Verkehr: Technologieoffen vorangehen
Der Verkehr, v. a. der Straßenverkehr mit einem Verbrauchsanteil von rund 80 % an Mineralölprodukten, trägt zunehmend zu den THG-Emissionen in Bayern bei. Um Energiewende und Klimaschutz erfolgreich voranzubringen, muss auch der Verkehrssektor künftig einen deutlichen Beitrag leisten. Die Eigenschaften und Anforderungen dieses Sektors sind sehr heterogen – von der Personenbeförderung bis zum Transport im Schwerlastverkehr. Eine nachhaltige Verbesserung seiner CO2-Bilanz erfordert von der Politik daher einen Mix lokaler Einzelmaßnahmen. Dieser sollte z. B. Anreize zur Verlagerung des motorisierten Individualverkehrs auf den öffentlichen Nahverkehr sowie des Warenverkehrs auf die Schiene beinhalten. Zentral ist auch, unterschiedliche Antriebstechnologien gleichermaßen zu fördern. Neben der Elektromobilität sollte auch die Herstellung und Anwendung klimaverträglicher Kraftstoffe vorangetrieben werden.
Als IHK setzen wir uns daher bei der Politik u. a. dafür ein, bei der Klimawende im Verkehrssektor auf einen Wettbewerb der Technologien zu setzen.
Welche Chance innovative, wasserstoffbasierte Antriebstechnologien für die Verkehrswende bieten und welche Rolle die Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern in der Industrie und Politik dabei spielen, erläutert Jürgen Nadler, Chief Marketing Officer der KEYOU GmbH.
KEYOU GmbH: Mit Wasserstoff zum „Zero Emission“-Fahrzeug
Die KEYOU GmbH aus Unterschleißheim stellt sich seit 2015 den Herausforderungen der Clean Mobility-Branche. Das Unternehmen entwickelt mit seinen mittlerweile 35 Mitarbeitern Antriebslösungen für Fahrzeug- und Motorhersteller, die zukünftig auf den Wasserstoffverbrennungsmotor setzen. Mit einer wasserstoffbasierten Technologie, entsprechenden Komponenten und Brennverfahren, gelingt KEYOU die kosteneffiziente Umwandlung von konventionellen in emissionsfreie Motoren. Das Unternehmen konzentriert sich derzeit auf die Entwicklung von Motoren für Neufahrzeuge, unabhängig vom Motor- oder Fahrzeugtyp. Der Fokus beim Markteinstieg liegt auf Nutzfahrzeugmotoren, die Technologie kann aber ebenfalls in PKW’s zum Einsatz kommen.
Die Politik strebt eine völlige Dekarbonisierung der Mobilität bis 2050 an. Dies wurde zuletzt im Green Deal der EU erneut betont. Unser Antrieb ist es mit unserer Technologie zur Erreichung dieses Ziels beizutragen und in einem zunehmend klimabewussten Gesellschafts- und Wirtschaftssystem eine saubere und nachhaltige Mobilität für alle langfristig zu ermöglichen. Sei es zu Land, zu Wasser oder auf der Schiene.
Wasserstoff ist als Kraftstoff und Energiespeicher unserer Meinung nach ein unabdingbarer Teil einer erfolgreichen Klimawende. Erneuerbar produziert kann er mittels Sonne und Wasser einen nachhaltigen Energie- und Mobilitätskreislauf langfristig schließen. Wir wollen Fahrzeug- und Motorhersteller befähigen, emissionsfreie Wasserstoffmotoren auf den Markt zu bringen – wirtschaftlich, CO2-frei und alltagstauglich. Fahrzeuge, die unsere Technologie verwenden, gelten nach heutigen EU-Richtlinien als „Zero Emission“. Das ist in Zeiten des Klimawandels eine wichtige Eigenschaft und Botschaft. Als Qualitätsmerkmal dürfen wir es dabei aber nicht belassen, wenn die Technologie sich etablieren soll. Bezogen auf alle Leistungsdimensionen gilt der Dieselmotor für uns als Benchmark.
