Moderner und effizienter Steuervollzug
Ein wirksames und gerechtes Besteuerungsverfahren ist im gemeinsamen Interesse von Verwaltung und Wirtschaft. Mehr Kooperation statt Konfrontation ist dabei essenziell für ein gedeihliches Zusammenwirken von Unternehmen und Finanzverwaltung. Die bayerischen Industrie- und Handelskammern befürworten bereits langjährig einen verstärkten partnerschaftlichen Umgang zwischen Steuerstaat und Unternehmen – zum beiderseitigen Vorteil. Doch wie kann dieser gelingen?
Inhalt
- Warum ist eine Modernisierung nötig?
- Um welche Themenschwerpunkte geht es?
- Was will die bayerische Wirtschaft?
- Was will die bayerische Finanzverwaltung?
- Kooperation statt Konfrontation als Schlüssel
- Inhalt des Letters of Intent
- Ihr Feedback zählt - Was können Sie als Unternehmen nun tun?
- Machbarkeitsstudie für ein zeitgemäßes Besteuerungsverfahren 2016
Warum ist eine Modernisierung nötig?
Die Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität des Wirtschaftsstandortes hängen neben der nominellen Steuerbelastung in besonderer Weise von zusätzlichen Belastungen der Wirtschaft ab, die nichts oder wenig mit dem eigentlichen Geschäftszweck der Unternehmen zu tun haben. Bürokratieabbau und Steuervereinfachung helfen der Wirtschaft wie auch der Finanzverwaltung, ihren originären Aufgaben bestmöglich nachzugehen. Der demographische Wandel und der Fachkräftemangel rücken dabei einen effizienten Ressourceneinsatz sowohl bei der Verwaltung als auch der Wirtschaft in den Fokus. Es ist das gemeinsame Anliegen, dass der Gesetzgeber diese Aspekte stärker im Fokus hat.
Um welche Themenschwerpunkte geht es?
- Zeitnahe Außenprüfung
- Tax Compliance Management Systeme– TCMS
- Rechts- und Planungssicherheit
- Transparenz und Effizienz
Was will die bayerische Wirtschaft?
Unternehmen ist es wichtig, ihre steuerlichen Pflichten mit möglichst geringen administrativen und finanziellen Belastungen zu erfüllen. Sie wollen einen modernen Steuervollzug, der sie in ihrem operativen Geschäft möglichst wenig behindert und ihnen frühzeitig Rechts- und Planungssicherheit bietet:
- Außenprüfungen zeitnah durchführen und zeitlich straffen, um schneller und kostengünstiger Rechtssicherheit zu erlangen.
- Interne Steuerkontrollsysteme der Unternehmen zur Gewährleistung der Einhaltung steuerlicher Pflichten (Tax Compliance Management Systeme– TCMS) in steuerliche Außenprüfungen einbeziehen, um Außenprüfungen effizienter, zeitnäher und risikoorientierter durchzuführen.
- Verbindliche Zusagen der Finanzverwaltung im Rahmen von Außenprüfungen forcieren, damit Unternehmen Rechtssicherheit auch für Zeiträume nach dem Prüfungszeitraum erhalten.
- Informationsangebote für neu in den Markt eintretende kleinere Unternehmen, Startups und sonstige Existenzgründer erweitern, um diese Unternehmen zu stärken.
Was will die bayerische Finanzverwaltung?
Sich wandelnde wirtschaftliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen haben Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Finanzbehörden und Unternehmen. Die bayerische Finanzverwaltung legt großen Wert darauf, ihren gesetzlichen Auftrag möglichst effizient umzusetzen:
- Steuerehrlichkeit und die damit verbundene notwendige Befolgung von steuerlichen Pflichten seitens der bayerischen Unternehmen, um Sanktionen zu verhindern.
- Die zuverlässige Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen sowie freiwillige Mitwirkung und Transparenz über die gesetzlichen Verpflichtungen hinaus, um eine effiziente Durchführung des Besteuerungsverfahrens seitens der Verwaltung zu erlangen.
- Eine konstruktive und transparente Mitwirkung zur Aufklärung der steuerlichen Sachverhaltes seitens der Unternehmen, um eine an den Grundsätzen der Risikoorientierung ausgerichtete Festlegung der Prüfungsschwerpunkte, Ermittlungstiefe und Prüfungsdauer zu gewährleisten.
- Die bayerische Finanzverwaltung hat im Jahr 2022 ein Pilotprojekt begonnen, zur Erprobung der Zusage von Prüfungserleichterungen für die Zukunft in Abhängigkeit von der Reichweite und Wirksamkeit eines implementierten TCMS, um eine schnelleren Abwicklung zu erhalten.
