19.03.2019 - Altötting-Mühldorf
Personalpolitik in Zeiten des Fachkräftemangels
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, braucht es individuelle Lösungen. Zu diesem Schluss kam der IHK-Regionalausschuss Altötting-Mühldorf in seiner jüngsten Sitzung im Hotel Plankl in Altötting. Laut Zahlen der IHK fehlen in der gesamten Region Südostoberbayern derzeit etwa 12.000 qualifizierte Mitarbeiter. Aufgrund dieses Engpasses können rund 4,1 Prozent aller der in der Region angebotenen Arbeitsplätze für Fachkräfte nicht besetzt werden.
Derzeit rund 12.000 unbesetzte Stellen in Südostoberbayern / Problem fehlender Wohnraum
„Die Betriebe suchen vor allem beruflich qualifizierte Mitarbeiter“, erklärte IHK-Experte Sebastian John. Besonderer Mangel herrscht unter anderem bei den Industrie- und Bürokaufleuten, bei Fertigungsmechanikern, Anlagenführern, Maschinenbaumeistern, Zerspanungsmechanikern und Elektrotechnikern. Perspektivisch rechnet John damit, dass die Lücke auf dem Arbeitsmarkt größer wird. „Die fortschreitende Digitalisierung wird vermutlich wie bereits in der Vergangenheit für neue Stellen sorgen“, so John.
„Die Herausforderung ist also, wie wir unsere Mitarbeiter langfristig binden und gleichzeitig neues Personal gewinnen können“, brachte es Ingrid Obermeier-Osl, IHK-Vizepräsidentin und Vorsitzende des Ausschusses, auf den Punkt. In Bezug auf die Mitarbeiterbindung empfiehlt John unter anderem, regelmäßig Mitarbeiterbefragungen durchzuführen, um Verbesserungspotentiale für den eigenen Betrieb und das Arbeitsklima zu erarbeiten.
Die Hälfte der anwesenden Unternehmerinnen und Unternehmer gab an, aktuell offene Stelle nicht besetzen zu können. Wichtigster Kanal, um neue Mitarbeiter zu gewinnen, sei die Vermittlung über persönliche Kontakte. „Immer mehr Betriebe bezahlen ihren Mitarbeitern Prämien, wenn diese erfolgreich neue Kollegen werben. Selbst Ebay-Kleinanzeigen werden als Jobbörse genutzt“, berichtet Obermeier-Osl.
Helfen kann auch die Agentur für Arbeit. „Die aktuelle Arbeitsmarktsituation erfordert, dass alle Potentiale gehoben werden“, erklärte Susanne Stöberl von der Altöttinger Geschäftsstelle. Unternehmen profitieren seit diesem Jahr von neuen Fördermöglichkeiten. Bei Anpassungsqualifizierungen können sich die Betriebe beispielsweise Weiterbildungsmaßnahmen für die Mitarbeiter fördern lassen. Abhängig von der Betriebsgröße übernimmt die Agentur für Arbeit bis zu 100 Prozent der Lehrgangskosten und bis zu 75 Prozent Arbeitsentgelt für die ausgefallene Arbeitszeit. Ziel der Maßnahme ist es, Mitarbeiter mit neuen Fertigkeiten und Kompetenzen auf den digitalen Wandel vorzubereiten.
Damit Geringqualifizierte eine Chance haben, Fachkräfte zu werden, werden außerdem abschlussorientierte Maßnahmen gefördert. Die Weiterbildungskosten werden vollständig von der Agentur für Arbeit übernommen, Arbeitsentgeltzuschüsse ebenfalls bis zu 100 Prozent. „Eine solche Qualifizierung ist zwar ein langer Weg, aber er lohnt sich“, so Stöberl.
Welche Weiterbildungsmöglichkeiten Mitarbeiter nach ihrer Ausbildung haben, zeigte Christian Tafelmeier von der IHK-Akademie auf. „Die Möglichkeiten sind mittlerweile sehr vielfältig, oft seien gar nicht alle Optionen bekannt“, berichtete Tafelmeier. Bereits seit einigen Jahren ist es möglich, mit einer abgeschlossener Ausbildung und mindestens drei Jahren Berufserfahrung ein fachbezogenes Studium zu absolvieren. Beliebt seien zudem Zertifikatskurse im kaufmännischen oder technischen Bereich.
Noch bis vor wenigen Jahren hätten Unternehmen zur Mitarbeiterbindung die Kosten für Weiterbildungsmaßnahmen teilweise oder vollständig übernommen. Förderungen wie der Meisterbonus oder das Aufstiegs-Bafög haben diese Praxis geändert, erklärt Tafelmeier. „Unternehmen müssen deshalb neue Anreize schaffen, beispielsweise Prämien für das Bestehen von Prüfungen“, erklärt Tafelmeier. Eine weitere Option sei es, die Mitarbeiter für die Weiterbildung freizustellen. „Zeit ist heute ein großes Thema für die Menschen“, so Tafelmeier.
Eine wachsende Rolle spielen angesichts des leergefegten Arbeitsmarktes auch Menschen mit Fluchthintergrund. Größte Hürde sei aber, bezahlbaren Wohnraum für die Personen zu finden. Mehrere Unternehmen aus dem Ausschuss berichteten, dass sie deshalb selbst Wohnungen für Geflüchtete angemietet haben. „Der Mangel an Wohnraum wird in ganz Oberbayern immer mehr zum Standortnachteil. Wie können Fachkräfte aus anderen Teilen Deutschlands oder der Welt angeworben werden, wenn wir sie gleichzeitig nicht unterbringen können? Nicht alle Unternehmen können es sich leisten, selbst Wohnungen zu mieten oder zu kaufen. Hier braucht es politische Lösungen“, ist Obermeier-Osl überzeugt.
Am Ende der Sitzung präsentierte Andreas Seifinger die neue Plattform für die Kultur- und Kreativwirtschaft in der Region. Gemeinsam mit den beiden Landratsämtern von Altötting und Mühldorf haben die IHK und die Handwerkskammer eine eigene Internetseite geschaffen, um den Betrieben aus dieser Branche mehr Sichtbarkeit zu geben. Ausgangsbasis für diese Idee war unter anderem der Arbeitskreis Kultur- und Kreativwirtschaft des IHK-Regionalausschusses. Obermeier-Osl freute sich über das Ergebnis: „Es ist schön zu sehen, wie die Ideen aus unserem Arbeitskreis umgesetzt werden.“ Als weiterführende Maßnahme wird die IHK unter anderem Kurse zur Erstellung von Businessplänen für Unternehmer aus der Kultur- und Kreativwirtschaft geben.
Die IHK-Vizepräsidentin warf noch einen Blick auf den diesjährigen Wirtschaftsempfang am 24. Oktober in Waldkraiburg. Als Gastredner angefragt ist Jean-Claude Juncker, derzeit noch amtierender Präsident der EU-Kommission.