Rechts- und Steuerrahmen 4.0 für die Digitalisierung
Die Digitalisierung der Wirtschaft betrifft nahezu alle Wirtschaftszweige und Branchen. Prozessabläufe, Akteure und Rollen bestehender Geschäftsmodelle wandeln sich, ganz neue Geschäftsmodelle entstehen.
Immer wieder fragen Unternehmen, Politik, Gesellschaft und Gesetzgeber, ob auch die rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen zu „digitalisieren" seien. Im Rahmen des gesetzlichen Auftrags, das Gesamtinteresse der Wirtschaft zu vertreten, hat die IHK München zu ausgewählten Rechts- und Steuerthemen einen Steckbrief erstellt, welche Änderungen im Zuge der Digitalisierung notwendig sind.
Innovationsförderung und Digitalisierung
Worum geht es?
In der Digitalisierung ist technische Innovation dadurch gekennzeichnet, dass sie sich durch kollaborative Systeme (Wertschöpfungsketten entlang verschiedener Produktionsstufen) sowie in zunehmend automatisierten Prozessen entwickelt (Open Innovation, Open Source oder beispielsweise auch Customer Innovation/Source). Das deutsche Patent- und Urheberrecht geht vom sogenannten Schöpferprinzip aus: Erfinder kann danach nur eine natürliche Person sein. Dagegen gilt beispielsweise in den USA das sogenannte Investitionsprinzip, das unabhängig von einer natürlichen Person be- und entstehen kann.
Einschätzung
Das Interesse am Schutz von Geschäftsgeheimnissen ist berechtigt. Dazu gehören zunehmend Daten. Entsteht technisches Know-how im Rahmen kollaborativer Arbeitsformen, ist es derzeit sehr aufwendig, die Rechte daran (Rechteallokation) zu gestalten. Im Rahmen der Digitalisierung werden Unternehmen und ihre Geschäftsmodelle zunehmend von der Entwicklung standardessenzieller Patente (SEP) beeinflusst und abhängig. Sind standardessenzielle Technologien patentiert, kann das Auswirkungen auf den Wettbewerb haben.
- Auch betriebliches Know-how, für das kein gewerbliches Schutzrecht besteht, muss gegen unbefugte Zugriffe geschützt sein. Die aktuelle EU-Richtlinie zur Harmonisierung des Know-how-Schutzes gewährleistet dies.
- Die Mindeststandards dieser EU-Richtlinie zur Harmonisierung des Know-how-Schutzes sollten rasch umgesetzt und es sollten keine zu hohen Anforderungen an das neue Kriterium „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ gestellt werden.
- Das bestehende und grundsätzlich ausreichende Schutzrechtesystem ist in Einklang mit technischen Möglichkeiten kollaborativen Zusammenwirkens in Forschung, Technik und Entwicklung zu bringen.
- Dabei gilt: Der Grundsatz „Vertragsfreiheit vor Regulierung“ ermöglicht neue Geschäftsmodelle und schafft Anreize für offene Innovationsprozesse im B2B- und B2C-Bereich.
Fazit zum Know-How-Schutz in der Digitalisierung
Mindeststandards zur Harmonisierung des Know-how-Schutzes sollten rasch umgesetzt werden.
FRAND-Lizenzbedingungen (fair, reasonable and non-discriminatory), Stand der Technik und Musterklauseln können Akzeptanz für faire Teilhabe sichern.
Worum geht es?
Marken, Designs, Patente und Urheberwerke sind immaterielle Güter mit oft erheblichem finanziellem Wert. Werden erfolgreiche Produkte kopiert, bedeutet dies für die eigentlich Berechtigten nicht nur finanzielle Einbußen. Dann steht neben dem Ruf der Marke oder des Produkts auch der Ruf eines ganzen Unternehmens und damit Arbeitsplätze auf dem Spiel.
Die Digitalisierung ermöglicht die Verletzung gewerblicher Schutzrechte in großer Zahl. Schon bisher verursachen Plagiate, die über das Internet vertrieben werden, jährliche Schäden für die Wirtschaft in Milliardenhöhe. Die fortschreitende Digitalisierung mit neuen Fertigungsweisen, wie beispielsweise der 3-D-Druck, schaffen neue Möglichkeiten, geschützte Produkte am Hersteller vorbei selbst zu produzieren oder produzieren zu lassen. Zugleich können in automatisierten Prozessen und digitalisierten Verfahren aber auch ganz neue Produkte entstehen.
Einschätzung
Die Digitalisierung schafft mit neuen automatisierten Prozessen Fälle, die vom deutschen und europäischen Schutzstandard nicht erfasst werden. Bisher ist Voraussetzung für die Entstehung eines Schutzrechts immer ein geistig schöpferischer Akt (Schöpferprinzip). Eine Schutzrechtsverletzung setzt in der Regel Vorsatz voraus. Beides wird für einen automatisierten Prozess infrage gestellt und jedenfalls für Computer, Maschinen und Apparate abgelehnt.
In der Praxis scheitert die Durchsetzung verletzter Schutzrechte auch zumeist an der Greifbarkeit der Täter. Digitale Intermediäre (Zwischenhändler) stellen oft das einzige „Bindeglied“ zwischen Verletzten und anonymen, nicht greifbaren Verletzern dar.
