06.03.2019 - Traunstein
Strom kommt nicht einfach aus der Steckdose
Mit den Auswirkungen der Energiewende auf die regionale Versorgungssicherheit hat sich der IHK-Regionalausschuss Traunstein bei seiner jüngsten Sitzung beschäftigt. Passend zum Thema trafen sich die Vertreter der regionalen Wirtschaft mit ihrem Vorsitzenden Nikolaus Binder bei den Stadtwerken Traunstein, die mit Geschäftsführer Stefan Will auch den ersten Referenten der Veranstaltung stellten.
IHK tagt zu Sicherheit der Stromversorgung / Rudi Wochinger in Vorsitz gewählt
Will erläuterte die großen Veränderungen im Mix der Stromerzeugung seit Beginn der Energiewende. Kamen früher mehr als 90 Prozent des bayerischen Stroms aus regelbaren Kohle-, Gas- oder Kernkraftwerken, so ist es aktuell nicht einmal mehr die Hälfte. Der Erfolg der erneuerbaren Energien bereitet den Stromnetzbetreibern und Energieversorgern allerdings immer mehr Sorgen. „Die zunehmend dezentrale Erzeugung stellt den Stromfluss auf den Kopf“, sagte Stadtwerke-Geschäftsführer Will. Das permanent notwendige Gleichgewicht von Stromerzeugung und Stromverbrauch in den Übertragungs- und Verteilnetzen werde durch den wachsenden Anteil der erneuerbaren Energien am Strom-Mix immer labiler. „Eine Wolkenfront oder eine Windflaute – und schon müssen die regelbaren Kraftwerke einspringen“, so Will. Er erinnerte auch daran, das nachts überhaupt keine Sonne scheint und gar kein Solarstrom fließt. Insofern gebe der reine Anteil der Erneuerbaren am Strom-Mix nicht die ganze Wahrheit wieder: „Ohne große grundlastfähige Kraftwerke und ohne Netzausbau gibt es keine Versorgungssicherheit“, so das Fazit des Energieexperten.
Wegen der zunehmenden Unwägbarkeiten bei der Stromerzeugung seien auch immer mehr teure Netzeingriffe notwendig, um die Stromversorgung stabil zu erhalten. Alle Energieversorger hätten in Absprache mit den Verteilnetzbetreibern Notfallpläne entwickelt, welche Stromkunden in absoluten Ausnahmeszenarien einer zu hohen Netzlast in welcher Reihenfolge abgeschaltet werden. „So etwas wäre früher undenkbar gewesen“, meint Will. „Es ist aber definitiv das kleinere Übel, nur einige Verbraucher geplant abzuschalten als das gesamte Stromnetz in einem unkontrollierten Black-Out zusammenbrechen zu lassen“, so Will.
Der Stadtwerke-Geschäftsführer empfahl den Unternehmen, das Thema Stromversorgung unbedingt in die betriebliche Notfallplanung aufzunehmen und Vorsorgemaßnahmen zu bedenken. Diese seien je nach betrieblicher Anforderung sehr unterschiedlich. Eins sei aber klar: Strom komme nicht mehr einfach aus der Steckdose.
Dieses Fazit unterstrich auch Norbert Ammann, Referatsleiter Umwelt, Energie, Roh-stoffe bei der IHK für München und Oberbayern. Der IHK-Experte nannte als Beispiel empfindliche Elektronikanlagen, die durch plötzliche Spannungsänderungen bei einem Stromausfall zerstört werden können. Ammann erläuterte die wirtschaftspolitischen Forderungen der IHK zur Energiewende, darunter eine Senkung des Strompreises durch Abschaffung der Stromsteuer und einen schnellen Netzausbau. Die im internationalen Vergleich sehr hohen Stromkosten gefährden nach IHK-Ansicht den Industriestandort Deutschland, insbesondere für energieintensive Branchen.
Robert Obermeier, IHK-Abteilungsleiter Wirtschaftspolitik und Region, brachte aktuelle Nachrichten aus München und stellte eine IHK-Kampagne gegen Bürokratie vor. Unternehmen können ihre konkreten Bürokratiebelastungen melden und die IHK tragen sie gezielt an die Politik und die zuständigen Behörden heran. Eine größere Auflistung sei vergangene Woche der Staatskanzlei übergeben worden.
Zum Abschluss der Sitzung wurde Rudi Wochinger (56), Geschäftsführer von Wochinger Bräu in Traunstein, zum zweiten stellvertretenden Vorsitzenden des IHK-Regionalausschusses gewählt. Die Nachwahl war durch das Ausscheiden von Klaus Rutz aus dem Gremium notwendig geworden, der Geschäftsführer von Ecolab Engineering in Siegsdorf geht in den Ruhestand. Sein Nachrücker als Mitglied des IHK-Regionalausschusses Traunstein ist Stefan Will (52).