Bayerisches Wirtschaftsarchiv

Exponate des BWA 2016

Inhalt

„Für Zeiten des Alters und der Noth“‎

Wer hat’s erfunden? Es war der Schweizer Johann Kasper Brunner, der erstmals 1807 im jungen Königreich Bayern den Vorschlag einreichte, eine Sparkasse zu gründen.

1835 eröffnete Pfarrer Heimgreiter – vor der Säkularisation Pater im Kloster Tegernsee - eine Spar- und Leihkasse für das Tegernseer Tal. Sie gehörte mit zu den ersten Einrichtungen dieser Art in Oberbayern. Das neue Institut sollte die „Minderbemittelten“ zum Sparen eigenen Kapitals anregen und nicht benötigte Gelder an kreditbedürftige Bauern und Handwerker ausleihen.

Pfarrer Heimgreiter war ein viel beschäftigter Mann. Einzahlungen gab es daher nur im Februar und im September, und zwar an Tagen, die von der Kanzel herab bekannt gegeben wurden. Als Beleg dienten „Sparkassenbillets“, die den Sparbetrag und die Höhe der Zinsen bis zum Ablauf der Einlage vermerkten. Erst in den 1840er Jahren kamen vermehrt gebundene Sparbücher auf. Häufig trugen sie das Symbol des Bienenkorbs und einen passenden Sinnspruch wie „Mensch geh‘ zur Biene hin, und sieh die kleine Sammlerin“.

„Das Wirtschaftsarchiv betreut eine Reihe von bayerischen Sparkassen. In diesen Archivbeständen haben sich zahlreiche entwertete Sparbücher erhalten. Diese wertvollen Zeitzeugnisse dokumentieren Kriege und Krisen, aber auch Währungsreform und Wirtschaftswunder. Vielfach stammen die schmalen Büchlein von Flüchtlingen und Vertriebenen aus dem ehemaligen Sudetenland, aus Ostpreußen und Schlesien. Sie kamen dann im Zug des Lastenausgleichs nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Bayern zur Einlösung.“

Harald Müller M.A., wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bayerischen Wirtschaftsarchivs

Bergbahnen: „Aufi auf’n Berg!“

1912 nahm die erste bayerische Bergbahn, die Wendelsteinbahn, ihren Betrieb auf. Weitere folgten - mit technischen Pionierleistungen, wie das Exponat des Monats des Bayerischen Wirtschaftsarchivs zeigt.

Ob der Name auf die Wenden, den heiligen Wendelin oder „umherwandelnde“ Berggeister und ihre in Bergspalten verborgenen Schätze zurückgeht: In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zählte der Wendelstein zu den meistbestiegenen Gipfeln der bayerischen Alpen. Schon 1883 eröffnete dort das erste bewirtschaftete Berghaus in Oberbayern. Kurz nach der Einweihung verzeichnete es bereits die Rekordübernachtungszahl von 139 Personen. 1912 nahm die unter der Leitung von Kommerzienrat Otto von Steinbeis erbaute erste bayerische Bergbahn von Brannenburg aus den Betrieb auf.

Nur zwei Jahre später erteilte der bayerische König Ludwig III. die Konzession für den Bau einer Zahnradbahn auf die Zugspitze. Sein Großvater, Prinzregent Luitpold, hatte 1899 ein erstes Gesuch abgelehnt, weil er keinerlei „Verkehrsbedürfnis“ erkennen konnte. Inflation und Wirtschaftskrise verhinderten zunächst das Projekt. Doch 1930 fand die feierliche Eröffnung der Strecke Eibsee – Schneefernerhaus statt. Die Presse jubelte damals: „Ist es nicht schön, dass Menschen, die körperlich nie in der Lage wären in solche Höhen zu wandern, nun mit Hilfe der modernen Technik mühelos diese wunderbar kräftige Höhenluft atmen können“. Viele weitere technische Pionierleistungen sollten folgen. Derzeit erhebt sich auf der Zugspitze Deutschlands höchster Baukran – er ist beim Bau der neuen Eibsee-Seilbahn im Einsatz.

