CO2-Ziele realistisch festlegen
Abseits der politischen Zielvorgaben zur Reduktion von THG-Emissionen auf globaler und nationaler Ebene, setzen sich viele Unternehmen bereits eigene Klimaziele und gehen strategisch vor, um diese zu erreichen. Damit die gesetzten Ziele tatsächlich in der gewünschten CO2-Einsparung münden, enthalten konzerninterne Klimastrategien oftmals konkrete THG-Minderungspfade, Maßnahmenpakete zu deren Umsetzung und werden regelmäßig fortgeschrieben.
Als IHK setzen wir uns daher gegenüber der Politik u. a. dafür ein, Treibhausgasminderungsziele realsitisch und erreichbar festzulegen.
Welche Rolle die technische und wirtschaftliche Darstellbarkeit bei der Festlegung von CO2-Reduktionszielen im Unternehmen spielen, erklärt Vanessa Haumberger, Leiterin Politische Angelegenheiten bei der Flughafen München GmbH.
Flughafen München: Klimaziele gleichermaßen ambitioniert wie realistisch setzen
Im Jahr 2019 wickelte der Flughafen München rund 417.000 Starts und Landungen ab und bewegte dabei ca. 47,9 Mio. Passagiere und 350.000 t Luftfracht und Luftpost. Damit rangiert er auf Platz 2 der größten Airports in Deutschland sowie unter den passagierstärksten Flughäfen Europas. Die Flughafen München GmbH betreibt mit ihren Tochter- und Beteiligungsgesellschaften den Münchner Airport seit seiner Eröffnung 1992. Das Unternehmen deckt alle Dienstleistungsbereiche des Airport Managements ab.
Der Flughafen zählte 2019 zu den Erstunterzeichnern einer Klimaschutzresolution des europäischen Flughafenverbandes ACI Europe: Die teilnehmenden Airports möchten ihre CO2-Emissionen bis spätestens 2050 auf netto-null senken. Bereits seit 2009 verfolgt die GmbH eine eigene Klimastrategie. Anfänglich wurde darin festgeschrieben, dass bis 2020 stattfindendes Wachstum klimaneutral umgesetzt werden muss. Demnach sollte der CO2-Ausstoß trotz Ausbaumaßnahmen und steigendem Flugbetrieb im Jahr 2020 nicht höher liegen als in 2005. Dieses Ziel konnte Stand heute erreicht werden. 2016 wurde die Strategie fortgeschrieben, spätestens ab 2030 CO2-neutral zu wirtschaften ist nun das Ziel. Mind. 60 % der Emissionen sollen durch technische Maßnahmen reduziert, bis zu 40 % über hochwertige Klimaschutzprojekte kompensiert werden. Um dies zu realisieren, setzt der Flughafen auf ein Paket konkreter, praktischer Maßnahmen. Dieses bezieht von der Energieversorgung über Bausubstanz von Gebäuden bis Kundenmobilität und dem eigenen Fuhrpark alle Geschäftsbereiche ein.
Heute erleben wir eine sehr intensiv geführte Klimadebatte, die Politik und Wirtschaft unter Druck setzt. Das war vor mehr als zehn Jahren noch nicht so. Als der Flughafen München sich damals das Ziel gesetzt hat, sein starkes Wachstum CO2-neutral zu gestalten, wollten wir damit Vorreiter sein, weil das zu unserem Selbstverständnis gehörte. Als wir dann 2016 unser Ambitionsniveau noch einmal deutlich gesteigert haben, geschah das aus demselben Grund: Als erster deutscher Airport haben wir uns vorgenommen, den Flughafen München CO2-neutral zu betreiben.
Der Luftverkehr steht ganz besonders am Pranger. Das ist leider eine Tatsache. Wie fundiert die Inhalte von Flugscham-Debatten sind, ist jedoch eine andere Frage. Hier stellt der rein symbolische Gehalt die inhaltliche Auseinandersetzung immer wieder in den Schatten.
Das lässt sich zum Beispiel an der vehementen Kritik beobachten, die sich gegen den innerdeutschen Luftverkehr richtet. Diese Debatte kreist um 0,3 % der deutschen CO2-Emissionen und stellt milliardenteure Forderungen zur weiteren Reduktion dieses winzigen Anteils. Gleichzeitig kümmert sie sich wenig um die große Bedeutung dieses Flugsegments für den internationalen Drehkreuzverkehr, der die effizienteste Art ist, möglichst viele Städtepaare mit möglichst wenigen Flügen zu verbinden. Wenn Güter und Personen aus München, Stuttgart und Hamburg nämlich gebündelt von Berlin nach New York geflogen werden, anstatt jeweils in einer separaten Maschine, ist das nicht nur wirtschaftlich effizienter, sondern spart auch eine erhebliche Menge Treibhausgasemissionen ein.
Als Branche sind wir alltäglich mit diesen Debatten konfrontiert. Wir dürfen uns davon aber nicht irre machen lassen und müssen mit nüchterner Rationalität Maßnahmen entwickeln, die ungewollte, klimaschädliche Wirkung des Luftverkehrs so weit wie möglich zu verringern.