- Bereitstellung von Steuertipps für Existenzgründer, um Vorbehalte im Umgang mit der Finanzverwaltung frühzeitig abzubauen.
Kooperation statt Konfrontation als Schlüssel
Das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat und die Industrie- und Handelskammern in Bayern haben das gemeinsame Gespräch gesucht und sich über den aktuellen Stand des Steuervollzugs im Freistaat und mögliche Verbesserungsansätze im Rahmen der bestehenden Steuergesetze ausgetauscht. Die Gespräche haben gezeigt, dass in vielen Bereichen ein gemeinsames Verständnis besteht: Ein wirksames und gerechtes Besteuerungsverfahren ist im gemeinsamen Interesse von Verwaltung und Wirtschaft. Mehr Kooperation statt Konfrontation ist dabei essenziell für ein gedeihliches Zusammenwirken von Unternehmen und Finanzverwaltung in Bayern.
In der gemeinsamen Erklärung der bayerischen IHKs und des bayerischen Finanzministeriums vom 15. Dezember 2023 werden Grundgedanken festgehalten, die einer effektiven und vertrauensvollen Zusammenarbeit dienen sollen. Unter anderem sollen Außenprüfungen beschleunigt werden, die technischen Möglichkeiten zum schnellen, wechselseitigen Datenaustausch genutzt und fortentwickelt werden sowie die Betreuung von Startups und anderer Existenzgründern gestärkt werden. Zum gemeinsamen "Letter of Intent"vgl. Pressemitteilung des StMFH vom 15.12.2023.
Inhalt des Letters of Intent vom 15.12.2023
Zur Identifizierung von Verbesserungsansätzen ist es wichtig, sich die wesentlichen Interessen der Finanzverwaltung und der Unternehmen vor Augen zu führen.
Die bayerische Finanzverwaltung legt großen Wert darauf, ihren gesetzlichen Auftrag möglichst effizient umzusetzen.
Die bayerischen Unternehmen bekennen sich zur Steuerehrlichkeit und der damit verbundenen notwendigen Befolgung von steuerlichen Pflichten. Sie sind sich bewusst, dass Verstöße hiergegen entsprechende gesetzliche Sanktionen zur Folge haben. Dabei ist den Unternehmen wichtig, ihre steuerlichen Pflichten mit möglichst geringen administrativen und finanziellen Belastungen zu erfüllen. Sie wollen einen modernen Steuervollzug, der sie in ihrem operativen Geschäft möglichst wenig behindert und ihnen frühzeitig Rechts- und Planungssicherheit bietet.
Ein vertrauensvolles Zusammenwirken zwischen Verwaltung und Unternehmen ist – unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen und Aufgaben – für einen modernen Steuervollzug von besonderer Bedeutung. Möglichen Konfrontationen zwischen Verwaltung und Unternehmen soll dabei durch ein vertrauensvolles Zusammenwirken der Beteiligten im Sinne eines auf Ausgleich bedachten Gebens und Nehmens vorgebeugt werden.
Der wesentliche Nutzen für die kooperierenden Unternehmen – durch zuverlässige Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungensowie freiwillige Mitwirkung und Transparenz über die gesetzlichen Verpflichtungen hinaus – besteht insbesondere in schnellerer Rechtssicherheit und besserer Planbarkeit.
Für die Finanzverwaltung wiederum ergibt sich als wesentlicher Vorteil insgesamt eine effiziente Durchführung des Besteuerungsverfahrens. Dabei kann die Teilnahme von Unternehmen an kooperativen Instrumenten nicht verpflichtend sein, sondern nur auf freiwilliger Basis erfolgen.
Kooperation heißt nicht, dass man nicht auch unterschiedlicher Auffassung sein darf. Aber durch ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Verwaltung und Unternehmen lassen sich auch Situationen mit gegensätzlichen Ansichten besser meistern.
Ferner gilt: Kluge Rahmenbedingungen, die das Vertrauensverhältnis zwischen Unternehmen und Finanzbehörden stärken, sollten als positiver Standortfaktor im internationalen Wettbewerb begriffen werden.
Die Unternehmen wollen zeitnahe und zeitlich gestraffte Außenprüfungen, um schneller und kostengünstiger Rechtssicherheit zu erlangen. Aber auch für die Verwaltung sind effiziente Prüfungen bei Sicherstellung eines gleichmäßigen Steuervollzugs von großer Bedeutung. Zeitnahe und schnellere Außenprüfungen, die sich durch einen frühen Prüfungsbeginn und eine zügige Beendigung der Prüfung auszeichnen, sind deshalb ein gemeinsames Ziel.