„Die ersten Alpinisten entdeckten zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Welt der Berge. Das bayerische Alpenland übte dabei eine besondere Anziehungskraft aus. In vielfältigen Dokumenten spiegeln die Bestände des Bayerischen Wirtschaftsarchivs die Entwicklung und den Verlauf des Fremdenverkehrs mit Sport und Erholung wieder.“

Dr. Eva Moser, Leiterin des Bayerischen Wirtschaftsarchivs

„Flüssiges Gold – Bayerisches Bier“

Dem bayerischen Herzog Wilhelm IV. lag vor 500 Jahren der gesunde Durst seiner Untertanen am Herzen: Nur Wasser, Gerste und Hopfen sollten die heimischen Brauer ab 1516 für ihren Trunk verwenden. Die frühe Lebensmittelverordnung begründete den späteren Siegeszug des „flüssigen Golds“.

Vor dem Ersten Weltkrieg erzeugten die bayerischen Brauereien mehr als ein Viertel des in Deutschland gebrauten Biers, jedes zehnte auf der Welt getrunkene Glas Bier stammte aus Bayern. Was Bier damals in München bedeutete, zeigt auch die Zahl der Brauereien. 1908 versorgten etwa 20 Münchner Unternehmen in der Isarmetropole rund 1.900 Bierwirtschaften. Viele Namen sind mittlerweile in Vergessenheit geraten wie die Aktienbrauerei zum Eberl-Faber, Gernerbräu, Kochelbräu oder die Brauerei zum Sternecker.

Die allgemeine Bierverteuerung führte damals zur „anscheinend unausrottbaren Unsitte“ unzureichend gefüllter Masskrüge. Der seit 1899 bestehende „Verein zur Bekämpfung des schlechten Einschenkens“ brachte es schließlich zuwege, dass eine Reihe von Schankkellnern vor Gericht erscheinen musste und im März 1910 abgeurteilt werden sollte. „Zur maßlosen Überraschung“ endete die Verhandlung mit einem Freispruch.

„Beim Tag der Archive am 5. März laden wir mit unserer Ausstellung ‘Flüssiges Gold – Bayerisches Bier‘ den Besucher zu einem Streifzug durch die Welt des einstigen Volksnahrungsmittels ein. Historische Fotos beleuchten den Arbeitsalltag in den Brauereien von früher. Großformatige Unternehmensansichten künden vom starken Selbstbewusstsein der Traditionsbetriebe. Alte Plakate und Werbemittel zeigen, wie sehr das „Image“ Bayerns vom Bier geprägt wurde. Zu den seltenen Aufnahmen gehört ein Foto aus dem Jahr 1963 mit einer Stewardess beim Zapfen von frischem Fassbier im Flugzeug. Prominente Oktoberfest-Gäste wie der bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß oder die ehemalige persische Kaiserin Soraya sind in der Schau ebenfalls vertreten.“

Harald Müller M.A., wiss. Mitarbeiter des Bayerischen Wirtschaftsarchivs

Bayerns „weiße Kohle“

Die Wasserkraft spielt in Bayern als Energiequelle eine wichtige Rolle. Das zeigt das Exponat des Monats April des Bayerischen Wirtschaftsarchivs.

Zwar ist Bayern arm an fossilen Brennstoffen, doch es verfügt mit seinen Gebirgsflüssen und mächtigen Strömen über einen anderen wichtigen Energieträger, die Wasserkraft. Bereits 1894 nahm als erstes bayerisches Überlandwerk die private Isarwerke GmbH den Betrieb auf. Sie unterhielt eine große Wasserkraftanlage bei Höllriegelskreuth südlich von München.

