Wärme: Klimaschutz gezielt fördern
Der Wärmesektor birgt große Potentiale für den betrieblichen Klimaschutz. Je nach Unternehmensgröße und Branche bieten sich verschiedene Lösungen an, um die Produktion bzw. Nutzung von Wärme im Betrieb zu optimieren und damit zur Reduktion des THG-Ausstoßes beizutragen. Maßnahmen im Wärmesektor sind allerdings meist sehr kostenintensiv in der Umsetzung. Gezielte Anreize, z. B. durch Fördermaßnahmen seitens der Politik, können deshalb die Verbreitung innovativer Wärmetechnologien in Unternehmen deutlich beschleunigen.
Als IHK setzen wir uns daher bei der Politik u. a. dafür ein, dass Klimaschutzmaßnahmen im Wärmesektor gezielt und anreizbasiert gefördert werden.
Wie die Optimierung von betrieblichen Wärme- und Energieprozessen aussehen kann, schildert Johann Eibl, Leiter Energie und Medien bei der Wacker Chemie AG.
Wacker Chemie AG: Branchenspezifika gezielt für den Klimaschutz nutzen
Die Wacker Chemie AG aus München ist mit seinen 14.500 Mitarbeitern weltweit einer der Technologieführer der chemischen Industrie. Der größte Produktionsstandort des Konzerns, auf 2,3 Quadratkilometern mit 100 Betrieben und gut 8.000 Mitarbeitern, ist Burghausen. Wacker beliefert eine große Bandbreite von Abnehmerbranchen mit gut 3.200 chemischen Spezialprodukten, auf denen somit eine Vielzahl von Gütern des täglichen Lebens basiert – vom Kosmetikpuder über den Kaugummi bis zur Wandfarbe und dem Smartphone. Als einer der weltweit größten Hersteller von Polysilizium, Kernbestandteil von PV-Modulen und Halbleiterprodukten, ist das Unternehmen zudem ein wichtiger Lieferant der globalen Energiewende.
Für Wacker sind klima- und energiepolitische Entscheidungen und deren Effekte auf die Wirtschaft daher von besonderem Interesse. Auch deshalb, weil die Produktionsprozesse des Unternehmens sehr energieintensiv sind. Im Jahr 2019 benötigten die deutschen Wacker-Standorte rund 4.000 GWh Strom, das entspricht einem Anteil am nationalen Stromverbrauch von ca. 0,8 %. Die stetige Optimierung des eigenen Energieverbrauchs ist daher ein großer Hebel, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren. Die Einsparung bzw. Rückgewinnung von Wärme bietet sich dabei für Wacker branchenbedingt und aufgrund seiner energieintensiven Fertigungsprozesse besonders an.
Bei vielen chemischen Reaktionen wird Wärme frei, die wir für weitere Produktionsprozesse nutzen. An den beiden größten deutschen Standorten Burghausen und Nünchritz praktizieren wir seit Jahren zusätzlich zur Wärmerückgewinnung erfolgreich auch Wärmeverbundsysteme und verbessern bzw. erweitern diese ständig. Das heißt wir koppeln wärmesenkende Anlagen mit den Wärmequellen und nutzen Abwärme zum Heizen. Bestes Beispiel ist die thermische Trennung im Destillationsbereich. So reduzieren wir in unseren Kraftwerken spürbar den Einsatz von Primärenergie. Unter dem Strich konnten wir den absoluten Wärmebedarf des Werkes in Burghausen ggü. 2010 trotz deutlich gestiegener Produktionsmengen bereits um rund ein Drittel verringern. Über die Hälfte des verbliebenen Dampfbedarfs wird mittlerweile dezentral aus Wärmerückgewinnungsanlagen der Betriebe eingespeist. Nur noch knapp die Hälfte des Bedarfs muss auf Erdgasbasis im eigenen Kraftwerk erzeugt werden. An weiteren Dampfeinsparungen arbeiten wir. Analog verfahren wir am Standort Nünchritz.
Bei der Energieerzeugung setzen wir vor allem auf Erdgas. In Burghausen erzeugen wir sowohl Dampf als auch Strom selbst. Dies erfolgt in gekoppelter Produktion in einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage (KWK-Anlage). Die hocheffiziente KWK-Anlage weist mit fast 90 Prozent einen deutlich höheren Brennstoffnutzungsgrad auf als dies bei konventionellen Kraftwerken der Fall ist. Hier werden im Normalfall Nutzungsgrade von zumeist weniger als 50 Prozent erzielt. Zusammen mit unserem Wasserkraftwerk „Alzwerke“ – übrigens der Grund für die Ansiedlung des Werks in Burghausen zu Beginn der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts – erzeugen wir damit am Standort rund die Hälfte des Strombedarfes in Eigenregie.