Hauptabnehmer von Produkt- und Markenpiraterie sind Verbraucher. Durch deren Kaufentscheidungen entsteht ein Markt für die gefälschten Produkte. Verbraucher sollten gleichwertiger Teil der Verantwortungskette sein. Die Durchsetzung des bestehenden
Rechtsrahmens sollte gewährleistet und verbessert werden.
Sollen Intermediäre, beispielsweise durch gesetzliche Überprüfungspflichten stärker in die Verantwortung genommen werden, gilt es abzuwägen, ob dies ökonomisch sinnvoll oder ein Hemmnis für neue Geschäftsmodelle ist. Ausmaß, Art und Weise der Schutzrechtsverletzung
müssen eine Änderung im bisher geltenden Schutzrechtsregime erforderlich machen.
Fazit für den Schutz geistigen Eigentums in der Digitalisierung
Bereits beschlossene Projekte zum Schutz geistigen Eigentums wie das Europäische Einheitspatent, die europäische Markenrechtsreform sowie die EU-weite Harmonisierung des Urheberrechts sollten zügig umgesetzt werden.
Regelungen zum Schutz geistigen Eigentums sollten mit Augenmaß und nicht im nationalen Alleingang ergehen.
Das Leitbild vom mündigen Verbraucher ist zu fördern und sein Verantwortungsbewusstsein zu schärfen.
Alle Marktteilnehmer sollten zu angemessenen Bedingungen Zugang zu standardessenziellen Technologien erhalten (FRAND).
Der Lizenzerwerb sollte vereinfacht und insbesondere für standardessenzielle Technologien konkretisiert werden.
Worum geht es?
Bei der Industrie-4.0-mäßigen Fertigung können, wie bei der industriellen Fertigung auch, im Herstellungsprozess Fehler auftreten, die sich in der Produktnutzung fortsetzen. Der Schaden, der bei der Nutzung des fehlerhaften Produkts entsteht, ist dann auf das fehlerhafte Produkt selbst zurückzuführen. Beim Einsatz autonomer oder selbstlernender Systeme können Schäden durch ein Fehlverhalten dieser Systeme auftreten.
Einschätzung
Das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) und das Deliktsrecht sind fit für die Digitalisierung. Die bestehenden gesetzlichen Regelungen sind ausreichend, sofern der Schaden auf einen alleinigen Fehler des Produkts zurückzuführen ist. Für die Haftung ist es unerheblich, ob das fehlerhafte Produkt herkömmlich oder 4.0-mäßig gefertigt wurde. Beim Produktfehler können daher die Vorschriften des ProdHaftG ohne Einschränkung angewendet werden. Es gibt keine Regelungslücken.
Verursachen autonome oder selbstlernende Systeme Schäden, ist es besonders schwierig, den Anspruchsgegner zu identifizieren. Dieses Rechtsrisiko unterscheidet sich strukturell nicht von anderen Situationen, in denen der Verursachungshergang nicht oder nur schwer aufklärbar ist.
Fazit zur Produkthaftung bei der Digitalisierung
Eine Regelungslücke ist nicht erkennbar.
Verschärfungen im Produkthaftungsrecht behindern Innovation.
Worum geht es?
Big Data eröffnet hohe Wachstumspotenziale. Beispiele hierfür sind z. B. Fraud Detection und Social Media Monitoring. Unternehmen müssen Big-Data-Modelle auf einen stabilen Rechtsrahmen stützen können. Im Internet der Dinge produzieren Maschinen eine Vielzahl an Daten (sowohl Personen- als auch Maschinendaten). Die Personenbeziehbarkeit und damit die Rückführbarkeit von (Sach-)Daten auf eine Person steigen in der Industrie 4.0 an.
Personenbeziehbare Daten
Die datenschutzrechtlichen Grundsätze einer strengen Zweckbindung, der Datensparsamkeit – verschärft durch die Grundsätze „Datenschutz durch Technik / Technikvoreinstellung“ und die Pflicht zur Anonymisierung und Pseudonymisierung –,
die Pflicht zur Datenlöschung und umfangreiche Informationspflichten müssen in Einklang gebracht werden mit Big-Data-basierten Entwicklungen in der Wirtschaft. Wichtig ist ein Dialog der Wirtschaft mit der Politik und den Datenschutzaufsichtsbehörden,aber auch mit der Legislative, der Exekutive und der Verwaltung. Ziel sollten EU-weit harmonisierte Lösungen und weltweite Standards sein.
Maschinendaten
Anders als personenbeziehbare Daten unterliegen reine Maschinendaten, die nicht auf eine Person zurückgeführt werden können,nicht den datenschutzrechtlichen Spielregeln. Bei der Entwicklung entsprechender Standards werden praktikable Abgrenzungen zwischen Maschinen- und Personendaten benötigt. Die Standards sollten Handlungsspielräume (wie z. B. Obergrenzen und sonstige vertragliche Regelungsmöglichkeiten) einbeziehen. Rechtliche Standards müssen die Frage umfassen, wann Maschinendaten personenbeziehbar sein können und Datenschutz- und Urheberrecht damit zu beachten sind.