Der zielgerichtete Ausbau der bayerischen Wasserkräfte vollzog sich aber erst nach dem Ersten Weltkrieg. Vor 95 Jahren – am 5. April 1921 – gründete der Bayerische Staat die Bayernwerk AG. Sie hatte die Aufgabe, die „Großwasserkräfte des Landes zum Zwecke vollkommener Ausnützung zusammenzufassen“ und über die Verteilungsanlagen der Überlandwerke „dem ganzen Lande und benachbarten Wirtschaftsgebieten zuzuführen.“ Unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkriegs begannen im Dezember 1918 die Bauarbeiten am Walchenseekraftwerk. Auf der Baustelle waren zeitweise bis zu 2.000 Arbeiter im Einsatz. Die Arbeitskräfte kamen aus allen Teilen Bayerns, vor allem aus der Holledau, aus Niederbayern und aus dem Spessart. Im Volksmund hießen sie „Baraber“. Im Januar 1924 speiste eine Turbine erstmals Energie ins Stromnetz ein.

„Zu den unabdingbaren Voraussetzungen für eine erfolgreiche industrielle Entwicklung gehört die ausreichende Versorgung mit preiswerter Energie. Im Bayerischen Wirtschaftsarchiv ist die Elektrifizierung Bayerns mit einer Fülle von Beständen und Archivalien dokumentiert.“

Dr. Richard Winkler, stv. Leiter des Bayerischen Wirtschaftsarchivs

Hoher und höchster Besuch

Zu den Kostbarkeiten jedes Rathauses gehört das Goldene Buch der Stadt, in dem sich gekrönte Häupter und sonstige prominente Besucher verewigen. 1888 trug sich als erster Kaiser Wilhelm II. in das neu geschaffene Gedenkbuch der königlichen Haupt- und Residenzstadt München ein.

Im Mai 1906 – vor 110 Jahren – schrieben sich die Mitglieder einer chinesischen Studienkommission in den voluminösen Band mit Goldschnitt ein. Auch ein Besuch am bayerischen Königshof stand für die Delegation auf dem Programm. Die Münchner Stadtchronik verzeichnete ihre Namen: Generalgouverneur Tuan Fang, Ministerialpräsident Tai Hung Tse, Präfekt Lao Ke Alfred Sze, Hanlin Teng Pang She, Taotai Fong Tsiang Kwang, Hanlin Kwan Mien Chun, Oberst Sho Ching Ah, Werftdirektor Basse (ein Deutscher), Lung Kin Chang sowie Mo Do Yü – mit dem Vermerk „studiert in Berlin und spricht deutsch“. Besonders beeindruckte aber die Besucher aus dem Reich der Mitte die Besichtigung der Löwenbrauerei: „Eine Brauerei in dem kolossalen Umfange (…) war ihnen nicht bekannt.“ Auch dem Kaufhaus Oberpollinger statteten die chinesischen Würdenträger einen Besuch ab und „liessen sich dessen Betrieb eingehend erklären.“Überhaupt erfreuten sich die bayerischen Betriebe großer Beliebtheit auch beim Herrscherhaus der Wittelsbacher. Als Isidor Bach 1903 in der Münchner Sendlinger Straße sein neues Geschäftshaus eröffnete, beehrte Prinzregent Luitpold die Inhaberfamilie und die Angestellten mit seinem Besuch. Kurz darauf kam auch sein Sohn Prinz Ludwig in Begleitung seines Adjutanten.

Der Firmenbesuch von Staatsgästen und prominenten Persönlichkeiten aus Politik und Verwaltung hat damals wie heute sehr hohen Stellenwert. Im Bayerischen Wirtschaftsarchiv spiegeln eindrucksvolle historische Fotos diese Begegnungen wider.

Harald Müller M.A., Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bayerischen Wirtschaftsarchivs

Die menschliche Stimme auf Reisen

„Das Pferd frisst keinen Gurkensalat.“ So lautete angeblich der erste Satz, der vor 155 Jahren aus einem Fernsprecher kam. Der Lehrer Philipp Reis stellte damit 1861 den ersten funktionsfähigen Prototypen seines „Telephons“ vor.

15 Jahre später meldete der Schotte Alexander Graham Bell seine Apparatur zum Patent an und präsentierte sie auf der Weltausstellung in Philadelphia. Die Segnungen der Telephonie hielten bald auch in Europa Einzug.

