EU-Emissonshandel stärken
In Oberbayern werden derzeit (3. Handelsperiode) die THG-Emissionen von gut 90 stationären Energieerzeugungs- und Industrieanlagen im EU-EHS reguliert. Unter den Anlagenbetreibern sind einige kleinere und mittelständische Betriebe, die einen erheblichen Teil ihrer finanziellen und personellen Ressourcen dafür aufwenden, den Anforderungen des EHS nachzukommen.
Als IHK setzen wir uns daher u. a. für eine bürokratiearme und mittelstandsfreundliche Weiterentwicklung des EHS ein, die den beteiligten Betrieben größtmögliche Investitions- und Planungssicherheit bietet.
Welche Rolle der EU-Emissionshandel für das Fortkommen im betrieblichen Klimaschutz spielt und wie sich die Teilnahme am ETS praktisch auswirkt, schildert Matthias Hörl, Geschäftsführer der Hörl & Hartmann Ziegelwerke GmbH & Co. KG.
Hörl & Hartmann Ziegelwerke: Nachhaltigkeit gehört zu uns wie der Ziegel zum Bauen
Das Unternehmen Hörl & Hartmann Ziegeltechnik GmbH & Co. KG ist ein in vierter Generation familiengeführter Traditionsbetrieb aus Dachau. Hörl & Hartmann beschäftigt derzeit gut 240 Mitarbeiter an 4 Standorten und stellt rund 300 verschiedene Ziegelprodukte her.
Seit Einführung des EU-EHS im Jahr 2005 ist Hörl & Hartmann am europäischen Emissionshandel beteiligt. Für die Emissionen seiner Tunnelöfen – den Brennöfen, in denen die Ziegel gebrannt werden – muss der Betrieb Zertifikate vorweisen und den regelmäßigen Berichtspflichten im EHS nachkommen.
Bei der Einführung des EHS in 2005 und bei der Ausgabe der ersten Zertifikate wurden viele Fehler gemacht. Und auch in seiner heutigen Form ist das EHS aus unserer Sicht nicht die sinnvollste Lösung, um tatsächlich CO2 zu reduzieren. Denn oft scheitert die Reduktion von THG-Emissionen in der Unternehmenspraxis an realistischen Optionen bzw. daran, dass deren Umsetzung mit zu hohen finanziellen und bürokratischen Hürden besetzt ist.
Sinnvoller wäre es unserer Meinung nach, Betriebe bei der Umstellung auf energieeffizientere und emissionsärmere Anlagen aktiv und direkt zu unterstützen. Fördermöglichkeiten sollten hier verstärkt ausgebaut werden. In unserer Branche würde beispielsweise Unterstützung beim Umstieg von fossilen Brennstoffen wie Erdgas auf alternative Energieträger wie Wasserstoff die Reduktion der THG-Emissionen stark befördern. Auch machen uns die bürokratischen Hürden zu schaffen, die wir z. B. bei der Integration klimaschonender Anlagen oder Verfahrensweisen erst einmal überwinden müssen. Besonders sind hier die unglaublich langwierigen und komplexen Genehmigungsverfahren bei neuen Anlagen zu erwähnen. Die Genehmigung unseres Windrads hat bspw. vier Jahre in Anspruch genommen.
Der bürokratische Aufwand ist auch hier sehr hoch. Allein die Erstellung des jährlichen Emissionsberichts und die Erhebung der dazu benötigten empirischen Daten sind sehr aufwendig. Mit der Datenerfassung sind wir unterjährig durchgehend befasst. Während der Erarbeitung des Emissionsberichtes verdichtet sich dann der Arbeitsaufwand jedes Jahr nochmals erheblich. Über den Daumen schluckt die Verwaltung des EHS bei uns ca. eine volle Arbeitskraft. Der Kostenaufwand liegt hier schon im unteren bis mittleren fünfstelligen Bereich.
Derzeit entstehen für uns noch keine Nachteile. Das liegt auch daran, dass wir in der Ziegelindustrie sehr regional geprägt sind. Wir profitieren von kurzen Lieferwegen. Als bayerisches Familienunternehmen sind wir stark mit unserer Region verbunden und leben diese Verbundenheit auch. Mit Produktionsverlagerung aus Kostengründen ins Ausland beschäftigen wir uns daher aktuell und auch in Zukunft nicht. Vielmehr optimieren wir bei Hörl & Hartmann auch unabhängig vom CO2-Zertifikate-Handel im EHS bereits aus eigenem Interesse heraus unseren THG-Ausstoß und die Energiebilanz.
Die weitere Verknappung der Emissionsberechtigung macht uns mittelfristig auf jeden Fall zu schaffen. Man muss bedenken, dass es Prozesse gibt, bei denen unweigerlich CO2-Emissionen entstehen. Die sogenannten prozessbedingten Emissionen lassen sich nicht vermeiden. Auch nicht durch eine komplett CO2-neutrale Produktion. Die Kosten für diese Emissionen, für den Erwerb entsprechender Zertifikate oder entsprechende Kompensationsmaßnahmen, fallen daher voll an. Diese Systematik ist grundsätzlich zu hinterfragen, vor allem solange Unternehmen im außereuropäischen Ausland diese Kosten nicht stemmen müssen.