Fazit zu Big Data
Personenbeziehbare Daten
Weiterentwicklung von Datenschutz als fortlaufender Begleitprozess zur Digitalisierung
EU-weit möglichst harmonisierte Datenschutzvorgaben erarbeiten
Weltweit Mindeststandards abstimmen
Maschinendaten
Klärung des Datums „Personenbeziehbarkeit“ und Entwicklung von Standards
Worum geht es?
Um im internationalen Vergleich bei der Digitalisierung standzuhalten, sollten in Deutschland neben der Einführung einer steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung mehr Anreize in Form von steuerlichen Begünstigungen für die Anschaffung digitaler Wirtschaftsgüter eingeführt werden. Erleichterungen insbesondere bei der Abschreibung und im Rahmen
eines Investitionsabzugs könnten deutsche Unternehmen gezielt fördern und damit auch den Wirtschaftsstandort Deutschland langfristig stärken.
Einschätzung
Bestimmte Wirtschaftsgüter des digitalen Lebens, wie z. B. gekaufte Software können momentan grundsätzlich nach einer vorgegebenen Nutzungsdauer zwischen 3 und 5 Jahren abgeschrieben werden. Dies ist oft nicht mehr zeitgemäß. Hier sollte über eine Verkürzung nachgedacht werden.
Zudem könnte eine Einführung der degressiven Abschreibung für Hard- und Softwarelösungen eine sinnvolle ergänzende Maßnahme darstellen. Steuerliche Abzüge für Investitionen können bisher für Software (Ausnahme: Trivialsoftware) nicht geltend gemacht werden. Würde dies geändert, könnte dies die Investitions- und Innovationskraft verbessern.
Fazit zu Abschreibungen für Investitionen in digitale Wirtschaftsgüter
Sinnvoll wäre:
Verkürzung der Abschreibungsdauer auf bestimmte Wirtschaftsgüter des digitalen Lebens
Einführung der degressiven Abschreibung für Hard- und Softwarelösungen
Öffnung der Regelungen zum Investitionsabzug für bestimmte digitale Wirtschaftsgüter
Generell Attraktivität der Regelungen zum Investitionsabzug steigern
Rechtssicherheit in der Digitalisierung schaffen
Worum geht es?
Bei Industrie 4.0 handeln Maschinen oder Roboter selbstständig und kommunizieren mit ihrer Umwelt. Optimale Produktionsabläufe setzen voraus, dass Maschinen untereinander rechtlich wirksame Erklärungen austauschen und bindende Vereinbarungen schließen können (sog. Maschinenerklärungen). Ab einem gewissen Grad der Automatisierung wird der Empfänger einer Erklärung nicht mehr mit Sicherheit sagen können, ob diese vom System erzeugt oder vom Nutzer des Systems selbst abgegeben wurde.
Einschätzung
Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ist die Abgabe von Willenserklärungen bislang nur durch Menschen vorgesehen. Rechtliche Fragen, die sich im Zusammenhang mit Maschinenerklärungen ergeben, unterscheiden sich nicht von den von Menschen abgegebenen Erklärungen. So sind auch von Maschinen abgegebene Erklärungen, dem zuzurechnen, aus dessen Sphäre sie tatsächlich stammen. Das ist derjenige, der für den Empfänger der Erklärung erkennbar eine rechtserhebliche Erklärung abgibt. Im Fall von Maschinenerklärungen ist das regelmäßig der Nutzer des Systems. Fehlerhafte Erklärungsinhalte können, wie bisher auch, über die Regelungen der Anfechtbarkeit von Willenserklärungen beseitigt werden. Es besteht deshalb kein grundsätzlicher Bedarf an spezieller gesetzlicher Regelung. Rechtssicherheit kann dadurch geschaffen werden, dass im BGB der Zusatz aufgenommen wird, dass die Vorschriften für Willenserklärungen, Verträge und Vertretung auch gelten, wenn diese unter Verwendung von Maschinen erfolgen.
Fazit zu Maschinenerklärungen
Eine Klarstellung zur Rechtssicherheit bei Maschinenerklärungen im Bürgerlichen Gesetzbuch BGB ist ausreichend.
Worum geht es?
Klauselverbote in allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die Gerichte für Verbrauchergeschäfte entwickelt haben, werden zunehmend auf den unternehmerischen Geschäftsverkehr ausgeweitet. Das hat zur Folge, dass die Vertragsfreiheit stark begrenzt ist. Als Reaktion hierauf gehen deutsche Unternehmen dazu über, deutsches Recht in ihren Verträgen auszuschließen. Das führt zu Standortnachteilen für die deutsche Wirtschaft. Für KMU ist eine Rechtswahl zugunsten eines ausländischen Rechts mit erhöhten Kosten und rechtlichen Unsicherheiten verbunden. Start-ups werden sich bei diesen Standortnachteilen möglicherweise gleich im Ausland ansiedeln.
Einschätzung
Die Flexibilisierung des AGB-Rechts fördert die internationale Wettbewerbsfähigkeit und stärkt die Akzeptanz des deutschen Rechts. Klauselverbote hingegen bremsen die Digitalisierung in Deutschland und behindern innovative Geschäftsmodelle.