Doch in München waren zunächst bürokratische Hürden zu überwinden. Die vorsichtige „Generaldirection“ der Post erklärte sich zur Einrichtung eines Telefonnetzes erst bereit, wenn 100 Abonnenten für fünf Jahre einen Anschluss buchten. Die jährlichen Kosten schlugen dafür mit 150 Mark zu Buche, was bei einem monatlichen Einkommen der Durchschnittsbevölkerung von 80 bis 100 Mark nicht unerheblich war.

1883 nahmen in München die ersten „Umschaltbureaux“ ihren Dienst auf, und zwar zunächst „von morgens 7.00 Uhr bis abends 11.00 Uhr“. Die ersten 200 Telefonstationen lieferte der junge und ehrgeizige Oberförstersohn Friedrich Reiner, der in München eine Mechanikerwerkstatt eröffnet hatte.

Das erste Telefonbuch der Königlichen Haupt- und Residenzstadt von 1883 listete 145 Teilnehmer auf, darunter auch die Münchner Industrie- und Handelskammer. 1886 – vor 130 Jahren – war es dann erstmals möglich, in eine andere Stadt zu telefonieren: Die ersten Verbindungen entstanden zwischen München-Augsburg und Nürnberg-Bamberg.

Frühzeitig entwickelte sich in Bayern eine fernmeldetechnische Industrie. Im Messekatalog der Internationalen Elektrizitätsausstellung in München 1882 inserierte eine Reihe von kleineren Herstellern, die heute nicht mehr bekannt sind. Auch der Vater von Albert Einstein betrieb zusammen mit seinem Bruder ein elektrotechnisches Unternehmen, das unter anderem „Telephon-Anlagen System Paterson“ herstellte. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv verwahrt die Überlieferung der Telefonfabrik Friedrich Reiner wie auch der Telefonbaufirma Friedrich Merk.

Dr. Eva Moser, Leiterin des Bayerischen Wirtschaftsarchivs.

Der Rhein-Main-Donau-Kanal

Der Panamakanal ist fertig ausgebaut. Auch in Bayern gibt es schon lange Pläne für einen Großkanal. Schon 793 erfolgte der erste Spatenstich für den Karlsgraben, der Rezat und Altmühl verband, der Ursprung des Rhein-Main-Donau-Kanals. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv zeichnet die Geschichte des Kanals nach.

Eigentlich sollte er rechtzeitig zu seinem 100. Geburtstag 2014 neu eröffnet werden, doch Streiks und Geldstreitigkeiten verzögerten den Ausbau des Panamakanals. Erst jetzt durchfuhr ein chinesischer Frachter als erstes Schiff die 80 Kilometer lange Strecke zwischen Atlantik und Pazifik.

Die Pläne für einen Großkanal in Bayern reichen bis ins Mittelalter zurück. Schon Karl der Große wollte in seinem Reich eine Schiffahrtstraße errichten, um den Kaufleuten den beschwerlichen Handelsweg zwischen Nordsee und Schwarzem Meer zu erleichtern. 793 erfolgte der erste Spatenstich für den Karlsgraben, der Rezat und Altmühl verband. Rund 1100 Jahre später verwirklichte König Ludwig I. von Bayern nach zehn Jahren Bauzeit 1846 mit dem nach ihm benannten Kanal den Lückenschluss vom Main zur Donau.

Doch erst die Industrialisierung machte den umfassenden Ausbau besserer Verkehrswege notwendig. Der technische Fortschritt ermöglichte zudem den Bau größerer Transportschiffe mit höherem Frachtaufkommen. 1921 war es dann soweit: Vor 95 Jahren schlossen das Deutsche Reich und der Freistaat Bayern einen Staatsvertrag zum Bau einer „Europa in der Richtung Nordwest-Südost durchquerenden, den höchsten Anforderungen der Binnenschifffahrt entsprechenden Wasserstraße“.

