Forschungskooperationen ausbauen
Immer anspruchsvollere Klimaschutzziele erfordern es, Beiträge technischer Verfahren zur Reduktion von THG in der Atmosphäre stärker in Betracht zu ziehen. Um die besten zukunftsfähigen Technologien identifizieren und entwickeln zu können, braucht es neben Technologieoffenheit in der Klimapolitik auch eine dynamische Innovationslandschaft. Viele Unternehmen setzen daher auf Kooperation mit Hochschulen oder anderen Forschungseinrichtungen. Die Zusammenarbeit mit Forschungspartnern birgt einige Vorteile, wie z. B. eine Ergänzung des betriebsinternen Know-Hows oder Zugang zu speziellem Equipment. Innovative Ideen können so effizienter und zielgerichteter verfolgt, schneller praktisch angewendet oder in den Markt eingeführt werden.
Als IHK setzen wir uns daher bei der Politik u. a. dafür ein, den Ausbau von Kooperationsmöglichkeiten zwischen Wirtschaft und Forschung stärker voranzutreiben.
Welche Rolle Forschungskooperationen für Innovation und die Umsetzung unternehmerischer Ideen spielen können, erläutert Kolja Kuse, Gründer und Technischer Direktor von TechnoCarbon Technologies.
TechnoCarbon Technologies: Mit Forschungspartnern von der Idee zum CO2-negativen Bauen und Konstruieren
Die MünchnerTechnoCarbonTechnologies GbR begann in 2005 mit der Entwicklung einer innovativen Werkstoffkombination aus Granit und Carbonfasern.
In enger Kooperation mit Forschungspartnern entstand ein Material, welches nicht nur vorteilhafte physikalische Eigenschaften für Bau und Konstruktion verschiedener Produkte aufweist, sondern auch energiesparend in der Herstellung ist.
Zusätzlich können Bestandteile des Materials durch pflanzliche Verarbeitung von emittiertem CO2 produziert werden. Das CO2 wird dabei der Atmosphäre gänzlich vorenthalten oder entzogen, wiederverwertet und potentiell langfristig im Endmaterial gebunden.
Verschiedenste Einsatzfelder für den Werkstoff wurden inzwischen erfolgreich identifiziert. Sie reichen vom Gebäude- über den Schiffsbau bis zur Herstellung von Haushalts- und Sportgeräten.
Während meiner Ausbildung und jahrelangen Arbeit in den Bereichen Energietechnik und Klimawissenschaften gewann ich die Erkenntnis, dass industrielles Wachstum mit den heutigen Konzepten und Technologien uns in eine Treibhausgasfalle führt. Das spornte mich an, echte Alternativen aufzuzeigen. Heute sind die Klima-Thesen von damals bereits messbarer Alltag. In unserer Branche stehen wir vor dem Dilemma, dass die Nachfrage nach Bau- und Konstruktionsmaterialien stark steigt, Baumaterial aber knapp wird. Zudem stehen herkömmliche Materialien wie Zement und Stahl in ihrer Herstellung, Verwendung und Recycling vor großen Herausforderungen in Sachen Umwelt- und Klimaschutz. Da lohnt es sich mehr denn je, das Problem von der Wurzel her anzupacken und die Frage nach gänzlich alternativen Materialien zu stellen. Mit der Entdeckung des Materials CFS, „CarbonFaserStein“, kam der Stein vor einigen Jahren buchstäblich ins Rollen.
Zunächst mag die Kombination von Kohlenstofffasern, einem hochmodernen Produkt der Materialwissenschaften, und herkömmlichem Hartgestein wie Granit abenteuerlich klingen. Bei genauer Betrachtung wird aber klar, dass sich die beiden Materialien technisch perfekt ergänzen. Zu Beginn haben wir viele Kombinationen von Fasern und Stabilisatoren, wie Glas, Holz oder Stahl, ausprobiert. Gewicht, Flexibilität, Druck- und Temperaturbeständigkeit mussten ins Gleichgewicht gebracht werden. Granit ist robust, leicht, hat einen vergleichsweise kleinen Temperaturausdehnungskoeffizienten und ist, man glaubt es kaum, unter Druck flexibel. Kombiniert mit der Steifigkeit von Carbonfasern, die den Stein ummanteln, entsteht ein sehr flexibles, langlebiges Endmaterial. Der Materialverbund CarbonFaserStein besitzt zudem ein sensationelles Verhältnis von Traglast zu Gewicht und zur Lösung der Klimakrise und Ressourcen-Problematik beitragen.