Das AGB-Recht ist dahingehend zu reformieren, dass Haupt- und Nebenpflichten in Verträgen im unternehmerischen Geschäftsverkehr individuell vereinbart werden können, ohne dass sie der AGB-Kontrolle unterliegen.
Bedenken, dass KMU über flexiblere AGB-Klauseln in die Haftungsfalle gegenüber den wirtschaftlich überlegenen Unternehmen geraten könnten, sollten nicht über Einschränkungen der Vertragsfreiheit gelöst werden. Das ist eine Kernaufgabe des Kartell- und Wettbewerbsrechts. Die Flexibilisierung des AGB-Rechts im B2B-Geschäftsverkehr stärkt die Vertragsfreiheit
Fazit zu Digitalisierung und Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)
Das AGB-Recht sollte weiterentwickelt und flexibilisiert werden.
Worum geht es?
Datenschutz ist das Recht des Einzelnen, frei über den Einsatz (ob) und die Verwendung (wie) seiner Daten entscheiden zu können.
Einschätzung
In einer digitalen Welt stellen sich Fragen des Rechts auf Privatheit in stärkerem Umfang in allen Bereichen der Wirtschaft. Ein stabiler Rechtsrahmen und mittelfristig europa-/weltweite Standards sind angesichts der Möglichkeiten der Datenerhebung, -auswertung und -weitergabe in einer vernetzten Welt unerlässlich. Die Vertragsfreihei sollte Vorrang haben vor staatlicher Reglementierung. Grenzen und Verantwortlichkeiten müssen ebenso geklärt werden wie Fragen der Eigentums- und Nutzrechte an Daten sowie die Frage, in welchem Umfang mit Daten bezahlt werden kann (Daten als Entgelt). Transparenz und Information müssen in ein angemessenes Verhältnis zu den Interessen der Betroffenen und Unternehmen gebracht werden. Ein Information-
Overload ist zu vermeiden. Das schafft nur Bürokratieaufwand, ohne dass damit ein Nutzwert verbunden wäre.
Fazit zu Datenschutz und Digitalisierung
Notwenig ist:
Weiterentwicklung von Datenschutz als fortlaufender Begleitprozess zur Digitalisierung
Vorrang von Vertragsfreiheit und Selbstregulierung vor staatlicher Regelung
Worum geht es?
Der Einsatz von smarten Maschinen und IT am Arbeitsplatz ermöglicht das Sammeln und Auswerten vielfältiger Arbeitnehmerdaten. Der Arbeitnehmer wird gläsern. Es gilt, datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen und hierbei die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer angemessen zu berücksichtigen.
Einschätzung
Ein modernes Arbeitnehmerdatenschutzrecht muss Pflichten und Grenzen klar regeln. Grundsätze von Datenschutz durch Technik/- voreinstellung müssen bereits bei der Entwicklung berücksichtigt werden. Hierbei wird es Aufgabe des nationalen Gesetzgebers sein, datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Denn die DS-GVO sieht hierfür eine sogenannte Öffnungsklausel (nationale „Kann“-Regelung) vor. Allerdings werden die Grundsätze der DS-GVO auch im Bereich des Arbeitnehmerdatenschutzes gelten. Die DS-GVO wird Big Data ermöglichen, aber angesichts hoher Hürden wird eine rechtskonforme Umsetzung auch in der digitalen Arbeitswelt ein Spagat bleiben.
Ein modernes Arbeitnehmerdatenschutzrecht sollte technikneutral sein und in Zeiten von Big
Data den Unternehmen den Einsatz von Technik und neuen Kommunikationsmedien in einem ausgewogenen Verhältnis zu den Belangen der Beschäftigten ermöglichen. Unnötige Bürokratievorgaben (wie z. B. Schriftformerfordernisse bei Einwilligungen von Arbeitnehmern) sind zu streichen. Ferner darf eine nationale Regelung des Beschäftigtendatenschutzes nicht dazu führen, dass europaweit agierende Unternehmen deutlich abweichende Rechtsverhältnisse zum Arbeitnehmerdatenschutz in den EU-Mitgliedstaaten z. B. zu den Themen „E-Mail- und Internetnutzung am Arbeitsplatz“ vorfinden. Insoweit sollte es Ziel sein, sich EU-weit möglichst auf Mindeststandards zu verständigen.
Fazit zu Arbeitnehmerdatenschutz und Digitalisierung
Ziel muss sein:
Übermäßige Bürokratisierungen sind zu vermeiden.
EU-weite Mindeststandards zum Arbeitnehmerdatenschutz sind abstimmen.
Rechtssicherheit muss für den Einsatz von IT und Innovation in der Arbeitswelt geschaffen werden.
Worum geht es?
Das Recht auf „Datenportabilität“ soll Personen die Kontrolle über eigene Daten in IT-gestützten Verarbeitungen geben. So soll damit z. B. der Wechsel von einer Social-Media-Plattform zu einer anderen erleichtert werden.