Für die Ausführung setzten die Verantwortlichen auf ein privatwirtschaftlich organisiertes Unternehmen und gründeten dazu die Rhein-Main-Donau AG (RMD). Ihre Aufgabe war es, eine Verbindung von Aschaffenburg am Main bis Passau an der Donau zu verwirklichen. Für die Finanzierung des ehrgeizigen Projekts erhielt die Gesellschaft die Nutzungsrechte für die Wasserkraft an Main, Regnitz, Altmühl, Donau und Lech. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kam das Unternehmen zum Erliegen und wurde 1947 wieder in Gang gesetzt. Es dauert noch 45 Jahre, bis der bayerische Ministerpräsident Max Streibl 1992 den 172 Kilometer langen Kanal seiner Bestimmung übergeben konnte.

Die Rhein-Main-Donau AG (RMD) errichtete seit ihrer Gründung 60 Wasserkraftwerke. Schon 1924 lieferte das erste Kraftwerk „Untere Mainmühle“ in Würzburg den ersten Strom. Der vom Bayerischen Wirtschaftsarchiv betreute Archivbestand der RMD wirft Schlaglichter auf die Entwicklung der großen Binnenland-Wasserstraße, die zu den zehn längsten Kanälen der Welt gehört.

Dr. Richard Winkler, stv. Leiter des Bayerischen Wirtschaftsarchivs

Bierkühlung: Künstliche Kälte

Für Brauereien war die Kühlung des Biers über lange Zeit hinweg ein großes Problem. Den Weg von Kältekellern bis zur Kältemaschine beschreibt das Bayerische Wirtschaftsarchiv.

Endlich Sommer: Für viele macht ein frisches Bier unter schattigen Kastanien den Durst erst richtig schön. Dabei war bei den Brauereien die wirksame Kühlung über lange Zeit hinweg ein großes Problem. Der Brauvorgang verlangte ein schnelles Abkühlen der heißen Würze, außerdem benötigten die Bierfässer im Lagerkeller gerade in der wärmeren Jahreszeit gleichbleibend niedrige Temperaturen.

In München entstanden daher in den Erhöhungen rund um die damalige Stadt eigene Kelleranlagen, vor allem am östlichen Hochufer der Isar. Dort lagerten die Brauer große Eisblöcke ein. Die „Eis-Ernte“ auf den Seen und Weihern im Winter war Knochenarbeit.

Der junge Münchner Professor Carl von Linde (1842-1934) verlegte sich auf die Entwicklung der Kältetechnik – ein reichhaltiges Betätigungsfeld, denn alle bisherigen Verfahren waren noch sehr störanfällig. In Zusammenarbeit mit dem „Spatenbräu“ Gabriel Sedlmayr experimentierte Linde mit seinen Studenten auf dem Brauereigelände. 1873 lieferte dort die Maschinenfabrik Augsburg nach Lindes Vorgaben eine erste Kältemaschine, die Methyläther als Kühlmittel einsetzte. Als eines Nachts die Pumpe explodierte, tauschte Linde den explosiven Stoff gegen Ammoniak aus.

Ab den 1880er Jahren setzten die Brauereien mehr und mehr auf diese Maschinen, die Kälte jederzeit und zuverlässig lieferten. Das zusätzlich erzeugte Stangeneis kam bei der Kühlung von Eisenbahnwaggons und speziellen Lastwagen zum Einsatz.

Durch die neue Kältetechnik konnten die Brauereien zu jeder Jahreszeit produzieren. Außerdem ermöglichte sie einen Biertransport über weite Entfernungen hinweg ohne Qualitätseinbußen. In seinen umfangreichen Brauereibeständen dokumentiert das Bayerische Wirtschaftsarchiv den Wandel vom Bierhandwerk zur industriellen Fertigung.

Harald Müller, wiss. Mitarbeiter des Bayerischen Wirtschaftsarchivs

Die Lokomotiven-Diva aus Bayern

Schon vor 110 Jahren gab es eine Lokomotive, die es auf über 150 Stundenkilometer brachte. Sie galt jedoch als Diva. Pioniertaten im Lokomotivbau beschreibt das Bayerische Wirtschaftsarchiv.

Als der Chefkonstrukteur Anton Hammel vor 110 Jahren in der Fabrik des Herrn von Maffei an der Schnellzuglokomotive S 2/6 tüftelte, ahnte er nicht, dass dieses Erfolgsmodell den Geschwindigkeitsrekord weit über seinen Tod im Jahr 1925 hinaus halten würde.