Der Klimaschutzgedanke speiste sich zunächst aus der vergleichsweise energiesparenden Herstellung von CarbonFaserStein. Für Granit fällt keine Herstellungsenergie mehr an. Im Gegensatz zu anderen Konstruktionsmaterialien wurde er von der Erde ja bereits „hergestellt“, ist in rauen Mengen verfügbar und kann mit vergleichsweise geringem Umwelteingriff gefördert werden. Für die Carbonfaser-Herstellung ist viel Energie nötig. Durch sparsamen Einsatz der Fasern im Endmaterial fällt die Energiebilanz in den meisten Anwendungsfällen dennoch positiv aus. Einsparungen von mind. 30 Prozent ggü. Materialalternativen sind mühelos erzielbar. Auf der UN-Klimakonferenz 2007 wagten wir uns mit unserer Idee auf’s internationale Parkett. Dort diskutierten wir dann mit Studenten aus Saudi Arabien erstmals die Idee, die zu fast 100 Prozent aus Kohlenstoff bestehenden Carbonfasern aus CO2 herzustellen, das in der Atmosphäre „überschüssig“ ist.
Schon im Jahr nach der Konferenz haben wir diesen Ansatz weiterverfolgt. Die Relevanz unserer Materialidee lag plötzlich neben Wirtschaftlichkeit und Effizienz in viel größerem Maße auch im Klimaschutz begründet. Es handelte sich um einen komplett neuen Gedanken in der Materialdiskussion. Damals lagen uns Informationen zu ersten Versuchen vor, bei denen aus mit CO2 kultivierten Algen Treibstoffe basierend auf Algenöl hergestellt wurden. Unser Gedanke: Ausgangsstoffe die zu Treibstoffen verarbeitet werden können, haben auch das Potential in Kunststofffasern umgewandelt zu werden. Aus diesen könnten durch Carbonisierung wiederrum Carbonfasern entstehen. Wieso also nicht bei der CO2-Verwertung von Algen ansetzen. Ziemlich schnell war klar, dass die Weiterverfolgung dieses Ansatzes eine massive wissenschaftliche Begleitung erfordern würde.
Die Einführung disruptiver Ansätze in Wirtschaft und Gesellschaft ist ohne wissenschaftliche Validierung nicht denkbar. Als Gründer von TechnoCarbon Technologies sehe ich mich daher nicht nur als Unternehmer, sondern auch als Koordinator eines Netzwerks, in dem Wissenschaftler, Ingenieure, Techniker und Handwerker gemeinsam an einer Idee arbeiten. Die Kooperation mit Forschungspartnern spielte und spielt für alle Entwicklungsschritte des Werkstoffs eine Rolle, insbesondere aber für die Weiterentwicklung der Klimaschutzdimension. Wir waren hier auf das Know-How von Experten verschiedener Fachgebiete angewiesen, um vom Konzept zur praktischen Umsetzung zu kommen.
Schon bei der Entwicklung der Materialkombination aus Carbonfasern und Granit profitierten wir von der Zusammenarbeit mit den Hochschulen München und Chur. Als es darum ging, die Kohlefasern durch CO2-Verwertung mit Algen herzustellen, standen uns die Bauhausuniversität Weimar und das Algen-Technikum der TU München, Prof. Uwe Arnold und Prof. Thomas Brück, zur Seite. Über eine gemeinsame wissenschaftliche Publikation gelang unserer algenbasierten Karbonfaserproduktion in 2018 sogar der Sprung in den Sonderbericht des Weltklimarats über die Folgen einer globalen Erwärmung um 1,5 °C, der unser Konzept als wichtige potentielle Netto-CO2-Senke einstuft.
Ein Vorteil unserer algenbasierten Karbonfaserherstellung ist, dass aus der mit CO2 „gefütterten“ Alge am Ende ein Stoff entsteht, der die Kohlenstoffatome in fester Form bindet. Sie gelangen also nicht ohne weiteres zurück in die Atmosphäre. Nutzt man das Material am Ende seines Lebenszyklus z. B. zur Auffüllung von Kohlegruben, könnte es dort dauerhaft gespeichert werden. Unter Verwendung von erneuerbaren Energien kann das Material zudem CO2-negativ hergestellt werden, ein Vorteil ggü. recht CO2-intensiven Brennverfahren für herkömmliche Konstruktionsmaterialien. Klar muss aber sein, dass die Bindung von CO2 im CarbonFaserStein, genauso wie Aufforstung und Regeneration von Böden, nur einen Beitrag zur Dekarbonisierung unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystem leisten kann. Wie hoch der ausfällt, hängt auch vom Faktor Skalierbarkeit ab. Wenn wir mit unserem Baumaterial alle jährlichen globalen Emissionen absorbieren wollten, müsste nach heutigem Technikstand ganz Brasilien mit Algenbecken bedeckt sein. Das ist gar nicht unser Ziel. Stuft man unsere Vision als uneingeschränkt erreichbar ein, könnte unser Material ca. 10 Prozent des jährlich anfallenden „CO2-Mülls“ „einsammeln“.