Einschätzung
Technisch müssen für die Datenportabilität Formate entwickelt werden, die interoperabel sind und damit eine Datenübertragbarkeit auf einen neuen Vertragspartner ermöglichen. Rechtlich geht es um die Klärung von Voraussetzungen und Grenzen des Rechts auf Datenportabilität, dessen generelle bzw. branchenspezifische Notwendigkeit und das Verhältnis zu Sonderregelungen (wie gesetzliche Pflichten zur Datenweitergabe beim Wechsel von Energieanbietern und Banken).
Fazit zur Datenportabilität
Notwendig ist die Klärung
von Umfang und Grenzen des Rechts auf Datenportabilität und
des Verhältnises zu Sonderregelungen.
Worum geht es?
Unternehmen liefern immer häufiger grenzüberschreitend und bieten Dienstleistungen im Rahmen von Online-Geschäftenüber die Grenzen hinweg an. Dadurch müssen sie sich zwangsläufig auch mit dem gültigen ausländischen Umsatzsteuerrecht auseinandersetzen.
Die EU-Kommission schlägt in ihrem Mehrwertsteuer-Aktionsplan vom 7. April 2016 diverse Änderungen bei der Umsatzsteuer vor, von den Steuersätzen zu Änderungen bei B2B- und B2C-Lieferungen bis hin zum Reverse-Charge-Verfahren. Gerade der wachsende Online-Markt im B2C-Bereich (Online-Shopping von Kleidung, Herunterladen von Apps etc.) stellt die unterschiedlichen ausländischen Steuersätze in den Fokus.
Einschätzung
Oft ist unklar, welche aktuellen Steuersätze in den einzelnen EU-Staaten bei Online-Geschäften gelten. Nicht selten treten Gesetzesänderungen unterjährig in Kraft, ohne dass dies für die Unternehmer rechtzeitig erkennbar wäre. Betroffene Unternehmer benötigen diese bei der Preisgestaltung, der Rechnungsausstellung, beim Mini-One-Stop-Shop (MOSS). Die Politik sollte auf die Einführung einer laufend aktualisierten EU-Datenbank (Online-Tool) für alle EU-Steuersätze hinwirken, damit diese schnell und unbürokratisch abgerufen werden können.
Fazit zur Einführung einer EU-weiten Datenbank zu Umsatzsteuersätzen
Es ist dringend notwendig, eine laufend aktualisierte EU-Datenbank für Umsatzsteuersätze einzuführen.
Wettbewerb sichern in der Digitalisierung
Worum geht es?
Internetplattformen sind unverzichtbar für den Marktzugang von Produkten und Dienstleistungen. Neben reinen Suchmaschinen haben sich Online- Plattformen mit unterschiedlichsten Geschäftsmodellen etabliert. In der Regel werden die Angebote werbefinanziert und für den User entgeltfrei angeboten. Der „Nutzer“ der Plattform ist oftmals der Suchende, aber inzwischen zunehmend auch der „Gelistete“. Letzterer kann Werbung schalten und/oder sein Ranking anders beeinflussen.
Auf Anhieb ist dies den Plattformen nicht anzusehen. Plattformen sind Intermediäre zwischen verschiedenen Personengruppen. Plattformgestützte Geschäftsmodelle treten online in Konkurrenz zu herkömmlichen Geschäftsmodellen (beispielsweise Uber, Flixbus zu Taxi- und Omnibusgewerbe, Amazon zu stationärem Handel und Online-Shops, Airbnb zu Hotels).
Von Plattformen, Intermediären und Anbietern digitaler Produkte/Dienstleistungen werden gewaltige Mengen von Daten gesammelt, die nicht mehr mit herkömmlicher Datenverarbeitung erfasst werden können (Big Data). Technische Möglichkeiten wie das Geoblocking oder vertragliche Beschränkungen (selektiver Vertrieb, Plattformverbote, Bestpreisklauseln
etc.) ermöglichen es, Märkte für User im Internet zu beschränken.
Einschätzung
Auch für digitale Plattformen, Intermediäre und digitale Geschäftsmodelle unterliegen dem geltenden Recht und stellen keinen rechtsfreien Raum dar. Indirekte Netzwerkeffekte, nur schwer substituierbare digitale Geschäftsmodelle, die mögliche Vermischung horizontaler und vertikaler
Beschränkungsmöglichkeiten, weil die Angebote sich an verschiedene Personengruppen richten, sowie die Sammlung riesiger Datenmengen über die User können zu Konzentrationen (Lock-in) und damit einseitiger Marktmacht von Unternehmen führen. Die entstandene Marktmacht kann zur Beschränkung des Plattformzugangs oder zur Bündelung und Bevorzugung eigener Angebote
genutzt werden (leveraging).
Zwischen Plattformen und etablierten Marktakteuren sollte fairer Wettbewerb sichergestellt sein. Intransparente Geschäftsmodelle und Monopolisierungen schaden dem fairen Wettbewerb und erschweren eine wirksame Rechtsdurchsetzung. Das Kartellrecht ist grundsätzlich ein mögliches Instrument, den Missbrauch von Marktmacht zu verhindern. Die Definition von Marktmacht muss dem Entstehen vielpoliger Märkte gewachsen sein.
Fazit zur Intermediären und Plattformen
Für alle Akteure sollte ein Level Playing Field geschaffen werden.