Wesentlicher Erfolgsfaktor ist ein vertrauensvolles Zusammenwirken zwischen Unternehmen und Finanzverwaltung. Hierzu gehört seitens der Unternehmen eine konstruktive und transparente Mitwirkung zur Aufklärung der steuerlichen Sachverhalte sowie seitens der Finanzverwaltung eine an den Grundsätzen der Risikoorientierung ausgerichtete Festlegung der Prüfungsschwerpunkte, Ermittlungstiefe und Prüfungsdauer.
Ein Beitrag zur Stärkung der Kooperation besteht darin, beabsichtigte Prüfungsschwerpunkte seitens der Finanzverwaltung möglichst frühzeitig mitzuteilen. Dies erfordert eine frühzeitige Vorlage von Unterlagen seitens der Unternehmen, die künftig bereits mit der Prüfungsanordnung angefordert werden können. Zur zeitlichen Straffung von Außenprüfungen wurde mit der Neuregelung des Steuerverfahrensrechts der Abschluss von Kooperationsvereinbarungen gesetzlich verankert. Darin werden auf freiwilliger Basis zwischen dem Unternehmen und der Finanzverwaltung die Rahmenbedingungen für Außenprüfungen so festgelegt, dass sie effizient und zeitnah abgewickelt werden können.
Im Abschluss dieser Vereinbarungen wird großes Potenzial zur Stärkung der Kooperation und des gegenseitigen Vertrauens gesehen. Zudem sollen die digitalen und sonstigen technischen Möglichkeiten zum schnellen, wechselseitigen Datenaustausch genutzt und fortentwickelt werden.
Ein schneller und sicherer Datenaustausch kann bereits heute über die Secure-Box Bayern erfolgen. Der Einsatz moderner Kommunikationsformen wird von der bayerischen Finanzverwaltung gerade im Bereich der Außenprüfung weiter forciert werden.
Interne Steuerkontrollsysteme zur Gewährleistung der Einhaltung steuerlicher Pflichten im Unternehmen (Tax Compliance Management Systeme – TCMS) sind in vielen Unternehmen im Aufbau. Die Einbeziehung von TCMS in steuerliche Außenprüfungen hat ein großes Potenzial, zum beiderseitigen Vorteil von Finanzverwaltung und Unternehmen die Außenprüfungen effizienter, zeitnäher und risikoorientierter durchzuführen.
Die bayerische Finanzverwaltung hat im Jahr 2022 zu diesem Zweck ein Pilotprojekt begonnen und wird die Systemprüfungsansätze auch im bundesgesetzlich vorgesehenen Erprobungszeitraum nach Art. 97 § 38 EGAO unter Berücksichtigung der vorhandenen Kapazitäten weiterentwickeln. Gegenstand der Erprobung ist dabei auch die Zusage von Prüfungserleichterungen für die Zukunft in Abhängigkeit von der Reichweite und Wirksamkeit eines implementierten TCMS. Gleichzeitig besteht das gemeinsame Verständnis, dass die Prüfung von TCMS durch die Finanzverwaltung eine hohe Kooperationsbereitschaft der Unternehmen voraussetzt. Unternehmen, die sich gegenüber der Finanzverwaltung transparent zeigen, sollen von einer schnelleren Abwicklung und damit früheren Rechtssicherheit profitieren.
Ferner sollen nicht nur größere Unternehmen, sondern auch kleine und mittelständische Unternehmen in die Betrachtung einbezogen werden, um kooperative Prüfungsansätze auch hier weiterzuentwickeln. Wichtig ist hierbei, zu praktisch handhabbaren Lösungen zu gelangen.
Durch eine verbindliche Zusage im Rahmen einer Außenprüfung können Unternehmen Rechtssicherheit auch für Zeiträume nach dem Prüfungszeitraum erhalten. Es besteht Einvernehmen, dass dies ein geeignetes Instrument zu mehr Effizienz in der Außenprüfung ist. Interessierte Unternehmen sollten in einem frühen Stadium der Prüfung den Antrag auf Erteilung der verbindlichen Zusage durch das Finanzamt stellen und zur Abklärung von Einzelheiten das Gespräch mit der Betriebsprüfung suchen.
Startups und sonstige Existenzgründer beflügeln die Wirtschaft. Die Herausforderungen, die an sie gestellt werden, sind jedoch gerade in den Anfangsjahren enorm. Oft werden von den Unternehmen die mit der Geschäftstätigkeit verbundenen steuerlichen Pflichten (z. B. zur Steueranmeldung) und die mit einer Pflichtverletzung verbundenen Risiken (z. B. Schätzungsbefugnisse der Finanzbehörden, steuerstrafrechtliche Risiken) nicht erkannt und nur in wenigen Fällen steuerliche Berater einbezogen.