Im Jahr 2016 haben wir drei alternative Klimastrategien ausgearbeitet und in technischer sowie wirtschaftlicher Hinsicht bewertet. Mit diesem Verfahren konnten wir unserem Aufsichtsgremium transparent machen, wie viel CO2-Reduktion wir pro Euro erreichen können. An dem Prozess waren Expertinnen und Experten aus vielen Unternehmensbereichen beteiligt, von der Strategieabteilung, über den Technik-, Umwelt- und Immobilienbereich bis hin zu unseren Politikexperten. Das war nicht nur wichtig, um alle verfügbaren Klimaschutzpotentiale zu identifizieren. Wir wollten auch mögliche wirtschaftliche und technische Herausforderungen bei der Umsetzung frühzeitig erkennen, um sie dann gezielt angehen zu können.
Ein großer Flughafen ist im Prinzip wie eine Stadt. Dazu gehören all die komplexen Herausforderungen an die Infrastrukturentwicklung, die Energieversorgung, die Wasser- und Abfallwirtschaft und vieles mehr. Viele deutsche Städte kennen bis heute ihr genaues CO2-Inventar nicht. Wir hingegen werden unseren Flughafen in einigen Jahren auf CO2-neutralen Betrieb umgestellt haben. Wenn das keine ernstzunehmende Anstrengung ist…
Wir folgen dem bewährten, bayerischen „Energiedreisprung“: Zuerst kommt die Vermeidung von Energieverbrauch, zum Beispiel im Gebäudeneubau, dann die Steigerung unserer Energieeffizienz und dann schließlich der Einsatz und Ausbau erneuerbarer Energien. Dieses Grundprinzip haben wir in unserer CO2-Charta festgeschrieben. In den ersten beiden Kategorien sind wir schon recht gut, eine große Erfolgsgeschichte ist zum Beispiel der Austausch unserer gesamten Vorfeldbeleuchtung in hocheffiziente LED. Als nächstes werden wir den weiteren Ausbau Erneuerbarer Energien in Angriff nehmen, insbesondere Photovoltaik hat auf dem Flughafencampus großes Potenzial.
Wir werden unser Ziel pünktlich erreichen. Dafür müssen wir in den kommenden zehn Jahren jährlich wiederkehrende Emissionen in Höhe von 100.000 Tonnen reduzieren. Seit 2005 haben wir circa 60.000 t jährlich wiederkehrend eingespart. Die Treibhausgasemissionen pro Passagier gingen in den Scopes 1, 2 und 3a von 5,67 kg auf 3,24 kg zurück. In den nächsten zehn Jahren werden wir durch Steigerung unserer Energieeffizienz jeweils rund 2.500 t zusätzlich einsparen können. Den Rest, der uns noch von unserem Ziel trennt, müssen wir durch Ausbau der Erneuerbaren Energien schaffen.
Bis 2030 investieren wir 150 Millionen Euro in die Umsetzung unserer CO2-Strategie. Das entspricht etwa einem Jahresgewinn. Für uns ist entscheidend, dass wir gesamtheitlich und langfristig planen, mit anderen Worten: Dass wir nachhaltig agieren. Unsere Aktivitäten im Klimaschutz sind daher fest in unserer Konzernstrategie verankert. Sich nicht von kurzfristigen Debattentrends treiben zu lassen, sondern mit Weitsicht das Beste aus den zur Verfügung stehenden Mitteln herauszuholen, das ist meine Empfehlung an alle Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe.
Klare Klimazielsetzung durch die Politik ist wichtig. Allerdings muss sie mit der Umsetzungsrealität der Unternehmen konform sein bzw. konkrete Maßnahmen zum betrieblichen Klimaschutz auch entsprechend ermöglichen. In der Praxis legt uns die Politik hier bislang leider eher Steine in den Weg. In unserem Falle ist dies konkret gleich in zweifacher Hinsicht zu beobachten: Zum einen „bestraft“ das EEG in seiner gegenwärtigen Form uns als Flughafenbetreiber für den Ausbau der Solarenergie auf dem Airport-Campus, weil es den zusätzlichen Sonnenstrom gegenüber dem Strom, den wir mit unserem bestehenden Blockheizkraftwerk produzieren, teurer macht. Zum anderen sind wir indirekt von einem aktuellen Irrweg bei der Besteuerung der Fluggesellschaften betroffen. Die Bundesregierung hat mit der besonders drastischen Erhöhung der Luftverkehrssteuer, die auf Flugstrecken im Europaverkehr erhoben wird, leider der reinen Symbolpolitik den Vorrang vor systemisch durchdachtem Klimaschutz gegeben – schließlich ist der innereuropäische Luftverkehr als einziges Verkehrssegment überhaupt in den EU-Emissionshandel einbezogen. Mehr Weitsicht und Entschlossenheit erhoffen wir uns bei der Frage der Markteinführung nachhaltig produzierter, synthetischer Kraftstoffe für den Luftverkehr. Das Thema muss endlich konsequent vorangetrieben werden. Davon hängt die Zukunftsfähigkeit der ganzen Branche ab.
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