Bei der Rechtsanwendung und Rechtsentwicklung sollten Besonderheiten digitaler Plattformen berücksichtigt werden.
Sektorspezifische Regulierungen sollten nur ergehen, wenn ein Marktversagen nachweisbar ist
Worum geht es?
Im Rahmen des zunehmenden Online-Handels werden digitale Plattformbetreiber mit umsatzsteuerlichen Missbrauchsvorwürfen konfrontiert. Händler aus Staaten außerhalb der EU (Drittstaatenhändler), vor allem aus dem asiatischen Raum, nutzen die Plattformen, um z. B. Waren an deutsche Kunden vertreiben zu können, ohne ihren Umsatzsteuerpflichten in Deutschland nachzukommen.
Dies führt gegenüber deutschen und europäischen Händlern zu Wettbewerbsverzerrungen und zu hohen Steuerausfällen seitens des Fiskus. Problematisch dabei ist, dass den Finanzbehörden, mangels entsprechender Abkommen mit den Drittstaaten, oft der Zugriff auf diese Drittstaatenhändler verwehrt wird.
Einschätzung
Wettbewerbsverzerrungen und Steuerausfälle sind nicht hinnehmbar. Mit Blick auf entgangene Umsatzsteuereinnahmen wurde in Großbritannien eine Haftung der Plattformbetreiber für die nicht abgeführte Umsatzsteuer der Drittstaatenhändler eingeführt. Das könnte auch eine Möglichkeit sein, die Besteuerung in Deutschland im Zeitalter der Digitalisierung sicherzustellen. Andererseits könnte die Einführung einer generellen Haftung insbesondere von kleineren Plattformen diese stark belasten und ggf. das Geschäftsmodell gefährden. Die Wirtschaft bekennt sich zu ihrer Bereitschaft, hier im Dialog mit Politik und Verwaltung an einer tragfähigen Lösung mitzuwirken.
Dabei sollten die vielfältigen und ggf. unterschiedlichen praktischen Abläufe bei Plattformstrukturen im Blick behalten werden, um sicherzustellen, dass etwaige Neuregelungen zielgenau wirken und Kollateralschäden vermieden werden. Aus ordnungspolitischer Sicht ist hierbei auch zu fragen, in welchem Umfang Verantwortlichkeiten und Überwachungsaufgaben von staatlicher Seite auf private Unternehmen, die als Intermediäre wirken, übertragen werden sollten.
Es wäre grundsätzlich wünschenswert, dass die Staaten vorrangig durch verstärkte internationale Zusammenarbeit den Vollzug von steuerlichen Registrierungs- und Abführungspflichten
sicherstellen. Es sollte eine EU-einheitliche Handhabung angestrebt werden.
Fazit zu Umsatzsteuer bei digitalen Plattformen
Es ist notwendig, im Dialog mit Politik und Verwaltung zu einer zielgenauen Lösung zum Kampf gegen Wettbewerbsverzerrungen und Steuerausfälle kommen.
Notwendig ist eine verstärkte internationale Zusammenarbeit der Staaten bei Plattformverkäufen durch Drittstaatenhändler.
Eine EU-einheitliche Handhabung der Umsatzsteuersicherung bei Plattformverkäufen durch Drittstaatenhändler ist anzustreben.
Verantwortung in der Digitalisierung gestalten
Worum geht es?
Digitalisierung im Besteuerungsverfahren - das sind bisher vor allem Vorhaben zur Steigerung der Effizienz bei der Finanzverwaltung. Entlastungen für die Unternehmen stehen dagegen nicht im Fokus. Außerdem müssen die Betriebe staatliche Verwaltungsaufgaben – beispielsweise bei der Umsatzsteuer und der Lohnsteuer – erfüllen („Hand- und Spanndienste“), die sie zusätzlich belasten.
Einschätzung
Der Nutzen der Digitalisierung bei der Besteuerung darf nicht nur der Finanzverwaltung zu Gute kommen. Er sollte auch zu Erleichterungen für die Betriebe führen. Dies gilt auch für die von den Unternehmen zu erfüllenden staatlichen Verwaltungsaufgaben. Die Betriebe sollten insbesondere von den in den vergangenen Jahren – beispielsweise im Rahmen der E-Bilanz – gewachsenen elektronischen Zugriffsmöglichkeiten der Finanzverwaltung profitieren, indem steuerliche
Betriebsprüfungen zeitnah und zeitlich gestrafft durchgeführt werden.
Entsprechend könnten auch die Aufbewahrungsfristen der Steuerunterlagen verkürzt werden. Ferner sollte vor Einführung von digitalen Neuerungen die technische Machbarkeit sorgfältig in der Praxis geprüft werden, um unnötige Belastungen für die Betriebe zu vermeiden. I
Mehr Kooperation von Steuerstaat und Unternehmen statt Konfrontation wäre für beide Seiten von Vorteil. Eine erhöhte, freiwillige Transparenz und Kooperation der Betriebe – über ihre
gesetzlichen Verpflichtungen hinaus – würde durch ein verlässliches Anreizsystem des Staates flankiert. Der wesentliche Nutzen für die Unternehmen besteht insbesondere in schnellerer Rechtssicherheit und besserer Planbarkeit. Für die Finanzverwaltung ergibt sich als wesentlicher Vorteil ein ressourcenschonenderer Steuervollzug. Die Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens kann die Umsetzung eines solchen kooperativen Ansatzes unterstützen.
