Internationalisierung im Klimaschutz stärken
Die bayerischen Unternehmen tun bereits viel für den Klimaschutz vor Ort: 80 % planen Energieeffizienzmaßnahmen oder haben diese bereits umgesetzt (Industrie 94 %). Je rund 45 % beschäftigt sich mit dem Aufbau eigener erneuerbarer Energieversorgung, dem Umstieg auf Ökostrom, dem Wechsel auf CO2-ärmere Energieträger oder der Anschaffung von E-Fahrzeugen – Tendenz steigend.
Trotzdem können Betriebe hierbei an Grenzen stoßen. Nicht immer sind wirtschaftlich umsetzbare alternative Technologien bereits am Markt verfügbar. Dann stellen Investitionen in Klimaschutzprojekte im Ausland eine Option dar, trotzdem weiter zur globalen Einsparung von Emissionen beizutragen. Dies zahlt gleichzeitig auf die internationale Etablierung deutscher Klimaschutzstandards ein.
Als IHK setzen wir uns daher u. a. dafür ein, die derzeit bestehenden Unsicherheiten im internationalen Markt der freiwilligen CO2-Kompensationsprojekte zügig auszuräumen. Die Transparenz und die Anrechenbarkeit von Projekten sollten gestärkt und langfristig sichergestellt werden, um Unternehmen eine sinnvolle Nutzung dieser freiwilligen Klimaschutzleistungen zu erleichtern und den zugrundeliegenden Investitionen sowie Klimaschutzeffekten besser Rechnung zu tragen.
Wieso internationale Maßnahmen eine wichtige Säule betrieblicher Klimastrategien darstellen können, wie sie gestaltet und welche Hürden dabei auftreten können, erläutert Jessica Paffen, Leiterin Corporate Sustainability bei der BayWa AG.
BayWa AG: Unsere Verantwortung für das Klima verstehen wir nicht nur national
Die BayWa AG ist mit 17,1 Mrd. Euro Umsatz und über 20.000 Beschäftigten (2019) Deutschlands größter Händler für Agrarprodukte. Gegründet in 1923 lag der Fokus zunächst auf Geschäften im Süden Deutschlands und in Österreich. In den darauffolgenden Jahren kamen stetig weitere Weltregionen hinzu. Aktuell unterhält das Unternehmen Standorte in 30 Ländern und ist auch international führend beim Handel mit landwirtschaftlichen Rohstoffen. Die BayWa ist zudem in den Sektoren Bau sowie Energie tätig. Über die BayWa r.e. renewable energy GmbH treibt der Konzern weltweit Projekte zu regenerativen Energien voran.
Um den vielfältigen Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen, hat die BayWa AG 2018 eine Klimastrategie verabschiedet. Mit ihr strebt der Konzern u. a. an, bis 2030 klimaneutral zu wirtschaften. Um dies zu erreichen, sollen zunächst die THG-Emissionen von eigenen Standorten, Firmenwagen und Logistik soweit wie möglich reduziert, der Energieeinsatz vom betrieblichen Wachstum entkoppelt und reduziert sowie die Verwendung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen gesteigert werden.
Der Klimawandel ist eine globale Herausforderung. Gerade als internationaler Konzern verstehen wir unsere Verantwortung für das Klima daher nicht nur national. Die Klimastrategie der BayWa AG kombiniert Klimaschutzmaßnahmen auf nationaler Ebene mit Maßnahmen im Ausland. Bis 2030 streben wir an, konzernweit klimaneutral zu wirtschaften. Der Weg dorthin ist dreispurig. Wir versuchen Emissionen zuerst gar nicht entstehen zu lassen, dann wird bestehender Ausstoß von THG weitestgehend optimiert. Erst gänzlich unvermeidbare Emissionen kompensieren wir in internationalen Klimaschutzprojekten durch den Kauf qualitativ hochwertiger Projektzertifikate. Dies ist für unseren Weg hin zur Klimaneutralität derzeit also ein wichtiger, allerdings nicht der prioritäre Baustein.
