Pressemeldung vom 06.12.2024 - Bad-Tölz-Wolfratshausen
Mammutaufgabe ÖPNV – mehr Miteinander ist entscheidend
Ob Verlängerung der S 7, Elektrifizierung der Oberland-Bahn, Zweigleisigkeit, Halbstundentakt auf den Hauptlinien oder flexible Busangebote für kleine Weiler: Geht es um den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) im Landkreis, dann sind das nur einige Themen, die unter den Nägeln brennen. Warum die heimische Wirtschaft auf einen gut ausgebauten, zuverlässig funktionierenden und für ihre Mitarbeiter attraktiven ÖPNV angewiesen ist, und wie das bestehende Angebot auf Vordermann gebracht und weiter ausgebaut werden kann, stand im Mittelpunkt einer vom IHK-Regionalausschuss Bad Tölz-Wolfratshausen initiierten Podiumsdiskussion. Ausgehend von einem Forderungspapier des Ausschusses diskutierten Vertreter aus Wirtschaft und Politik, von der Deutschen Bahn und dem Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) Status quo und Lösungswege, um im öffentlichen Nahverkehr die Weichen bestmöglich in Richtung Zukunft zu stellen.
IHK-Podiumsdiskussion zur Zukunft von Mobilität und öffentlichem Nahverkehr im Landkreis
„Die Auswirkungen der Mobilität – im Positiven wie im Negativen – spüren wir täglich“, sagte Landrat Josef Niedermaier (FW) und eröffnete mit diesen Worten die Diskussion. Dem Kommunalpolitiker zufolge hängen Zukunft und Erfolg des Großraums München entscheidend von Flexibilität und Mobilität der Menschen und Wirtschaft ab. „Mobilität, ÖPNV und Wirtschaft sind eng miteinander verzahnt. Nur wenn ihr Zusammenspiel gut funktioniert, zahlt sich das positiv auf unseren Wirtschaftsstandort aus, wovon alle Bürgerinnen und Bürger profitieren.“ Unternehmer Michael Reinfelder vom IHK-Regionalausschuss betonte: „Im Wettbewerb um Arbeitskräfte wird es für Unternehmen immer wichtiger, gut per Bus und Bahn erreichbar zu sein. Deshalb ist es für unsere Betriebe enorm wichtig, wie es mit dem Ausbau, dem Erhalt sowie der Verbesserung der vorhandenen Infrastruktur und Angebote weitergeht, auch um die Zuverlässigkeit des Nahverkehrs wieder herzustellen. Als Unternehmer brauche ich für meine Planung verlässliche Aussagen für mindestens zwei bis drei Jahre. Ein Beispiel ist die Bepreisung des Deutschland-Tickets, welches als eine Art Jobticket sowohl von Mitarbeitern als auch Bewerbern angefragt wird. Durch die Preiserhöhung kann es der Arbeitgeber ab Januar nicht mehr als steuerfreies Gehaltsextra komplett finanzieren, da es über 50 Euro kosten wird. Das ist ärgerlich und verursacht jetzt jede Menge bürokratischen Aufwand. Ebenso sind Verlässlichkeit und attraktive Angebote entscheidend, wenn wir wirklich erreichen wollen, dass die Menschen ihr Verhalten verändern.“
Auch IHK-Standortexpertin Annette Hilpert unterstrich die Bedeutung einer gut funktionierenden Mobilität als Standortfaktor für die Wirtschaft. Abgesehen von Logistik und Wirtschaftsverkehr zahlt diese auch erheblich auf die Attraktivität von Unternehmen als Arbeitgeber in einem nach wie vor angespannten Arbeitsmarkt ein. Wichtig sei auch, so Hilpert, dass man nicht die Schnittstellen zwischen ÖPNV und Individualverkehr für die letzten zwei Kilometer zum Unternehmen oder Wohnort aus den Augen verliere. Hier ist die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Kommunen wichtig, so dass auch Betriebe eigene Angebote einfließen lassen können. Letztendlich gehe es um eine erfolgreiche Vernetzung aller Angebote, um ein echtes Miteinander, so Hilpert.
S-Bahn-Chef Heiko Büttner und Bernd Rosenbusch vom MVV bestätigten, dass Qualität und Zuverlässigkeit entscheidend seien für die Zukunftsfähigkeit, Attraktivität und damit Überzeugungskraft der Angebote im ÖPNV. „Wir müssen die Qualität in den Griff bekommen“, sagte Rosenbusch. Büttner ergänzte: „Eine leistungsfähige Infrastruktur ist für Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und mehr Transportkapazitäten das A und O. Für die Sanierung, den Neu- und Ausbau sind Investitionen in Milliardenhöhe erforderlich. Um diese zu sichern, braucht es ein klares Commitment der Politik und langfristige Finanzierungsperspektiven. Zuverlässigkeit ist unser klares Ziel, es muss ein maximaler Standortvorteil für Unternehmen und Menschen sein, an einer S-Bahn-Linie seinen Sitz zu haben oder zu wohnen.“ Büttner plädierte eindringlich für die Einführung eines verbindlichen und langfristigen Investitionsplans außerhalb des Bundeshaushalts, so wie es ihn in der Schweiz oder Österreich seit vielen Jahren gibt. Rosenbusch appellierte an die Kreisräte, auch eine Politik für die Menschen ohne Auto zu machen. „Im Landkreis sind das immerhin 15 Prozent“, so der MVV-Chef. „Wir brauchen außerdem mehr politischen Druck pro ÖPNV nach oben in die Bundespolitik. Dort werden die großen Entscheidungen getroffen, wenn es beispielsweise um die Verteilung der Gelder im Haushalt, Förderprogramme oder auch die Priorisierung der unterschiedlichen Verkehrsträger geht.“
Renate Waßmer, Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses und als Sparkassen-Vorstandsvorsitzende Gastgeberin in der Sparkasse Bad Tölz, dankte abschließend Moderator Stefan Drexlmeier von der Energiewende Oberland sowie den Teilnehmern der Diskussionsrunde für ihre aufschlussreichen Beiträge. Die Redner standen im Anschluss im regen Austausch mit den Gästen der Veranstaltung, unter ihnen zahlreiche Kreisräte, Bürgermeister sowie Vertreter aus Vereinen und Verbänden.
Bildunterschrift v.l.n.r.: Moderator Stefan Drexlmeier, Renate Waßmer, Andreas Korn (IHK), Landrat Josef Niedermaier, Annette Hilpert (IHK), Heiko Büttner (DB), Bernd Rosenbusch (MVV), Unternehmer Michael Reinfelder