Fazit zur Digitalisierung und Besteuerung
Ziel sollte sein:
Modernisierung und Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens praxisgerecht umzusetzen,
Keine einseitigen Vorteile für die Finanzverwaltung zu erreichen und
Kooperation statt zu Konfrontation stärken.
Worum geht es?
Die Digitalisierung schafft jedem Einzelnen, insbesondere aber auch Verbrauchern neue Möglichkeiten und Freiräume bei der Beschaffung von Informationen, der Gestaltung von Lebenssachverhalten und der öffentlichen Einflussnahme.
Einschätzung
Der Verbraucher ist ein wesentlicher Faktor für den Erfolg digitaler Geschäftsmodelle und Angebote. Dem Digitalisierungsdruck ausgesetzte Unternehmen sind deshalb mehr denn je auf einen „aufgeklärten, objektiven und informierten Verbraucher“ angewiesen.
Wollen Politik und Gesetzgeber die Digitalisierung aller Wirtschaftsbereiche fördern, sollten sie deshalb das vom EuGH herausgebildete Verbraucherleitbild zum Maßstab ihres Handelns machen. Das Prinzip der Verantwortung für eigenes Handeln auch aufseiten der Verbraucher ist zeitgemäß, denn gerade in Zeiten der Digitalisierung gilt für alle Betroffenen der Grundsatz „Freiheit bedingt Verantwortung“. Schon heute sieht die Wirtschaft sich einer Zahl von Informationspflichten ausgesetzt, die selbst Verbraucher als Flut beklagen.
Fazit zum Verbraucherleitbild in der Digitalisierung
Informationspflichten dürfen nicht weiterhin das vermeintliche Allheilmittel bei bestehenden Vollzugsdefiziten sein.
Es soll keine neue Behördenstruktur für die Durchsetzung von Rechten geschaffen werden, die bereits bisher effektiv, schnell und kostengünstig zivilrechtlich durchgesetzt werden.
Worum geht es?
Digitalisierung und technische Vernetzung ermöglichen es, an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten zu arbeiten. Arbeitnehmer werden zunehmend auch außerhalb des Betriebs nicht nur im Homeoffice, sondern aufgrund neuer Kommunikationsmittel auch an anderen Orten arbeiten. Mit Smartphone, Tablet und Cloud können bereits auf dem Weg zur Arbeit E-Mails
gecheckt, auf Reisen Papiere entworfen oder im Freien gearbeitet werden.
Einschätzung
Arbeitnehmer können Familie und Beruf aufgrund der technischen Möglichkeiten der Digitalisierung passgenauer in Einklang bringen. Ebenso profitieren Arbeitgeber bei steigender Kurzfristigkeit der Projekte von Flexibilität.
Gleichzeitig besteht aufgrund der örtlichen und zeitlichen Entgrenzung von Arbeit und Privatleben die Gefahr der Überforderung. Der Arbeitsschutz obliegt in erster Linie dem Arbeitgeber. So verpflichtet ihn beispielsweise das Arbeitsschutzgesetz, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit beeinflussen. Dafür sind eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen und Maßnahmen regelmäßig zu überprüfen und ggf. anzupassen.
Wird die Arbeitsleistung jedoch außerhalb des Betriebs erbracht und kann der Arbeitnehmer selbst bestimmen, wo er arbeitet, ist die Überwachung für den Arbeitgeber schwierig. Arbeitsschutz und Fürsorgepflichten im Zeitalter der Digitalisierung erscheinen damit in einem anderen Licht als bisher. Daher sollte die Eigenverantwortung des Arbeitnehmers stärker eingefordert werden. So könnten beispielsweise allgemeine Informationen an den Arbeitnehmer über den Gesundheitsschutz den Arbeitgeber bei mobiler Arbeit unter bestimmten Voraussetzungen von seinen Pflichten nach dem Arbeitsschutzgesetz entbinden (informierte Freiwilligkeit).
Fazit zur Eigenverantwortung des Arbeitnehmers bei der Digitalisierung
Die Eigenverantwortung des Arbeitnehmers sollte bei örtlicher Souveränität stärker eingefordert werden.
Worum geht es?
Aufgrund der sich schnell ändernden Anforderungen der Digitalisierung nutzen Unternehmen zunehmend agile Projektorganisationsformen. Häufig arbeiten dabei Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen und auch sogenannte Soloselbstständige zusammen. Agile Projektformen, wie beispielsweise Scrum, werden nicht mehr nur bei der Softwareentwicklung, sondern auch in anderen Bereichen eingesetzt.
Aufgrund der Komplexität der Projekte werden Anforderungen von internen und externen Mitarbeitern im Team gemeinsam entwickelt. Hinsichtlich der Abgrenzung zur verdeckten Arbeitnehmerüberlassung oder Scheinselbstständigkeit bestehen dabei oft Unsicherheiten.