Sollte am EU-EHS festgehalten werden, ist eine globale Ausweitung der einzig richtige Schritt, um eine Wettbewerbsgleichheit sicherzustellen. Die Klimawende ist ohne die Einbindung aller Industriestaaten und Schwellenländer obsolet. In Zeiten der Globalisierung darf eine Lösung zum Klimaschutz nicht an nationalen oder kontinentalen Grenzen halt machen, ansonsten wird Europa als Wirtschaftsstandort sehr schnell an Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit verlieren.
Uns wäre bereits mit kleinen Änderungen gut geholfen, z. B. bei den Abgabefristen. Die Mitteilungen zum Betrieb an die Deutsche Emissionshandelsstelle müssen bis Ende Januar erfolgen. Diese Frist stellt uns immer wieder vor Herausforderungen, da zu diesem Zeitpunkt Daten aus dem Vorjahr zum Teil noch lückenhaft sind. Der personelle Aufwand im Dezember und Januar ist deshalb enorm hoch.
Außerdem sollten die Flexibilitäten im EHS, also die Option einen Teil der benötigten CO2-Zertifikate durch Gutschriften aus Kompensationsprojekten zu ersetzen, grundlegend überdacht werden. Es stehen nur Projekte außerhalb der EU zum Erwerb von Gutschriften zur Verfügung. Dadurch fließt Kapital aus unserer Wirtschaftsregion ab, für Klimaschutzprojekte, deren nachhaltige Wirkung zumindest in Frage gestellt werden darf, während z. B. der Ausbau der Windenergie hier zu Lande zum Erliegen kommt.
Der Zugang zum Handel mit Zertifikaten sollte zudem stärker reglementiert werden. Eine Beeinflussung des Preises durch profitorientierte Spekulation darf nicht möglich sein.
Grundsätzlich müssen für eine erfolgreiche Klimawende alle Sektoren einer Volkswirtschaft betrachtet werden. Allerdings reicht auch in den Bereichen Wärme und Verkehr die bloße Einführung eines Emissionshandelssystems nicht aus, um tatsächlich wirksam den THG-Ausstoß zu reduzieren. Auch dort fehlt es oftmals an umwelt- und klimafreundlichen technologischen Alternativen bzw. wird deren Einführung durch gesetzliche Vorgaben behindert. Ein Preis auf CO2 belastet dann unterm Strich vor allem die Verbraucher und Unternehmen, ohne die gewünschten Effekte für den Klimaschutz auszulösen. Unter den derzeitigen politischen Rahmenbedingungen lehnen wir bei Hörl & Hartmann daher weitere Belastungen unserer Wirtschaft, wie durch den neuen nationalen Emissionshandel verursacht, ab.
Bei Hörl & Hartmann sind wir seit langem absolut bestrebt unsere Produktion so CO2-arm wie möglich zu gestalten und so unseren Beitrag zur Reduzierung des THG-Ausstoßes zu leisten. Wir betreiben bereits seit einigen Jahren ein eigenes Windrad und PV-Anlagen zur Erzeugung von eigenem Ökostrom für unsere Produktion und investieren fortlaufend in die Energieeffizienz unserer Produktionsprozesse. Auch innovative Energieträger wie Wasserstoff sind bereits Teil unserer strategischen Überlegungen. Im Jahr 2020 wird zudem jedes unserer sechs Werke mit einer regenerativen Rauchgasnachverbrennungsanlage ausgestattet sein. Diese Anlagen ermöglichen es uns, unseren Kohlenstoffausstoß um ca. 90 % je Werk zu reduzieren.
Wir schöpfen unsere technischen Möglichkeiten also voll aus. Vor allem als Mittelständler stoßen wir aktuell dennoch an unsere Grenzen, was die weitere Verbesserung unserer THG-Bilanz betrifft. Wie bereits erwähnt klafft eine Lücke zwischen politischem Bekenntnis und tatsächlicher Umsetzbarkeit vor Ort. So kommen sich z. B. Umwelt- und Klimaschutz in der Praxis oft in die Quere. Die Idee, an allen unseren Standorten Windräder zur Eigenstromerzeugung zu bauen und so weiter auf die Nutzung erneuerbarer Energien umzustellen, scheitert bislang an Umweltschutzauflagen. Es fehlt an politischem Fokus, bereits verfügbare, innovative und dezentrale Lösungen für mehr Klimaschutz vor Ort auch realisierbar zu machen. Außerdem, um einen tatsächlich klimaneutralen Footprint unserer Produkte zu erreichen, reicht es nicht aus, die direkten Emissionen unseres eigenen Betriebes zu betrachten. Auch vor- und nachgelagerte Prozesse verursachen THG-Ausstoß. Und auf die haben wir oft keinen Einfluss.
Den Traum einer tatsächlich CO2-neutralen Produktion geben wir trotz aller Widrigkeiten nicht auf. Nachhaltigkeit gehört zu unserer Philosophie wie der Ziegel zum Bauen.
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