Finanzamt, Bundeszentralamt für Steuern, Gewerbeamt, Handelsregister, Zoll) sollten zentral über eine Anlaufstelle erreichbar sein. Die Beantragung einer Steuernummer sollte automatisch und schnell erfolgen. Basisdaten sollten allen Behörden vorliegen und nicht mehrfach abgefragt werden (z. B. Anschrift, Rechtsform). Start-ups und Existenzgründer sollten flächendeckend auch von den Finanzbehörden betreut werden, z. B. durch die Einrichtung einer Telefon-Hotline oder die Möglichkeit von Einzelgesprächen.

FORDERUNG

  • Eine zentrale Anlaufstelle für Behördengänge bei Gründungen schaffen
  • Schnelle und einfache Datenübertragung bzw. -abfrage ermöglichen
  • Betreuung von Start-ups und Existenzgründer auch durch Finanzbehörden

Verbindliche Auskunft sichern

Finanzämter können auf Antrag kostenpflichtig verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von zukünftig zu verwirklichenden Sachverhalten erteilen. An den Antrag werden jedoch seitens der Finanzverwaltung hohe Anforderungen gestellt. Zudem kann sie die Erteilung der verbindlichen Auskunft nach pflichtgemäßem Ermessen ablehnen. Statt dieses Erschließungsermessens sollte ein echter Rechtsanspruch auf Erteilung der verbindlichen Auskunft geschaffen werden. Vor allem für negative verbindliche Auskünfte sollte zudem die Gebührenpflicht entfallen, gerade auch angesichts der wachsenden Komplexität des deutschen Steuerrechts.

FORDERUNG

  • Einführung eines Rechtsanspruchs auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft
  • Keine Gebühren für negative verbindliche Auskünfte

Lohnsteuer und Sozialversicherung angleichen

Bestimmte Bemessungsgrundlagen, Betragsgrenzen, Fälligkeitstermine und Definitionen sind in der Lohnsteuer und der Sozialversicherung nicht gleich, z. B. bei Feiertags- und Nachtzuschlägen oder der betrieblichen Altersversorgung. Eine Vereinheitlichung wäre hier sehr sinnvoll. Probleme bestehen auch bei der Pauschalversteuerung nach § 37b EStG. Hier muss trotz steuerlicher Pauschalierung individuelle Sozialver­sicherung abgeführt werden. Diese sollte ebenfalls pauschal abgeführt werden können. Durch eine Harmonisierung von Sozialversicherung und Lohnsteuer würden die Unternehmen deutlich entlastet.

FORDERUNG

  • Harmonisierung zwischen Lohnsteuer und Sozialversicherung