Einschätzung
Der Rechtsrahmen sollte die sich mit der Digitalisierung ergebenden Möglichkeiten
nicht ohne Grund einschränken. Deshalb sollte bei der Zusammenarbeit der Unternehmen in agilen Arbeitsformen der Vertragsfreiheit mehr Gewicht zukommen, solange keine missbräuchliche Vertragsgestaltung vorliegt.
Zudem ist zu überlegen, spezifische Regelungen für die Zusammenarbeit interner und externer Experten zu entwickeln, die Rechtssicherheit geben. Auch könnte man für die allgemeine Zusammenarbeit mit Soloselbstständigen unter bestimmten Voraussetzungen eine zusätzliche
Option einräumen: Wenn der Soloselbstständige vom Auftraggeber auf die Frage der Abgrenzung abhängig Beschäftigter/Selbstständiger hingewiesen wird und binnen eines Monats kein Statusfeststellungsverfahren beantragt, ist es ihm verwehrt, sich später auf eine Scheinselbstständigkeit zu berufen, es sei denn, es liegt Missbrauch vor.
Hinsichtlich der Möglichkeit der Statusfeststellung durch die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung bestehen seitens der Unternehmen oft Bedenken dahingehend, dass die Deutsche Rentenversicherung selbst ein Interesse an der Beitragszahlung hat. Die Hemmschwelle, die Vertragsverhältnisse überprüfen zu lassen, würde reduziert, wenn dies durch eine neutrale, von der Deutschen Rentenversicherung unabhängige Stelle erfolgen würde.
Fazit zu agilem Arbeiten und Digitalisierung
Notwendig ist:
Rechtssicherheit beim agilen Arbeiten zu schaffen,
Vertragsfreiheit mehr Gewicht zu geben,
bei Soloselbstständigen Hinweismöglichkeit zu diskutieren und
Einrichtung einer neutralen Stelle zur Statusfeststellung anzustreben.
Worum geht es?
Gesundheitsschutz und Sicherheit der Arbeitnehmer sind hohe Güter, die das Arbeitszeitgesetz schützen soll. In der betrieblichen Praxis erweist sich das Arbeitszeitgesetz jedoch gerade in der Digitalisierung als bürokratisch und umständlich und gewährt damit Arbeitgebern wie Arbeitnehmern nicht die gewünschten Spielräume. 86 % der bayerischen Unternehmen sprechen sich dafür aus, dass Arbeitszeitregelungen flexibilisiert und Aufzeichnungspflichten gelockert werden (BIHK-Unternehmensbarometer 2016). Neben der Begrenzung der täglichen Arbeitszeit auf acht bzw. zehn Stunden bereitet die elfstündige ununterbrochene Ruhezeit den Unternehmen oft Schwierigkeiten. Auch der von den Arbeitnehmern aufgrund veränderter Lebensmodelle (veränderte Rollenbilder in der Familie, „worklife-balance“) begehrten Flexibilität steht beides oft entgegen. Hinzu kommen Unsicherheiten, ob jede kurze E-Mail am Abend den erneuten Lauf der elfstündigen Ruhezeit auslöst.
Einschätzung
Unter Beibehaltung von Gesamtarbeits- und Ruhezeit sowie Freizeitanteil sollten mehr Spielräume bei der Arbeitszeitgestaltung geschaffen werden. Neben der Umstellung auf eine mindestens wöchentliche Höchstarbeitszeit und der grundsätzlichen Prüfung, ob es mit dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer vereinbar ist, die elfstündige Ruhezeit generell zu verkürzen, sollten abweichende Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in bestimmten Grenzen ermöglicht werden. Ergänzend könnten Abweichungen von der Ruhezeit in einem gewissem Umfang, beispielsweise zweimal pro Woche nur neunstündige Ruhezeit, oder
für weniger belastende oder die Erheblichkeitsschwelle nicht übersteigende Tätigkeiten gesetzlich zugelassen werden.
Denkbar wäre auch, statt der kleinteiligen Ausnahmeregelungen im Arbeitszeitgesetz völlig andere Arbeitszeitmodelle zu entwickeln und den Unternehmen hier ein Opt-in zu ermöglichen.
Für die vorgenannten Vorschläge bedürfte es teilweise auch einer Anpassung der EU-Arbeitszeitrichtlinie. Um reibungslose betriebliche Arbeitsabläufe zu gewährleisten, ist das Weisungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit entscheidend.
Fazit zu Arbeitszeit und Digitalisierung
Ohne Änderung von Gesamtarbeits- und Gesamtruhezeit sowie des Freizeitanteils könnten die nachfolgenden Vorschläge zu mehr Flexibilität beitragen:
Auf mindestens wöchentliche Höchstarbeitszeit umstellen
Prüfen, ob generelle Verkürzung der elfstündigen Ruhezeit mit dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer vereinbar ist
Mindestens Abweichungen von elfstündiger Ruhezeit in gewissem Umfang und für weniger belastende oder die Erheblichkeitsschwelle nicht übersteigende Tätigkeiten gesetzlich zulassen
Abweichende Vereinbarungen von elfstündiger Ruhezeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in bestimmten Grenzen ermöglichen
Andere Arbeitszeitmodelle entwickeln mit der Möglichkeit des Opt-in für die Unternehmen
Weisungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich Lage der Arbeitszeit nicht einschränken