Pressemeldung vom 23.03.2023 - Altötting-Mühldorf

Gegen Produktionsaus von Fluorpolymeren im Chemiepark Gendorf

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© IHK

Der IHK-Regionalausschuss Altötting-Mühldorf hat sich unter dem Vorsitz von Ingrid Obermeier-Osl, Vizepräsidentin der IHK für München und Oberbayern, einstimmig gegen die Stilllegung der Produktion von Fluor­polymeren (Fluorkunststoffen) im Chemiepark Gendorf ausgesprochen. Dies müsse mit allen politischen Mitteln verhindert werden, sonst werde die größte Chemieregion Bayerns massiv geschwächt – mit unabsehbaren Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit von ganz Europa, lautet die von den Ausschussmitgliedern verabschiedete Positionierung. „Bevor wir Fluorpolymere verbieten, sind alternative Ausgangsstoffe erforderlich, die den Unternehmen, die auf die Verwendung dieser Kunststoffe angewiesen sind, bedarfsgerecht zur Verfügung stehen müssen“, sagte Obermeier-Osl. „Ist das nicht der Fall, machen wir uns technologisch, ökonomisch und sicherheitspolitisch von anderen Märkten abhängig. Das kann niemand wollen.“

Obermeier-Osl: „Dominoeffekt zum Schaden des gesamten Chemie-Dreiecks zu befürchten“

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IHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl (rechts) überreicht das Positionspapier des Regionalausschusses an Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger

Auslöser für die Ausschusssitzung in Gendorf war die Bekanntgabe des US-amerika­nischen Herstellers 3M, mit seiner Tochter Dyneon, dem größten europäischen Hersteller von Fluorpolymeren, bis 2025 aus der Produktion dieser Produktgruppe auszusteigen und den Standort Gendorf aufzugeben. Gleichzeitig plant die EU ein Verbot der Herstellung und Verwendung von per- und polyfluorierten Alkylen (PFAS), der die Fluorpolymere zugeordnet sind. Damit seien laut Obermeier-Osl die Perspektiven für den Standort Gendorf besorgniserregend und die Folgen für den Chemiepark unabsehbar, da in Gendorf zahlreiche Unternehmen im Verbund arbeiten und in der Produktion enge Verflechtungen bestehen. Hinzu kommt, dass das Verbot der Fluorkunststoffe zahlreiche Industrien trifft, die diese in der Herstellung ihrer Produkte verwenden. Bernhard Langhammer, Sprecher der Initiative ChemDelta Bavaria, verwies auf wichtige Wachstumsmärkte, Schlüsseltechnologien und Einsatzbereiche, in denen Fluorkunststoffe bislang unabkömmlich sind, wie zum Beispiel 5G im Mobilfunk, Medizintechnik und Chirurgie oder auch die Halbleiter- und Elektronikindustrie. „Wir sind mit einer sehr bedrohlichen Entwicklung sowohl für die deutsche als auch die europäische Industrie konfrontiert. Ohne Fluorpolymere zerstören wir Wertschöpfungsketten in der Automobilindustrie, Luft- und Raumfahrttechnik sowie Chemieindustrie, um nur einige wenige zu nennen“, ergänzte Obermeier-Osl. „Das von der EU geplante Verbot muss deshalb verhindert werden. Der Chemiepark Gendorf muss auch über 2025 hinaus Produktionsstandort von Fluorpolymeren bleiben. Die Politik muss sich dafür einsetzen, dass die EU die geplante PFAS-Beschränkung nicht so undifferenziert umsetzt wie derzeit vorgesehen.“

Dominik Gschwendtner, Geschäftsleiter der Betreibergesellschaft Infraserv, ergänzte: „Mit dem Ausstieg Dyneons entfallen 20 Prozent des Umsatzes im Chemiepark. Wenn solch ein großer Produzent aussteigt und nicht adäquat ersetzt werden kann, verändert das den Standort. Es gehen nicht nur Wissen und Kompetenzen verloren, auch die Infrastrukturkosten müssen auf weniger Schultern verteilt werden. Das bedeutet eine Schwächung für den Chemiepark, ganz zu schweigen von den Arbeitsplätzen, die wegfallen könnten. Schon allein der Weggang von Dyneon bringt den Verlust von 700 Arbeitsplätzen mit sich. Die Sorge vor einem Dominoeffekt ist mehr als berechtigt“, so Gschwendtner.

Erst ersetzen, dann verbieten

IHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl, Gast der Sitzung, mahnte: „Pauschale Verbote auf Verdacht und unter Ausblenden der Konsequenzen für Lieferketten und Wertschöpfung gefährden unsere Wirtschaft geradezu fahrlässig. Bevor man etwas verbietet, muss es ersetzbar sein. Das gilt im Grundsatz ebenso wie im konkreten und noch dazu besonders krassen Fall der Fluorpolymere. Wir brauchen jetzt den Schulterschluss aller Unternehmen, die auf die Verwendung von Fluorkunststoffen in ihrer Produktion angewiesen sind, um den Politikern in Berlin und Brüssel vor Augen zu führen, welche dramatischen Auswirkungen das PFAS-Pauschalverbot ohne Ausnahme für Polymere auf die Wirtschaft hätte.“ Laut Gößl werde die europäische Industrie in vielen Sektoren nicht mehr handlungsfähig sein. Dem IHK-Chef zufolge geraten auch die EU-Klima- und Energieziele in Gefahr, denn Fluorpolymere stecken zum Beispiel auch in jedem E-Auto, jeder Photovoltaikanlage und jedem Windrad.

In ihrem Schlusswort fasste IHK-Vizepräsidentin Obermeier-Osl zusammen: „Als gewählte Vertretung der Wirtschaft ist es Aufgabe unseres Ausschusses, alle Kräfte für den Erhalt von Gendorf als Lieferant von Fluorpolymeren für die europäische Industrie zu mobilisieren. Wir zählen dabei auf unsere Politiker und ihren Einsatz in Brüssel und Berlin, damit die EU-Regulatorik entsprechend angepasst wird.“