Kleine Marken, große Wirkung
Werbemarken waren vor dem Ersten Weltkrieg ein weit verbreitetes Mittel der Firmen- und Produktwerbung. Auch als Sammelobjekte erfreuten sie sich größter Beliebtheit.
1820 erfand der englische Papierhändler S. K. Brewer den modernen Briefumschlag. Wurden Briefe zuvor durch Umfalten und Versiegeln mit Lack vor unberechtigtem Zugriff geschützt, steckte man das Schreiben nun einfach in einen Umschlag aus Papier und brachte es zur Post. Bis zur massenhaften Verbreitung des selbstklebenden Briefkuverts dauerte es aber noch einige Jahrzehnte – solange, bis die maschinelle Fertigung perfektioniert war.
An der Wende zum 20. Jahrhundert entdeckten dann Wirtschaftsunternehmen den Briefumschlag als kostengünstigen und massentauglichen Werbeträger. Die Rückseite des Kuverts, mit dem Geschäftsbriefe und Rechnungen verschickt wurden, zierten nun aufgeklebte Werbemarken. Gestaltet in Form eines Kleinplakats bewarben die in der Regel 4 mal 6 cm großen Briefaufkleber Firmen und ihre Produkte. Auch Warenhäuser, Fremdenverkehrsvereine oder Ausstellungen nutzten das Werbemittel, das von den Zeitgenossen auch als „Reklame“- oder „Propagandamarke“ bezeichnet wurde.
Die Zahl der Firmen und Einrichtungen in Deutschland, die sich bis 1914 dieser speziellen Kleinform der Massendirektwerbung bedienten, wird auf über 50.000 geschätzt. Außer auf Briefen fanden die Marken in Einzelhandelsgeschäften als Zugabe an Kunden beim Kauf entsprechender Produkte Verwendung. Auch deshalb wurden sie in hoher Auflage gedruckt. Allein für die Bewerbung der „Münchner Gewerbeschau“ 1908 kamen sechs Millionen Stück in Umlauf.
Die Konkurrenz der Firmen untereinander erforderte eine möglichst auffallende, zum Teil künstlerische Gestaltung der Marken. Große Unternehmen und Kaufhäuser beauftragten deshalb namhafte Künstler mit dem Design, so etwa die Münchner Graphiker Otto Hupp, Ludwig Hohlwein oder Siegmund von Suchodolsky.
Aufgrund ihrer reizenden Sujets und prächtigen Farbenwirkung entwickelten sich die Marken bald zu begehrten Sammelobjekten. Alben wurden angelegt und Tauschbörsen eröffnet. In München fand 1912 die „Erste Propagandamarken-Ausstellung“ statt.
Das Bayerische Wirtschaftsarchiv verfügt über eine Sammlung mit rund 10.000 Marken aus Bayern.
Autor: Dr. Richard Winkler