Vietnam
EU-Vietnam Handelsabkommen: Ursprungsreglungen – Präferenznachweise – Dienstleistungen
Freihandelsabkommen zwischen der EU und Vietnam
Zum 1. August 2020 ist das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Vietnam in Kraft getreten.
Nach dem Abkommen mit Singapur ist das EU-Vietnam-Abkommen das zweite Freihandelsabkommen der EU mit einem ASEAN-Staat. Einbezogen in das Handelsabkommen werden auch Regelungen des Partnerschaft- und Kooperationsabkommens (PKA) zwischen der EU und Vietnam aus dem Jahr 2012. Dieses beinhaltet unter anderem Regelungen zur Zusammenarbeit im Bereich der Menschenrechte.
Durch das EU-Vietnam Freihandelsabkommen werden über 99 Prozent der Zölle zwischen der EU und Vietnam abgebaut. Zum Abbau der Zölle wurden entsprechende Stufenpläne erarbeitet. Der Stufenplan der EU erstreckt sich über einen Zeitraum von sieben Jahren. Der Abbau auf vietnamesischer Seite erfolgt über einen Zeitraum von 10 Jahren. Die Stufenpläne finden sich in den Anlagen 2-A-1 und 2-A-2 des Handelsabkommens.
Die Europäische Kommission informiert umfassend zum Freihandelsabkommen EU-Vietnam.
Die Regeln zum Ursprung ähneln den Regeln des Allgemeinen Präferenzsystems (APS) der EU gegenüber Entwicklungsländern oder wie sie auch im Freihandelsabkommen EU-Singapur enthalten sind und sind im Protokoll Nr. 1 (Seiten 1319 ff) des Abkommens aufgeführt. Die Regeln sind produktspezifisch. Meist wird ein Positionswechsel auf 4-steller Ebene für Vormaterialien ohne Ursprung oder alternativ je nach Ware eine Wertschöpfungsregel zwischen 50 und 70 Prozent verlangt (Anhang II des Protokolls Nr. 1, Seiten 1342ff).
Auf Grund des existierenden einseitigen allgemeinen Präferenzsystems der EU (APS) können derzeit bereits Waren aus Vietnam zollbegünstigt in die EU eingeführt werden. Es besteht eine Übergangsfrist mit paralleler Anwendung für zwei Jahre, bevor der APS-Status Vietnams auslaufen wird. Während der Übergangsfrist kann das für die Einfuhr jeweils günstigere Präferenzsystem gewählt werden.
Gleichzeitig wurde vereinbart, dass die Präferenzzölle der EU im Rahmen des Freihandelsabkommens nicht höher sein dürfen als die Zölle der EU, die am Tag vor dem Inkrafttreten dieses Abkommens auf Waren mit Ursprung in Vietnam nach dem APS erhoben wurden. Diese Verpflichtung gilt ab diesem Datum bis zum siebten Jahr nach Inkrafttreten des Abkommens (Anhang 2 A, Abschnitt A Nr. 3 des Abkommens).
Über das Online-Tool des Zolls zu Warenursprung und Präferenzen (WuP) können Sie die jeweiligen Präferenzen einfach und schnell ermitteln.
Das Freihandelsabkommen EU-Vietnam enthält umfangreiche und differenzierte Kumulierungsbestimmungen (Protokoll Nr. 1, Seiten 1319ff).
1. Bilaterale Kumulierung (Art. 3, Absatz 1, Protokoll Nr. 1): Alle Waren mit Ursprung in der EU und Vietnam
2. Regionale Kumulierung (Art. 3, Absatz 2 und 3, Protokoll Nr. 1, Anhang III zum Protokoll Nr. 1): Warengruppe Tintenfisch, Kalamare und Kraken mit Ursprung ASEAN, sofern ein Präferenzabkommen zwischen der EU und dem entsprechenden ASEAN-Staat besteht und die Voraussetzungen des Art. 3 Absatz 5, Protokoll Nr. 1 erfüllt sind.
3. Diagonale Kumulierung (Art. 3, Absatz 7-11, Protokoll Nr. 1): Warengruppe Spinnstoffe mit Ursprung in der Republik Korea, wenn sie in Vietnam weiterverarbeitet oder bei der Herstellung eines Erzeugnisses verwendet worden sind, das in Anhang 5 des Protokolls Nr. 1 aufgeführt ist und die Be- und Verarbeitung über die in Art. 6 genannte Behandlung hinausgeht. Zudem müssen die Voraussetzung des Art. 3 Absatz 10, Protokoll Nr. 1 erfüllt sein.