Erst elf Jahre später wurde das Tempo von 154,5 Stundenkilometern überboten. Pünktlich zur Eröffnung der Bayerischen Jubiläums-Ausstellung in Nürnberg rollte die elegante Riesenlokomotive vor staunendem Publikum ein. Großes Aufsehen erregte sie auch bei ihrem offiziellen Dienstbeginn bei der Bayerischen Staatsbahn am 21. Oktober 1906. Die S 2/6 war die größte Lokomotive ihrer Zeit, die freilich nie in Serie ging.

Abgesehen von der Verbindung München-Augsburg war das bayerische Streckennetz für diese hohen Geschwindigkeiten nicht geeignet. Zudem kamen die großen Lokräder mit ihrem Durchmesser von mehr als zwei Metern nur schwer und langsam in Schwung. Wenn die S 2/6 auch kaum im normalen Bahnbetrieb eingesetzt werden konnte, gingen von ihr jedoch wichtige Impulse für das Nachfolgemodell S 3/6 aus. Maffei baute zwischen 1908 und 1931 159 Dampflokomotiven dieses Typs. Wegen ihres besonders ruhigen Fahrverhaltens zog eine S 3/6 den berühmten Luxuszug „Rheingold“ und den exklusiven Orient-Express. Mit der Weltwirtschaftskrise gingen auch bei Maffei die Lichter aus: 1931 kam es zum Zusammenschluss mit der zweiten Münchner Lokomotivfabrik Krauss & Comp. und das Werk in der Hirschau wurde stillgelegt.

1838 gründete der Münchner Industriepionier und spätere erste Handelskammerpräsident Joseph Anton von Maffei seine Fabrik in der Hirschau. Über Jahrzehnte hinweg setzte das Unternehmen Maßstäbe im Eisenbahnbau. Die historische Überlieferung dieser Firma gehört zu den ‚Highlights‘ unserer Archivbestände.

Dr. Eva Moser, Leiterin des Bayerischen Wirtschaftsarchivs

Ein Bier wie Bayern …‎

Der Ruhm des guten Münchner Biers war gegen Ende des 19. Jahrhunderts noch nicht in alle Welt gedrungen. Zwar hatte Spaten 1891 in London eine eigene Niederlassung errichtet, doch jenseits des Atlantiks waren die Erzeugnisse Münchner Braukunst weitgehend unbekannt. Erst nach der Weltausstellung 1893 in Chicago änderte sich das - als Löwenbräu den Besuchern so gut schmeckte, dass die Jury das Münchner Brauhaus mit einer Goldmedaille auszeichnete.

Es wurde der Beginn einer langanhaltenden und engen transatlantischen Beziehung, die erst von der Prohibition – dem Alkoholverbot in den USA – unterbrochen wurde. Als sich Ende 1932 abzeichnete, dass der neu gewählte Präsident Roosevelt den Amerikanern den Genuss von Bier wieder erlauben würde, kabelte ein alter Löwenbräu-Kunde aus Chicago aufgeregt: „Bereitet 20.000 Fässer feinstes Löwenbräu Hell und Dunkel vor!“ Für den Löwenbräuvorstand Dr. Hermann Schülein wurden die Vereinigten Staaten zum Zufluchtsort, als er unter dem Druck der Nationalsozialisten 1935 seinen Posten aufgeben und Deutschland verlassen musste. In New York baute sich Schülein in der Liebmann-Brauerei äußerst erfolgreich eine neue Existenz auf. Nach Kriegsende 1945 war er „seiner“ alten Münchner Brauerei dabei behilflich, wieder Kontakte nach USA anzuknüpfen. Löwenbräu stieg in den 1960er Jahren zur exportstärksten Brauerei Deutschlands auf.