Unsere Geschäftsschwerpunkte sind im Agrar-, Energie- und Bausektor. Diese üben wir großteils international aus. Wir sind also branchen- sowie geographisch bedingt besonders von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen und können gleichzeitig mit unserer Expertise ganz direkt ein Teil der Lösung sein. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, aber auch die Verantwortung, uns weltweit für Klimaschutz einzusetzen. Das globale Engagement für Klimaschutz ist also das Selbstverständnis unserer Klimastrategie.
Zudem ist die Entwicklung des deutschen Zertifikatemarktes vergleichsweise jung. Der Markt ist dynamisch. Es gibt aber noch nicht genügend Angebot an Klimaschutzprojekten, welche internationale Bilanzierungsstandards erfüllen. Die Klimaneutralstellung mit nationalen Projekten würde bei unseren Mengen an CO2 schnell unwirtschaftlich. Hinzu kommt die Problematik der Anrechenbarkeit. THG-Einsparungen, die z. B. in regionalen Aufforstungsprojekten erzielt werden, könnten sich die jeweiligen Käufer von Projektzertifikaten auf ihre THG-Bilanz gutschreiben. Gleichzeitig muss Deutschland im Rahmen seiner internationalen Klimavereinbarungen über die THG-Entwicklung in verschiedenen Bereichen berichten. So kann es zu einer Doppelzählung von „Klima-Erfolgen“ kommen. Da uns der Heimatbezug am Herzen liegt, prüfen wir aktuell dennoch wie und in welchem Umfang wir nationale Klimaschutzaktivitäten künftig stärker nutzen können.
Es ist verständlich, dass es Vorbehalte gibt. Darum darf Kompensation für Unternehmen nicht der erste und einzige Schritt sein. Vor der Kompensation steht die Vermeidung von Emissionen und ihre Reduktion. Jedoch sind nicht alle Emissionen vermeidbar. Für die BayWa ist eine hochwertige THG-Kompensation eine hinreichend notwendige Lösung. Ohne beim Klimaschutz stillzustehen können wir damit die Zeit überbrücken, bis es neue Technologien gibt, die den betrieblichen THG-Ausstoß weiter optimieren und somit Schritt für Schritt den Ausgleich unserer THG-Emissionen an anderer Stelle ersetzen.
Stand heute sind bereits einige Bereiche des BayWa Konzerns klimaneutral. Das Geschäftsfeld Global Produce, vormals Obst, macht seit 2016 vor, wie klimaneutrales Wirtschaften funktionieren kann. Nach dem größten Produktionsstandort Kressbronn arbeiten seit 2018 mittlerweile alle deutschen Standorte von Global Produce klimaneutral. Im Jahr 2019 folgte die holländische Konzerntochter TFC Holland. Möglich wurde dies durch eine kontinuierliche Reduktion von THG-Emissionen an den Standorten, u. a. durch Umstellung auf LED-Leuchtmittel, den Einbau von Schnelllauftoren gegen Kälteverlust, die Installation von Solaranlagen für den Eigenbedarf und den Bezug von erneuerbarem Strom.
Durch die erfolgreiche Umsetzung dieser Maßnahmen konnten die genannten Standorte im Jahr 2019 insgesamt eine Reduktion ihrer THG-Emissionen um 65 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erzielen. Abschließend wurden zur endgültigen Klimaneutralität Zertifikate von Projekten im Ausland für die verbliebenen 780 t THG-Emissionen im Jahr 2019 erworben. Konzernweit hat die BayWa in 2019 insgesamt 158.360 t ihrer THG-Emissionen durch den Kauf von Zertifikaten ausgeglichen.
Wir unterstützen auch abseits offizieller zertifizierter Projekte Klimaschutzmaßnahmen weltweit – finanziell bzw. mit Sachspenden. Bspw. haben wir an ein Flüchtlingslager im Irak Solarpanele gespendet und den Aufbau einer netzautarken, solarbetriebenen Kornmühle in Nepal begleitet. Wir wollen bis 2025 weltweit 10 Gigawatt erneuerbare Energieerzeugungskapazitäten zubauen. Über unsere Konzerntochter BayWa r.e. waren davon zum Jahreswechsel bereits über 3 GW umgesetzt. Die BayWa r.e. möchte künftig eigene Kompensationsprojekte im Ausland entwickeln und prüft gerade geeignete Konzepte. Auch in anderen Geschäftsfeldern gibt es bereits erste Ideen für eigene Projekte. Im Agrarbereich denken wir darüber nach, über gezielten Humusaufbau CO2 künftig noch stärker im Boden zu binden. Dabei handelt es sich zunächst um ein nationales Projekt.