Warenlieferungen nach Vietnam:
Gem. Art. 15 des Protokolls Nr. 1 ist Präferenznachweis für alle Warensendungen die Ursprungserklärung auf der Rechnung.
Bis zu 6.000 Euro Warenwert kann die Ursprungserklärung von jedem Ausführer ausgefertigt werden (Art. 15 Absatz 1 Protokoll Nr. 1 i.V.m. der Mitteilung der EU an Vietnam).
Ab 6.000 Euro Warenwert kann eine Ursprungserklärung nur von einem Registrierten Ausführer (REX) ausgestellt werden (Art. 15 Absatz 1 c i.V.m. der Mitteilung der EU an Vietnam). Exporteure müssen sich hierzu bei ihrer zuständigen Zollbehörde (in Bayern das zuständige Hauptzollamt) registrieren. (Weitere Informationen: Zoll.de)
Der Wortlaut der Ursprungserklärung findet sich in Anhang VI des Protokolls Nr.1.
Gemäß Mitteilung der EU an Vietnam (veröffentlicht im Amtsblatt der EU C196 vom 11. Juni 2020 |2020/C 196/06) findet mit In-Kraft-Treten des Abkommens Art. 15 Absatz 1 c des Protokolls Nr. 1 Anwendung. Eine Ursprungserklärung durch den Ermächtigten Ausführer (EA) ist bei Waren über einem Warenwert von 6.000 Euro laut Mitteilung nicht mehr möglich. Für die Inanspruchnahme der Zollpräferenzbehandlung in Vietnam werden zudem in der Europäischen Union auch keine Ursprungszeugnisse (Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1) und Ursprungserklärungen ausgestellt oder ausgefertigt. Die deutsche Fassung der Mitteilung ist diesbezüglich missverständlich formuliert. Siehe daher auch die englische Version der Mitteilung.
Warenlieferung in die EU:
Bis zu 6.000 Euro Warenwert gilt für vietnamesische Exporteure ebenfalls die Ursprungserklärung.
Ab 6.000 Euro Warenwert ist für den Import in die EU eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 auszustellen.
Durch die Veröffentlichung des Abkommen am 12. Juni 2020 im Amtsblatt der EU L186 kann Vietnam bereits auf Lieferantenerklärungen angegeben werden.
Weitere Informationen: Zoll.de
Achtung:
Wie vom deutschen Zoll zunächst gemeldet, wurden in Vietnam ausgestellte Warenverkehrsbescheinigungen „EUR.1“, deren Hintergrund mit einem guillochierten Überdruck in "Blau" statt in "Grün" versehen ist, für eine Präferenzbehandlung bei der Einfuhr in die EU nicht anerkannt.
Der Zoll informiert nun, dass die Europäische Kommission eine Übergangsfrist hinsichtlich der Anerkennung dieser nicht konformen „EUR.1“ gewährt.
Daher können Warenverkehrsbescheinigungen „EUR.1“ mit einem guillochierten Überdruck in Blau mit einer Seriennummer von AA000001 bis AA100000 bis zur Verfügbarkeit konformer Warenverkehrsbescheinigungen „EUR.1“ bis zum 31. Dezember 2020 anerkannt werden, sofern keine anderen Gründe entgegenstehen.
Nicht konforme Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1, die nach dem 31. Dezember 2020 ausgestellt werden, werden aus technischen Gründen abgelehnt.
Die aktuelle Meldung des Zolls finden Sie hier.
Als Nachweis für IHK-Ursprungszeugnisse kann eine "blaue" EUR.1 aus Vietnam dagegen anerkannt werden.
Neben Erleichterungen im Warenverkehr enthält das Handelsabkommen auch Regelungen zum Zugang europäischer Unternehmen zu ausgewählten Dienstleistungsbereichen.
So ergeben sich Verbesserungen im Bereich der Miet- und Leasingdienstleistungen, sanitärer Dienste, dem Einzelhandel und Dienstleistungen in der Hochschulbildung und der Erwachsenenbildung (Kapitel 8, Art. 8 ff, Seiten 44 ff).
Kapitel 9 des Freihandelsabkommens (Seite 75 ff) enthält Vereinfachungen für die Teilnahme an Ausschreibungen im Bereich der öffentlichen Beschaffung. EU-Unternehmen können sich künftig um öffentliche Aufträge für vietnamesische Ministerien und wichtige Staatsunternehmen sowie für die beiden größten vietnamesischen Städte Hanoi und Ho Chi-Minh-Stadt bewerben.