Die KWK-Anlage wurde 2019 grundlegend modernisiert und die seit fast 20 Jahre im Einsatz befindliche Gasturbine gegen eine neue effizientere Turbine ausgetauscht. Die Modernisierung der KWK-Anlage erfolgte aus wirtschaftlichen Gründen sowie aus Gründen der Nachhaltigkeit. Die neue Anlage wird weiterhin mit einer elektrischen Leistung von über 135 MW netzdienlich betrieben und ist von der Bundesnetzagentur als systemrelevant eingestuft. Zudem bewirkt die Modernisierung eine höhere Flexibilität des Kraftwerks. Dadurch ist Teillastbetrieb möglich. Der dampfgeführte Teillastbetrieb erlaubt es, den KWK-Prozess bedarfsgerecht anzupassen. Damit können die in den Produktionsbetrieben getätigten Energieeffizienzmaßnahmen im Kraftwerk entsprechend abgebildet und vor allem Dampf eingespart werden.
Dies lässt sich gut am Beispiel unserer KWK-Anlage in Burghausen aufzeigen. Die Modernisierung der Anlage ist für uns wirtschaftlich und unter klima- und umweltpolitischen Aspekten vorteilhaft. Zur Wirtschaftlichkeit tragen sowohl die vorteilhafteren Kosten der Eigenerzeugung im Vergleich zum Fremdbezug von elektrischer Energie bei als auch die höhere Effizienz der neuen Turbine.
Außerdem trägt der KWK-Prozess maßgeblich zur Reduzierung unserer CO2-Emissionen bei. Durch den KWK-Prozess werden am Standort Burghausen im Vergleich zum öffentlichen Strommix ca. 200.000 t CO2-Emissionen pro Jahr eingespart. Dies entspricht den CO2-Emissionen einer deutschen Stadt mit ca. 20.000 Einwohnern. Darüber hinaus ermöglicht es die verbesserte Abgastechnik der neuen Gasturbine die NOx-Emissionen am Standort signifikant, um ca. 30 %, zu verringern.
Diese Unterstützung ist sehr wichtig für uns. Für die Umsetzung des KWK-Prozesses und vieler Energieeffizienz-Maßnahmen sind bspw. staatliche Förderprogramme von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Zu den für uns besonders relevanten Energieeffizienzprogrammen zählen u. a. „Energieeffizienz in der Wirtschaft“, “Zuschuss und Kredite“ sowie „Wettbewerb Energieeffizienz“. Auch das „Umweltinnovationsprogramm“ und die „Reallabore“ sind hier stellvertretend für die staatlichen Unterstützungsleistungen zu nennen.
Durch diese Förderung war es uns an den Standorten Burghausen und Nünchritz möglich, in den letzten 3 Jahren jährlich mehr als 300 GWh an Wärmeverbrauch einzusparen – ein, wie wir finden, beachtliches Ergebnis. Seit 2019 beobachten wir allerdings eine zunehmende Bürokratisierung und Anonymität, was die Begutachtung von Förderanträgen anbelangt. Hier sollte gegengesteuert werden.
Wir beschäftigen uns aktuell mit ganz verschiedenen Modulen der Energiewende. Dazu gehören zum einen Batteriespeicher, welche zur weiteren Flexibilisierung des KWK-Betriebes, zur Erbringung von Regelleistung und Blindleistung oder als autonom agierende Stromquelle zum sogenannten „Schwarzstart“ eingesetzt werden können. Darunter versteht man das Wiederhochfahren von Betrieben unabhängig vom Stromnetz nach einem Blackout.
Andere Themen, die wir uns genau anschauen, sind Hochtemperaturspeicher, Absorptionskälteanlagen, der Einsatz von PV-Modulen sowie "grüne" Produktionsverfahren. All diese Verfahren werden wir weiterverfolgen und fortlaufend analysieren, ob sie bei uns machbar und wirtschaftlich sinnvoll sind.
In den einzelnen Betrieben untersuchen wir Möglichkeiten der energetischen Prozesssteuerung: Wir arbeiten zum Beispiel an Alternativen zu den herkömmlichen Destillationsprozessen.
Schon heute haben wir sehr ehrgeizige Energieeffizienzziele. Wir haben uns vorgenommen, bis zum Jahr 2022 den spezifischen Energieverbrauch in Deutschland auf die Hälfte des Wertes von 2007 zu senken. Dabei sehen wir uns auf einem guten Weg, haben das Ziel aber noch nicht ganz erreicht. Im Konzern, also global betrachtet, streben wir bis zum Jahr 2030 eine 50-prozentige Reduzierung des spezifischen Energieverbrauchs an. Wir werden alles daran setzen, um unseren Besuchern im Jahr 2030 eine Erfolgsgeschichte erzählen zu können.
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