Organisationen wie die bayerischen Industrie- und Handelskammern bieten für diesen Unternehmenskreis Erstinformationen an. Auch die Finanzverwaltung in Bayern stellt Steuertipps für Existenzgründer bereit. Es ist ein gemeinsames Anliegen der bayerischen Finanzverwaltung und der bayerischen IHKs, die Informationsangebote für neu in den Markt eintretende kleinere Unternehmen zukünftig weiter zu stärken. Damit kann in Bayern ein guter steuerlicher Start dieser Unternehmen gefördert werden. Auch lassen sich so Vorbehalte im Umgang mit der Finanzverwaltung frühzeitig abbauen.
Was können Sie als Unternehmen nun tun? Ihr Feedback zählt!
Wir als bayerische IHK-Organisation sind im laufenden Austausch mit der Finanzverwaltung in Bayern, um die steuerlichen Rahmenbedingungen für die Unternehmen am Standort zu verbessern. Auf Basis dieses Austauschs sind wir zu der gemeinsamen Erklärung (vom 15.12.2023) zum modernen und effizienten Steuervollzug in Bayern gelangt.
Auch zukünftig gilt: Wir brauchen Ihr Feedback zu Ihren praktischen Erfahrungen zum Steuervollzug in Bayern (gerne unter steuern@muenchen.ihk.de). Denn aussagekräftige Rückmeldungen aus der Unternehmenspraxis sind für uns ein wichtiges Instrument, damit wir auch weiterhin im Austausch mit der bayerischen Finanzverwaltung konkrete Problemfelder glaubwürdig und fundiert benennen können.
Beispiel 1: Notwendige Beschleunigung von Außenprüfungen
Wenn Sie den Eindruck haben, dass bei Ihrem Unternehmen die Außenprüfung nur schleppend verläuft, und Sie sich eine schnellere Prüfung wünschen, so empfehlen wir, dass Sie (ggf. unter Einbeziehung Ihres Beraters) dies in freundlicher Form gegenüber der Verwaltung zum Ausdruck bringen. Erkundigen Sie sich, warum aus Sicht der Verwaltung die Prüfung (bisher) so verläuft, und fragen Sie, ob und was Sie tun können, um die Prüfung in Zusammenarbeit mit der Verwaltung zu beschleunigen. Verweisen Sie ggf. auch auf die gemeinsame Erklärung des bayerischen Finanzministeriums und der bayerischen IHKs (vom 15.12.2023). Wir freuen uns, wenn es hierdurch zu Verbesserungen für Sie und andere Unternehmen kommt. Aber auch dann, wenn es trotz Ihres Bemühens in Ihrem konkreten Fall (noch) nicht so läuft, wie Sie sich das vorstellen, freuen wir uns über Ihr Feedback (gerne unter steuern@muenchen.ihk.de).
Beispiel 2: Digitale Kommunikation bei der Prüfung
Die Finanzverwaltung will den digitalen, wechselseitigen Datenaustausch im Rahmen von Steuerprüfungen forcieren. Dazu gibt es in Bayern als Datenaustauschplattform (Cloud-Lösung) die sog. Secure-Box Bayern. Diese Plattform steht normalerweise allen Betriebsprüfern zur Verfügung. Es verbleibt aber in der Entscheidungsmacht des Betriebsprüfers, ob diese Möglichkeit des Datenaustausches eingesetzt wird oder nicht. Wenn Ihr Unternehmen die Secure-Box Bayern im Rahmen der Steuerprüfung wünscht, so empfehlen wir, dass Sie (ggf. unter Einbeziehung Ihres Beraters) dies bei der Finanzverwaltung beantragen. Falls der Betriebsprüfer sich dem Einsatz der Plattform verweigert, erkundigen Sie sich freundlich nach den Gründen. Gerne können Sie dabei auch auf die gemeinsame Erklärung des bayerischen Finanzministeriums und der bayerischen IHKs (vom 15.12.2023) verweisen. Auch hier gilt: Zögern Sie bitte nicht, uns Ihre Erfahrungen mitzuteilen – gute wie schlechte (gerne unter steuern@muenchen.ihk.de). Dies hilft uns in unseren weiteren Gesprächen mit der bayerischen Finanzverwaltung.
Machbarkeitsstudie für ein zeitgemäßes Besteuerungsverfahren 2016
Bereits 2016 hatte die IHK für München und Oberbayern im Rahmen einer "Machbarkeitsstudie für ein zeitgemäßes Besteuerungsverfahren" das Positionspapier "Kooperation statt Konfrontation - Empfehlungen für ein zeitgemäßes Besteuerungsverfahren" herausgegeben, vgl. die ausführlichen Informationen hier.
Mit dem "Letter of Intent" wurden diese Überlegung nun weiterentwickelt.