Die Überlieferung der Münchner Löwenbräu AG gehört zu den umfangreichsten Beständen im Bayerischen Wirtschaftsarchiv. Unter dem Titel „Ein Bier wie Bayern. Geschichte der Münchner Löwenbrauerei 1818-2003“ von Dr. Richard Winkler erscheint jetzt im Verlag Ph. C. Schmidt in Neustadt/Aisch der vierte Band unserer Schriftenreihe. Darin zeichnet der Autor erstmals umfassend die Entwicklung des Münchner Traditionsunternehmens nach. Eine Vielzahl bislang unveröffentlichter Bilder vermittelt einen Einblick in die facettenreiche „Löwen“-Geschichte.

Dr. Eva Moser, Leiterin des Bayerischen Wirtschaftsarchivs

Letzte Ruhe

Eine bescheidene Trauerzeremonie und ein würdiges Grab - das wünschten sich im 19 Jahrhundert auch einfache Leute. Nicht wenige Unternehmen unterstützten sie dabei, für den letzten Gang vorzusorgen. Wie, zeigt das Exponat des Monates des Bayerischen Wirtschaftsarchivs.

Als vor 130 Jahren der so tragisch ums Leben gekommene bayerische König Ludwig II. 1886 bestattet wurde, dauerte allein der Trauerzug eine Stunde. Dienerschaft, Stabsbeamte, Erzbischöfe und Bischöfe sowie 25 sog. „Gugelmänner“ (benannt nach der schwarzen spitzen Gugelhaube) schritten dem Sarg voran. Dann folgte der „von 8 mit schwarzen Decken behangenen Pferden gezogene, prachtvolle, mit Blumen und Kränzen reich geschmückte Leichenwagen und Sarg mit den Reichs- und Ordensinsignien.“ Adjutanten und königliche Kammerherren schritten daneben, umgeben von königlichen Pagen und Hartschieren.

Lange vor der Einführung der Sozialversicherung bemühten sich viele Unternehmen, mit „Hilfskassen“ und Stiftungen ihre Belegschaft sozial abzusichern. Die Fürsorge endete nicht beim Ableben des Mitarbeiters. Die Baumwollspinnerei in Kolbermoor, deren Archivbestand wir betreuen, beschäftigte sogar eine „Todtenfrau“ für den werkseigenen Friedhof.

Dr. Richard Winkler, stv. Leiter des Bayerischen Wirtschaftsarchivs

‎Arbeiterbuch: „Wie es im Buche steht“

Historische Arbeiterbücher haben großen Wert für die wissenschaftliche Forschung. An ihnen lässt sich etwa ablesen, dass es mit der vielbeschworenen „Betriebstreue“ doch nicht so weit her war. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv BWA zeigt die ganze Bandbreite.

Er war die Nummer eins: Der 39-jährige Modellschreiner Ludwig Senftl aus Albaching bei Rosenheim trat am „15. May 1862“ als erster in die neu eröffnete Spinnerei und Weberei in Kolbermoor an der Mangfall ein. Es waren Münchner „Capitalisten“ und Textilfachleute aus Augsburg, die damals die große Wasserkraft dieses Flusses industriell nutzen wollten. Schon in den ersten Jahren seines Bestehens beschäftigte das Unternehmen rund 270 Personen. Die Maschinenausstattung stammte aus dem englischen Manchester, dem Mutterland der Textilindustrie. Ludwig Senftl blieb dem Betrieb 34 Jahre verbunden, mit 73 Jahren schied er aus.

Im Bayerischen Wirtschaftsarchiv findet sich eine ganze Reihe von historischen Arbeiterbüchern. Sie haben großen Wert für die wissenschaftliche Forschung. An ihnen lässt sich etwa ablesen, dass es mit der vielbeschworenen „Betriebstreue“ doch nicht so weit her war. Sogar ältere Arbeitnehmer wechselten damals etwa drei- bis viermal häufiger den Job als heute. Gefiel der Betrieb, war es gut. Wenn nicht, dann zog man halt weiter. Dazu kam, dass auch die Berufsausbildung noch in den Kinderschuhen steckte, Arbeitnehmer konnten immer wieder angelernt werden.

Harald Müller, Wiss. Mitarbeiter des Bayerischen Wirtschaftsarchivs