Wir gehen davon aus, dass unser algenbasierter CarbonFaserStein in ca. 3 Jahren marktreif ist. Wir tüfteln derzeit noch an einzelnen Anwendungsproblemen, zum Beispiel an der Temperaturstabilität der Harze für die Carbonfasern, wovon die Brandschutzzertifizierung im Bau abhängt. Um sein Potential als CO2-Senke im Kampf gegen den Klimawandel zu entfalten, muss das Material dann zügig in Serie gehen. Das schaffen wir nur mithilfe massiver Investments, die hängen wiederum stark vom politischen Willen ab.
Am Beispiel der jüngsten Entwicklungen im Wasserstoffbereich wird deutlich, dass es für einen Paradigmenwechsel und beherzte Investitionen zunächst politische Rückendeckung und Anreize zu gesellschaftlichem Diskurs braucht. Diese Dynamik beobachten wir in der Materialdiskussion bislang leider nicht. Stärkere Unterstützung von politischer Seite wäre hier angesagt. Dies gilt auch im Hinblick auf unsere Forschungspartnerschaften. Wir mussten diese selbst anbahnen, d. h. ohne Unterstützung finanzieller oder anderer Art von Seiten des Staates. Besonders innovative oder gar disruptive Ideen wie die unsere werden in der Förderlandschaft nämlich vernachlässigt. Die Zusammenarbeit wurde dadurch langwieriger und komplizierter. Als sehr kleines Unternehmen waren wir z. B. darauf angewiesen, dass uns Unterstützungsleistungen zunächst nicht in Rechnung gestellt wurden. Eine Ausweitung „mutigerer“ Fördermechanismen wäre hier angebracht.
Auch die Vernetzung mit Industriepartnern, die unsere Technologie am Ende zur breiten Anwendung bringen müssen, haben wir uns in Eigenregie erkämpft. An Fördermechanismen für etablierte Industriebetriebe, die sie stärker ermutigen gänzlich neue Konzepte mitzuentwickeln, mangelt es nämlich ebenfalls.
„CO2-Müll“ in Bau- und Konstruktionsmaterial zu speichern gilt dann nicht mehr als „out of the box“, sondern ist Standard geworden. Unser CarbonFaserStein wird als Material der Zukunft von fast allen Automobilfirmen und im Baubereich eingesetzt. Entsprechend findet sich in unserer Datenbank natürlich das „Who-is-Who“ dieser Branchen. Wie auch immer es in 2030 tatsächlich aussieht, an unserem Traum, CO2-negative Werkstoffe flächendeckend zum Einsatz im Bausektor und der Konstruktion zu bringen, halten wir fest.
Gut zu wissen!
Der Einsatz technischer Lösungen zur CO2-Abscheidung, Speicherung oder Weiternutzung kann dort einen Beitrag zur Erreichung der globalen Klimaziele leisten, wo die Reduktion von Treibhausgasemissionen bei Prozessen, z. B. in der Industrie, im Verkehrs-, Wärme- oder Landwirtschaftssektor, an ihre Genzen stößt.
Der Begriff Carbon Capture and Storage (CCS) beschreibt in diesem Zusammenhang die Abscheidung von CO2-Emissionen von v. a. Kraftwerken oder Industrieanlagen und deren anschließende Speicherung im ca. 1000 bis 4000 Meter tief gelegenen geologischen Untergrund. In verschiedenen Ländern wird CO2 bereits seit mehreren Jahren auf diese Weise gelagert, z. B. in ehemaligen Gas- oder Öllagerstätten oder in Gesteinsschichten unter Wasser. Der Ausstoß prozessbedingt anfallender und somit derzeit unvermeidbarer Industrieemissionen in die Atmosphäre kann durch CCS stark reduziert werden. Mehr dazu beim Bundeswirtschaftsministeriums.
Das Potential von CCS für den Klimaschutz ist dennoch umstritten, u. a. wegen des enormen Energiebedarfs sowie diverser Umweltrisiken, wie dem Austreten von CO2 aus den Lagerstätten in Grundwasser und Boden. Es besteht hier noch weiterer Forschungs- und Erprobungsbedarf. Mehr dazu sowie zur rechtlichen Einordnung von CCS gibt es beim Umweltbundesamt.
Einen Schritt weiter geht Carbon Capture and Usage (CCU): die Abscheidung von CO2 und dessen Weiterverwendung in Prozessen oder Produkten. Zwar steht die Entwicklung und großflächige Anwendung von CCU-Technologien noch am Anfang, es gibt aber bereits konkrete Projekte und zahlreiche innovative Ideen. Darunter die Nutzung von emittiertem CO2 als Nährstoffquelle für Mikroorganismen zur Herstellung von Biokraftstoffen, Basischemikalien oder Kunststoffen. Mehr dazu in dieser Fraunhofer-Studie, Feudendahl 2016.
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