Seit 2018 unterstützen wir die Allianz für Entwicklung und Klima, die vom BMZ ins Leben gerufen wurde. Nichtstaatliches Engagement für wirtschaftliche Entwicklung und Klimaschutz erhält dort eine Plattform. Die Allianz fördert die Qualitätssicherung bei der Kompensation von THG-Emissionen in internationalen Projekten. Wir bringen dort unser Know-how ein und profitieren von den Erfahrungen anderer. Alle Unternehmen in der Allianz verpflichten sich zur Einhaltung gewisser Qualitätsstandards beim Zertifikate-Kauf.
Für uns sind die Transparenz und Qualität der Projekte, die wir unterstützen bzw. für die wir Zertifikate erwerben, entscheidend. Dabei sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. Uns ist wichtig, dass die Projekte auf soziale Aspekte sowie Umweltziele gleichermaßen einzahlen und damit sowohl einen Beitrag zur Erreichung der Ziele von Paris als auch der UN-Nachhaltigkeitsziele leisten. Wir haben uns mit einem internen Leitfaden für den Kauf von Klimaschutzzertifikaten einen eigenen hohen Standard gesetzt. Da wir verschiedene Arten von Klimaschutzprojekten unterstützen – z. B. Waldschutz, erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Brennstoffwechsel – nutzen wir bei der Qualitätssicherung einen Mix aus international anerkannten Projekttypen und Standards. Dabei setzen wir v. a. auf die Zertifizierung durch den derzeit höchsten Standard, der neben der Reduktion von THG-Emissionen auch die UN-Nachhaltigkeitsziele im Blick hat.
Die größte Hürde ist derzeit die große Unsicherheit, wie sich der freiwillige Kompensationsmarkt entwickeln wird. Im Jahr 2021 tritt das Pariser Abkommen in Kraft. Bislang steht aber eine politische Einigung zur Weiterführung des Artikels 6 noch aus. Dort ist u. a. geregelt, in welcher Form und Umfang Kompensationsleistungen von Staaten und Unternehmen künftig durchführ- und anrechenbar sein werden.
Eine ständige Herausforderung ist die Qualitätssicherung. Die steigende Nachfrage am Kompensationsmarkt birgt die Gefahr, dass die Güte der Zertifikate nachlässt und ihre angestrebte Wirkung zunehmend verfehlt wird. Daran schließt sich die Grundsatzfrage an, ob die Anrechenbarkeit von Klimaleistungen in Kompensationsprojekten ausgeweitet werden sollte. Aus betriebswirtschaftlicher und Klimaschutzsicht macht das erst Sinn, wenn die Qualität am Markt einfacher und besser nachvollziehbar wird, z. B. durch die Etablierung eines einheitlichen Kontrollsystems auf staatlicher Ebene.
Herausfordernd ist auch die Konzipierung eigener Klimaschutzprojekte. Projekte in Bereichen wie den erneuerbaren Energien werden durch den erfreulichen Fortschritt der Energiewende immer profitabler und somit immer seltener für den Kompensationsmarkt geeignet. Dort gilt das Prinzip der „Zusätzlichkeit“. Zertifizierte Projekte müssen einen zusätzlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten, der aus rein wirtschaftlichen Beweggründen so nicht zustande gekommen wäre. Wir sehen das aber als Chance, uns verstärkt auf sehr innovative Projektideen zu konzentrieren. Bereiche wie Agro- und Floating PV haben nicht nur das Potential als Klimaschutzprojekte am Kompensationsmarkt anerkannt zu werden, sondern bergen auch als neue Geschäftsfelder Zukunftspotential.
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