In Anwendung und Wirkung ist Wasserstoff als Antriebsmittel für Motoren sehr nah am Diesel – nur eben CO2-frei. Er erzielt vergleichbare Ergebnisse in Robustheit, Nutzlast und Reichweite. Das macht diese Antriebsform alltagstauglich, v. a. für die Nutzfahrzeugbranche, in der andere alternative Antriebe derzeit an ihre Grenzen stoßen. Als Anhaltspunkt: Für wasserstoffbetriebene Stadtbusse sind mehr als 350 km, auch im Winter, kein Problem. Dabei verursacht unser Brennverfahren keine THG-Emissionen. Da Wasserstoff keinen Kohlenstoff enthält, entsteht bei der Verbrennung nur Wasserdampf.
Aus unserer Sicht ist für die Zukunftsfähigkeit einer Technologie auch deren Effizienz als Energiespeicher zentral. Daran misst sich zukünftig der Gesamtnutzen eines Fahrzeuges. Die Energie- und Klimawende fordert Stromspeicher, deren Kosten tragbar und Kapazitäten ausreichend sind, um eine immer volatilere Produktion aus erneuerbaren Energiequellen auszutarieren. Wasserstoff weist eine hohe Energiespeicherdichte auf. Wasserstoffspeicher sind zudem kosteneffizient sowie vergleichsweise rohstoffarm, wasser- und energiesparend in der Herstellung. Die Herstellung von Wasserstoff selbst kann durch gezielte Forschung und Entwicklung stetig kostengünstiger und umweltschonender werden. Perspektivisch kann Wasserstoff auf Basis von erneuerbar erzeugtem Strom klimaneutral produziert werden. Außerdem fällt er als Nebenprodukt in industriellen Prozessen an. Durch Einsatz als Antriebsmittel könnte er sinnvoll weiterverwertet werden.
Ein weiterer Pluspunkt ist, dass unsere Technologie an konventionellen Verbrennungsmotoren und Getrieben ansetzt. Diese benötigen keine seltenen Erden in der Produktion. Brisante Rohstoff- und Recyclingproblematiken treten nicht auf. Die Produktionsprozesse sind zudem langjährig erprobt und daher bereits stark optimiert. Motoren- und Fahrzeughersteller können bei Weiternutzung ihrer Infrastrukturen und Know-How die Verkehrswende sinnvoll mitgestalten und Ihren Kunden aufgrund der kosteneffizienten Produktion ein wirtschaftlich attraktives Endprodukt anbieten, ohne milliardenschwere Investitionen.
Rund 99 Prozent der jährlich weltweit 70 bis 80 Millionen produzierten Fahrzeuge werden mit Verbrennungsmotoren ausgestattet, auf die unsere Technologie anwendbar ist. Allein das lässt erahnen, was wir theoretisch erreichen können. Das gesamte CO2-Einsparpotential hängt von vielen Faktoren ab. Es bewegt sich aber sicher im zweistelligen Millionen-Tonnen-Bereich. Würde man die derzeit aus industriellen Prozessen und erneuerbar erzeugtem Überschussstrom gewinnbare Wasserstoffmenge als Antriebsmittel für unsere Technologie einsetzen, könnten 40.000 Nutzfahrzeuge betrieben werden – eine Einsparung von 25 Millionen Tonnen CO2.
Bis sich Wasserstoff als Kraftstoff der Zukunft in der Breite durchsetzt, wird es noch dauern. Nicht zuletzt, weil es dafür auch einem Vorankommen bei den notwendigen politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen bedarf, wie der passenden Infrastruktur, gesetzlichen Regelungen und Akzeptanz. Auch der Preis von Wasserstoff spielt hier eine entscheidende Rolle. Im Vergleich zum Diesel ist er aktuell noch zu hoch, um wettbewerbsfähig zu sein. Angesichts der neuen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung und dem sehr positiven Momentum beim Thema Wasserstoff ist davon auszugehen, dass sich dies ändert. Wie schnell hängt von der Entwicklung in Politik und Gesellschaft ab. Steigt die Nachfrage nach wasserstoffbasierten Fahrzeugantrieben rasch, wirkt sich das positiv auf den Preis aus. Genauso wie Fortschritte in der Wasserstoffherstellung.
