Brexit und der Finanzmarktsektor
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Einleitung
London ist der Finanzplatz Europas. Trotz Brexit werden derzeit etwa 90 Prozent aller in Euro gehandelten Derivate in London gehandelt. Der Finanzsektor des Vereinigten Königreichs ist der größte innerhalb der EU und für die Entwicklung des Europäischen Wirtschaftsraums von zentraler Bedeutung. Eine wesentliche Säule der EU-Binnenmarktfreiheiten ist die Kapitalverkehrsfreiheit.
Das Handels- und Kooperationsabkommen (TCA) zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU enthält nur wenige Bestimmungen über Finanzdienstleistungen, so dass der Handel durch einseitige Gleichwertigkeitsentscheidungen geregelt wird. Im März 2021 unterzeichneten beide Seiten außerdem eine Absichtserklärung über die Zusammenarbeit in Regulierungsfragen.
Finanzdienstleistungen
Innerhalb der EU dient der sogenannte EU-Pass als Basis für Finanztransaktionen. Für Aktivitäten in der gesamten EU reicht damit die Lizenz einer nationalen Aufsichtsbehörde aus. Wenn eine einmalige Zulassung eines Finanzprodukts in einem EU-Mitgliedsland erreicht wurde, kann der Vertrieb in der gesamten Union erfolgen.
Nach dem Brexit verloren Finanzdienstleister aus dem Vereinigten Königreich die Möglichkeit des Financial Passporting und gelten in der Folge als Anbieter aus Drittstaaten. Eine Kompensation könnte durch die Gründung einer nationalen Tochtergesellschaft erfolgen.
Die Probleme gelten auch umgekehrt für Finanzdienstleister aus der EU-27, die ihre Produkte auf der Insel vertreiben möchten. Die britische Finanzaufsichtsbehörde hat die Übergangsregelung "Financial Services Contract Regime" (FSCR) eingeführt. Die FSCR ermöglicht es EWR-Firmen, die zuvor ihre Tätigkeit in Großbritannien über einen EU-Pass abgewickelt haben und nicht in die Regelung für befristete Genehmigungen (TPR) eingetreten sind, ihre Geschäftstätigkeit im Vereinigten Königreich auf geordnete Weise zu beenden.
Weiterführende Informationen finden Sie unter: https://www.fca.org.uk/brexit/temporary-permissions-regime-tpr/financial-services-contracts-regime
Investitionen
Rund um das Thema grenzüberschreitender Investitionen gelten im Binnenmarkt der EU für alle Mitgliedstaaten dieselben EU-Vorschriften. Diese Regeln betreffen insbesondere den freien Kapitalverkehr und die Niederlassungsfreiheit. Viele Unternehmen haben ihren Standort aus diesen Gründen in das VK verlagert. In der Folge des Brexit fällt für europäische Investoren der unionsrechtliche Schutz weg, dies betrifft entsprechend auch deutsche Investoren. Bis zur Aushandlung eines neuen Investitionsschutzabkommens kann einige Zeit vergehen. Unternehmen sollten daher bei Investitionen berücksichtigen, dass es bis zur Unterzeichnung eines möglichen Schutzabkommens zwischen dem VK und der EU hinsichtlich des Marktzugangs und des Verbots der Beschränkung des Kapital- und Zahlungsverkehrs keine Garantien geben wird.
Laut einer Umfrage des DIHK planen fast zehn Prozent der befragten Unternehmen mit Investitionen im VK bereits eine Verlagerung auf andere Märkte. Die Statistik verdeutlicht die große Verunsicherung betroffener Unternehmen. Das aktuell geschwächte Pfund könnte einen Investitionsrückgang zumindest teilweise kompensieren. Investieren Unternehmen in Produktionsstätten vor Ort, können sie mögliche Risiken durch Hürden bei Exporten reduzieren. Weniger Investitionen deutscher Unternehmen im VK erscheinen aus diesen Gründen langfristig als wahrscheinlich.
Unternehmensfinanzierung
Ein Thema nach dem Brexit ist das Eigenkapital für Banken außerhalb der EU. Möglicherweise sind die Banken in Zukunft bei der Abwicklung ihrer Geschäfte über Clearingstellen dazu verpflichtet, zur Risikovorsorge deutlich mehr Eigenkapital vorzuhalten. Die Folge: Müssen Banken eine höhere Eigenmittelbindung vorhalten, könnte sich der Spielraum für Kreditausreichungen reduzieren und die Finanzierungskosten für Unternehmen könnten sich verteuern.
Für Banken aus Großbritannien gilt: Tritt der Brexit in Kraft, unterliegen die britischen Banken nicht mehr dem EU-weiten Aufsichtsrahmen. Innerhalb der Europäischen Union konkurrieren Banken in Bezug auf Vorschriften zu Eigenkapital und Liquidität zu gleichen aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen. Lockern die Politiker die Bankenregulierung, könnten Finanzierungen für Unternehmen von Banken aus dem VK günstiger werden. Auf lange Sicht hätte eine überhöhte Risikoübernahme höhere Risiken für die Finanzstabilität zur Folge. Folgt auf den Brexit eine negative wirtschaftliche Entwicklung Großbritanniens, könnten Banken im Inland weniger Kredite vergeben. Die Finanzierung von Unternehmen im VK könnte sich dadurch schwieriger gestalten. Gleichzeitig müssen Unternehmen mit erhöhten Risikoaufschlägen für die Finanzierung von Projekten im Vereinigten Königreich rechnen.
Hinweis: Bayerische Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zu Banken aus den VK sollten die Entwicklung im Auge behalten.
Wirtschaftsprüfer
Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die Unternehmen mit Bezug zum geregelten Kapitalmarkt im Vereinigten Königreich prüfen, müssen sich dort beim Financial Reporting Council (FRC) als Drittstaatsprüfer oder Drittstaatsprüfungsgesellschaften registrieren lassen. Die hierfür notwendige Gleichwertigkeit der Berufsrechte hat das FRC der WPK bereits bestätigt. Hinweise zur Registrierung (PDF) hat das FRC auf seiner Internetseite zusammengestellt.
Hinweis: Unternehmen sollten alternative Wirtschaftsprüfer mit Sitz innerhalb der EU in Betracht ziehen und so mögliche negative Folgen minimieren.
FAQ zu Brexit und Finanzmarkt
Zusammenfassung
Zur Risikovorsorge müssen Banken außerhalb der EU nach dem Brexit bei ihren Geschäften ggf. mehr Eigenkapital vorhalten, was die Unternehmensfinanzierung verteuern könnte. Eine unsichere wirtschaftliche Entwicklung des Vereinigten Königreichs könnte zudem die Finanzierung von Projekten und Niederlassungen im VK erschweren. Denken Sie bei Investitionen daran, dass es bis zur Unterzeichnung eines möglichen Schutzabkommens in Bezug auf den Marktzugang und für das Verbot der Beschränkung des Kapital- und Zahlungsverkehrs keine Garantien geben wird. Prüfen Sie Ihre Versicherungsverträge und wechseln Sie ggf. zu einem Anbieter mit Sitz innerhalb der EU.
IHK-Ansprechpartner
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Georg Schulte-Holtey
Beratung zu: Brexit und Finanzdienstleistungen & Wechselkurs+49 89 5116-1110
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