All diese Faktoren können wir nur bedingt beeinflussen. Sie entscheiden am Ende aber mit, ob die Markteinführung und Verbreitung unserer Antriebslösung gelingt. Was unser Produkt selbst betrifft, haben wir bei KEYOU eine wichtige Etappe bereits gemeistert. Auf dem Prüfstand konnten wir den derzeit effizientesten Wasserstoffmotor der Welt zeigen. Technisch sind wir grundsätzlich soweit, ihn jetzt anzuwenden. Wir wollen schnellstmöglich mit unseren Motorenpartnern erste Fahrzeuge auf die Straße bringen. Derzeit fügen wir noch die letzten Puzzleteile mit unseren Partnern zusammen. Mit dem DEUTZ-Prototyp-Motor sind wir am weitesten. Eine Endanwendung in einem Stadtbus oder LKW bietet sich hier an. Parallel arbeiten wir an weiteren Motoren für verschiedene Hersteller.
Kooperation und strategische Partnerschaften mit Akteuren, die auch an den Wasserstoffmotor glauben, haben einen großen Stellenwert. Mittlerweile haben viele Akteure das Potential des Wasserstoffverbrennungsmotors erkannt. Die richtigen Partner zu wählen ist für uns ein kritischer Geschäftsfaktor. Das stellt die Weichen für die Zukunft. Bislang waren wir hier auf einem guten Weg. Unser Ankerinvestor bspw., die NAGEL Maschinen- und Werkzeugfabrik GmbH aus Nürtingen, unterstützt uns nicht nur finanziell, sondern auch mit ihrem weltweiten Netzwerk. Unsere Entwicklungspartnerschaften mit der Industrie geben uns zentrale Impulse, Anwendungsprobleme in der Praxis effizient zu lösen.
Sehr gute Unterstützung geben uns auch die Mitglieder unseres neu gegründeten Beirates. Dort bringen wir Leute zusammen, die sich lange Zeit in der Fahrzeugwelt verdient gemacht haben und zusammen über viele Jahrzehnte Erfahrung verfügen. Sie bringen verschiedene Perspektiven mit, wir bündeln ihr Know-How. Ein für uns zentraler Akteur ist auch die Politik. Wie bereits erwähnt, wird dort an den Bedingungen geschmiedet, die maßgeblich den Erfolg unseres Produktes mitbestimmen. Daher ist es wichtig, die politischen Entscheidungsträger von unseren Ideen zu überzeugen. Wir setzen dabei auch auf das persönliche Gespräch. Das macht unsere High-Tech-Welt für die Gesprächspartner gleich ein bisschen greifbarer und Rückfragen können wir direkt beantworten.
Als Start-Up sind wir besonders auf die Unterstützung und auch Risikobereitschaft aller Stakeholder angewiesen. Das Vertrauen, das uns unsere Investoren bereits entgegenbringen, ist für uns Gold wert. Aber auch von der Politik wünschen wir uns Rückendeckung, damit wir unsere Idee weiterentwickeln können und sie sich am Markt etablieren kann. Dass die Entwicklung von Power-to-Gas-Anlagen politisch gezielt vorangetrieben wird, ist z. B. ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings nützt es uns in der Praxis wenig, dass mittlerweile überall „Technologieoffenheit“ gepredigt und Fördertöpfe gefüllt werden. Am Ende kommt es v. a. auf konkret spürbare Unterstützungsleistungen an. Ein Beispiel: Im Bundesverkehrsministerium haben wir vor über einem Jahr eine Projektskizze für Entwicklung und Aufbau von LKW verschiedener Klassen eingereicht und trotz mehrmaliger Nachfragen keine Rückmeldung erhalten. Die Bedeutung des Wasserstoffmotors für den Klimaschutz aber auch als evolutionäre Fortsetzung der deutschen Technologieführerschaft im Verbrennungsmotor, scheint dort noch nicht angekommen zu sein.
In 2030 stattet KEYOU u. a. kleine Sportwagenmodelle mit Wasserstofftechnologien aus. Mit so einem fahre ich dann jeden Morgen auf’s Betriebsgelände.
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